MODE UND KULTUR

Außen hui, innen gar nicht pfui!

Neues von der Bekleidungsmarke „MaxMara“

Aufmarsch – die Modenschau „MaxMara“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 4. November 2019
„Fiktion braucht mehr weibliche Spione“, hatte einst die britische Feministin und Publizistin Natasha Walter geäußert. Ihr Debütroman „A Quiet Life“ aus dem Jahre 2016 ist ein Spionagethriller, in dessen Mittelpunkte eine weibliche Person steht. Im Hinblicke auf die Prêt‑à‑porter-Kollektion für den Frühling und Sommer 2020 der in Reggio Emilia beheimateten Marke „MaxMara“ kam deren Kreativem Leiter Ian Griffiths die Idee, Kleidungsstücke als Kostüme für einen imaginär noch zu drehenden Spielfilm zu erschaffen.

An die Stelle der berühmten Roman- und Filmfigur James Bond trat in Ian Griffiths’ Vorstellung die vom englischen Schriftsteller Peter O’Donnell im Jahre 1963 geschaffene Roman- und Comicfigur Modesty Blaise oder die Figur „Killing Eve“ der britischen Fernsehserie des Fernsehsenders BBC America gleichen Namens aus dem Jahre 2018. Die neue Protagonistin bewunderte zwar James Bonds Eleganz, stellt aber seine Arbeitsweise in Frage. Holprige Verfolgungsjagden, Schießereien und katastrophale Explosionen waren für sie gefährlich, schmutzig und unnötig. Sie brachte lieber mit einer klug gestellten Falle ihre Feinde zur Strecke. Am Schauplatze London klackerten die Absätze von Pumps oder Schaftstiefeln in den Korridoren auf dem Wege zu den holzgetäfelten Büros der Macht; Kniestrümpfe ergänzten meistens die Pumps. Dorthin paßten Trenchcoats und dreiteilige Hosenanzüge samt scharf geschnittenen Schulterpartien. Haifischhautmuster und Fürst‑von‑Wales-Muster verstanden sich da von selbst; Grau war auch eine Option. Schwarz und weiß war der winzige Foularddruck für ein Mittagsmahl in Mayfair. Ein zweireihiger Mantel aus weißer Kaschmirwolle wies daneben großzügige Proportionen auf.

Für die Fahrt zum Flughafen reichten großzügige Buschjacken und „Whitney“‑Handtaschen aus. Nach der Landung auf einer Palmeninsel ließ sich der Weg durch eine glitzernde Bucht ins abgeschottete Versteck und die folgende Jagd durch den Dschungel am besten in tropischen Militäruniformen überstehen; Feldblusen samt mehreren aufgesetzten Taschen und knielange Hosen waren muschelrosa, nilwassergrün (Eau de Nil), puderblau oder lila. Eine Variante mit langer Hose war hingegen kamelbraun. Lange, schräg geschnittene und in Paisleymusterung bedruckte Röcke sowie fließende Kleider samt strapazierfähigen Hosenträgern in der Art von Latzhosen in Pastelltönen eigneten sich für den Cocktailempfang in der Villa des Gouverneurs. Farblich dazu passende Kappen hatten einen großen Schirm. Endlich war der auf dem Gartenrasen wartende Hubschrauber in Kleidern mit diagonal plazierten Seidenvolants zu erreichen. Eine gute Modenschau erfordert übrigens professionelle Mannequins. Eine große Aufmerksamkeit stellen dann bekannte oder sogar berühmte Gesichter sicher. So setzte Ian Griffiths zur Präsentation der Kollektion in der Bocconi-Universität in Mailand am 19. September 2019 auf Kaia Jordan Gerber, Isabella Khair Hadid, Jelena Noura Hadid, Doutzen Kroes und Candice Susan Swanepoel.

In der Veranstaltungsstätte „SALONE DEI TESSUTI“ trafen bei der Modenschau der chinesischen Modeschöpferin Huizhou Zhao – ihre Marke heißt: „HUI“ – am 18. September 2019 die Kultur Chinas und Europas aufeinander. Die dekorative Seite der alten orientalischen Dynastien wurde ein kostbares Detail für Kleidung und Accessoires. Stickerei an Rändern und Taschen machte Serge de Nîmes an Kleidungsstücken samt in unendlich vielen Farbtönen bestickten Bündchen zum „Star“ der Kollektion. Kleine Meisterwerke der Antike waren als eingefügte Details Ausdruck hochmoderner Handwerkskunst. Rot, die Schlüsselfarbe der chinesischen Welt, war für Seidensatinkrepp an einigen Kleidungsstücken die einzige Farbe. Äußerst feminine Bustiers kamen nicht ohne Linearität aus. An den Rändern von Jumpsuits aus milchweißem Cady und Seidenorganza stach Gold als „orientalische Trumpfkarte“ hervor. Gelb und Lagunengrün wurden eingesetzt, um Kleidungsstücke mit länglicher Silhouette zu prägen, Röcke zu wickeln sowie Kleider in A‑Linie zu besticken und zu bedrucken. Tüll und Chiffon, schwarz oder in verschiedenen Fleischschattierungen, waren Teil eines Spieles mit der Überlagerung bei Tuniken und langen Kleidern mit der Folge strenger Sinnlichkeit. Sandalen waren ebenso bestickt wie Stirnbänder. Ohrringe mit Glaskugeln und Kübeltaschen kamen hinzu.

Im Jahre 2013 nach dem Studium an der Modeschule der Istituto Marangoni S.r.l. in Mailand hatte der Modeschöpfer Dhruv Kapoor in Neu-Delhi eine gleichnamige Marke geschaffen, um die „archaischen Regeln des Geschlechtes“, wonach Empathie und Emotion als schwach gegolten hatten, zu brechen. Bei Liebe zum Detail lag der Schwerpunkt seither auf Schneiderei, Stoffdrucken und handgefertigten Verzierungen. Unter dem Motto „Perception“ reichte das breite Spektrum der Kollektion von äußerst femininen Silhouetten bis zu übergroßen Herrenpaßformen. Stückwerkblumen, rustikale, von fernöstlichen Tempeln beeinflußte Drucke und Streifen im Stile der Glitch Art mit Grunge-Note brachten zwei Pole zusammen. Die am 19. September 2019 im Palazzo Durini vorgestellte Kollektion war eine „ungehemmte Reflexion der heutigen Gesellschaft und ihrer Interaktionen mit verschiedenen Kulturen“.

Sieg über die Gewalt, das heißt Gewaltlosigkeit, ist die Kernbotschaft der Marke „ARA LUMIERE“, deren Konzept darin besteht, Überlebenden von Säureangriffen zu ermöglichen, Accessoires zu kreieren. Für die Kollektion „Resilienz“ – der Begriff bedeutet Härte und Überlebensfähigkeit – arbeitete das kreative Kollektiv unter Leitung der Leiterin der in Bangalore ansässigen Stiftung „HOTHUR FOUNDATION“ Kulsum Shadab Wahab mit der indischen Architektin und Gestalterin Kshitija Mruthyunjaya zusammen. Nach der gefallenen Flora als Metapher bei der vorigen Kollektion „Renaissance De La Fleur“ dienten nunmehr sechs der ältesten, trotz schwerwiegender klimatischer Veränderungen immer noch lebenden Pflanzen als Metapher für den Überlebenswillen. Wurzeln, Stengel, Blätter, Blüten und Früchte waren die Vorlage der im Rahmen einer Kunsttherapie von den Überlebenden mit der Hand gemalten Muster. Die als zusätzliche therapeutische Übung handschriftlich verfaßten Briefe drückten die Strapazen und Hoffnungen während des Überlebenskampfes aus. Als Alternative zu herkömmlicher Seide verschmolzen die Muster und Buchstaben auf „Ahimsa“-Seide, was auf Hindi Gewaltfreiheit bedeutet, zu feinfühligen Motiven für Haarschmuck. Nach eigener Angabe wird der Erlös in Gänze zur Rehabilitation dienen. Eine Bilderausstellung ergänzte die Schmuckpräsentation im Palazzo Durini, wofür der aus Schweden stammende und in New York wirkende Photograph Björn Wallander die unglaubliche Belastbarkeit und Stärke der Überlebenden in sechsen Porträts eingefangen hatte.

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