MODE UND KULTUR

Mailand in der Tasche

Die Mode und die Abfallwiederverwertung nebst der Elektromobilität

Am Nasenringe durch die Modearena – das Mannequin Hannah Shakespeare vor der Modenschau „byblos“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 1. Mai 2019
Von der Lichtschau in der Arktis, nämlich der Magie der Rätselhaftigkeit der nördlichen Polarlichter mit ihren extravaganten Farben und der kristallklaren Reinheit des arktischen Eises mit seinen scharfen, die Lichtstrahlen brechenden Kanten, fasziniert, formulierte Manuel Facchini als kreativer Leiter der in Bussolengo nahe Verona beheimateten Bekleidungsmarke „byblos“ eine Botschaft der Nachhaltigkeit. Mit der Prêt‑à‑porter-Kollektion für den Herbst und Winter 2019/2020 beschritt er einen neuen Pfad, um diesen Planeten zu retten und die Zukunft für nachfolgende Generationen zu sichern. Das Parkhaus der Lombarda Parking Srl in Mailand war am 20. Februar 2019 der Ort, um diese Botschaft zu übermitteln.

Unter dem Motto „CRYSTALLIZED“ erhielt der Kunststoff recycelter Flaschen ein zweites Leben, indem er mutierte zu umweltfreundlichen Perlen, die angesichts der globalen Erwärmung wie nachhaltige Diamanten für eine neue Ästhetik standen. Diese wie Eiskristalle aussehenden Perlen erzeugten irisierende Effekte auf Bomberjacken in Kokonform, Kapuzenpullovern und „kristallisierten“ Parkas. Recyceltes Nylon war ein anderes Material, welches graphische und geometrische Motive, von einem zeitlosen Kosmos inspiriert, schmückten. Der sportlichen Seele der Marke entsprach die ergonomische Konstruktionen kuscheliger Puffjacken und hautenger Kleider mit dreidimensionalen Schutzvorkehrungen, wobei die scharfen Schnitte und hochtechnologischen Veredelungen auf Hockeyuniformen zurückgingen. Deren strukturierte Silhouetten glichen origamiartige Kutten in Formen, welche die molekulare Struktur des Eises wiedergaben und gleichsam schmolzen, aus. Die Aurora borealis war die Vorlage für ins Auge springende Stoffdrucke. Schuhe traten mit einer besonderen Attitüde ins Rampenlicht, denn für Spaß in richtiger Dosis gab es klobige Sneakers in Kokonform, Stiefeletten aus ökologischen Fellen und Cuissardestiefel in Hockeyart.

Der Modeschöpfer Alberto Zambelli aus Polpenazze del Garda in der Lombardei tauchte sozusagen ins Meer ein. In der Tiefe entdeckte er Kreaturen, die im Rhythmus der ruhigen Strömung gleichsam tanzten. Er übersetzte deren Körpergestalt in eine Kollektion mit weichen, dekonstruierten Formen. Maskuline Übergröße traf auf A‑Linie, Kimonoform und Bleistiftform. Die Kleidungsstücke umgaben den Körper wie eine Membran, ohne seine Natur zu verändern. Mit Seide umhüllte Wollkordeln führten zu einer dumpfen Hülle, während sich Chiffonbänder geschmeidig wie leichter Seetang bewegten. Die Seide glitt am Körper herunter, der Seidenorganza tauchte als voluminöse Rundung auf, der Samt entwickelte Knoten und die winzigen Pailletten schillerten. Es war Alberto Zambellis Intention, daß die Bewegungen der Strukturen in ihrer ganzen Natürlichkeit des Tanzes der deutschen Tänzerin, Choreographin, Ballettleiterin und Tanzpädagogin Philippine Bausch alias Pina Bausch erinnerten, und zwar als Tanz in Apnoe zum Wassergeräusche. Weitere Materialien waren Alpakawolle, Kaschmirwolle und Seidencharmeuse. Die maritime Farbpalette spiegelte die Färbung von Algen, Quallen, Rochen, Sardellen, Schnappern und Tintenfischen wider. Plateausandalen an den Füßen, Perlverschlußohrringe an den Ohren und marmorierte henkellose Taschen an den Händen rundeten die im Palazzo Reale gezeigte Kollektion ab.

Den Auftakt zur Mailänder Modewoche bildete die Modenschau der Marke „Matchless“ vor der Sankt-Karls-Kirche am 19. Februar 2019. Anläßlich des einhundertzwanzigjährigen Bestehens der im Jahre 1899 in London geschaffenen, seither für Funktionsbekleidung bekannten und nunmehr der in Treviso ansässigen M Symbol Group Srl gehörenden Marke drehte sich in Zusammenarbeit mit der im Jahre 2016 vom Sizilianer Salvatore Palella in New York gegründeten Helbiz, Inc., alles ums „Sharing“‑Konzept bei Verkehrsmitteln. Insofern erlebten die Passanten beziehungsweise Zuschauer keine herkömmliche Laufstegvorführung, sondern eine dynamische Inszenierung auf Elektrorollern, um eine umweltfreundliche Zukunft urbanen Verkehres aufzuzeigen. Eine solche Zukunft brauchte nicht ohne Glamour auszukommen, was die aus „grünen“ Materialien bestehenden und für urbane Mobilität geeigneten Jacken für Damen und Herren klarmachten. Ob man mit der Herstellung und Verwendung von Elektrorollern en masse in der Praxis die Umwelt wirklich schonen wird, bleibt freilich die Frage. Am 20. Februar 2019 kam es zu einer Wiederholung vor der Veranstaltungsstätte „The Mall“. Um Accessoires ging es auch am 19. Februar 2019, denn die neuen Handtaschen der Marken „LANCEL“ und „THE BRIDGE“ waren im eigenen Schauraume zu sehen.

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