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Ikonen

Die Mode zwischen Paris und Düsseldorf

„STOCKMAN“ selbdritt – die Mannequins Irya Cissé und Justine Soranzo vor der Modenschau „EymeriC FrançoiS“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 9. August 2017
Maskeraden sind beliebt, und zwar nicht nur bei Karnevalisten, sondern auch bei Modeschöpfern. Dies traf beispielsweise auf den Pariser Eymeric François zu. Zur Abrundung seiner Couturekollektion „ICONE“ für den Herbst und Winter 2017/2018 schickte er am 6. Juli 2017 alle Modelle mit Masken über den Laufsteg in der Amerikanischen Kathedrale zu Paris. Einem anderen Pariser Modeschöpfer, nämlich Franck Sorbier, erschien in Gedanken manchmal ein reizendes Geschöpf aus einer vergangenen Zeit. Energie und Frische über den Atlantischen Ozean hinweg freisetzend, rief es ihm zu: „Du hast mir den Tag gerettet!“ Am Ende einer heiklen Reise und intensiven Suche nach Inspiration entdeckte Franck Sorbier die Vielfalt.

Demzufolge führte einem die Kollektion „Femmes du Monde“ alle Farben vor Augen. Verlängerte Schultern und Hüften prägten die Silhouette. Kontrollierte Volumen kamen hinzu. Die Jugend machte Franck Sorbier an Protagonistinnen wie der mächtigen Pippi Langstrumpf fest; Prinzessinnen in verspielten Kleidern und Akteure mit stählernen Utensilien unterwegs zu „Mr. Spock“ wie in der Serie „Raumschiff Enterprise“ traten hinzu. Franck Sorbier verbarg seine Vorliebe für Provokation nicht. Ein ungeübtes Auge hätte die Kleidungsstücke für behelfsmäßig halten können, doch alleine die Zahl der Arbeitsstunden reichte aus, das Gegenteil zu erweisen. Alle Motiventwürfe und malerischen Ausführungen auf der Seide stammten von Isabelle Tartière-Sorbier. Überall war im Hinblicke auf die Wanderausstellung „Théatre de la Mode“ vom Jahre 1945 bis zum Jahre 1946 der Pariser Geist spürbar. Nostalgie kam auf. Wie in der letzten Saison führten Tänzerinnen, Schauspielerinnen, Sängerinnen und gute Freundinnen des Modeschöpfers die Kleidungsstücke in der Veranstaltungsstätte „PAVILLON CHAMPS-ELYSÉES“ vor.

Zu mehreren Modellen gehörten eine Strumpfhose mit Naht und Socken Pariser Art der französischen Marke „GERBE PARIS 1904“ sowie eigens für die Kollektion gefertigte samtene Châtelaine-Handschuhe der französischen Marke „ACABA GANTIER“. Das Modell „Mademoiselle de la Débrouille“ war eine Robe aus einer rosa-weißen Samtbahn in dalmatischem Dessin und aus vielfarbigem, kompressiertem Tülle. Beim Modelle „Mademoiselle de la Déchetterie“ bildete ein Geflecht aus Plastiktüten in Färbung von Tischtüchern sowie aus elektrischblauem und zitronengelbem Tülle eine Weste, wozu ein knielanger Jumpsuit aus schwarzem Acetatkreppe paßte. Beim Modelle „Mademoiselle de la Fortune“ zierten kleine phantasievolle Schmuckstücke eine schwarze Robe à la Edith Piaf aus kompressiertem Dévorésamte. Beim Modelle „Mademoiselle des Bonnes Œuvres“ vereinten sich an einer Robe schwarze Klöppelspitze und Nadelspitze (Guipure) dank vollständiger Handarbeit zu einem Mosaike, das wie baskisches Schmiedeeisen aussah. Das Modell „Mademoiselle de la Dernière Séance“ war ein kirschrot-schwarzes, mit roter Chenille besticktes, mit großen Häkelperlen aus eigenem Hause und mit Pomponfransen bordiertes Schneiderkostüm aus Guipure samt drapiertem Schalkragen und gewellten Doppelschößen. Beim Modelle „Mademoiselle de l’Action Picturale“ ergaben verschiedene schwarze Tuche in Variation miteinander und Schnipsel handbemalten Seidenorganzamoirés ein verrücktes Flickwerk, das Viskose-, Raphiabast-, Baumwollfäden zusammendrückten; daher hatte die Robe einen Effekt zwischen zeitgenössischer Glasmalerei und Glasbausteinen. Für das Modell „Mademoiselle de la Kermesse“ stammte die mechanische Stahlspitze aus den Archiven des französischen Herstellers „Société Choletaise de Fabrication“; die Schulterpartien, Taschen und Säume der Robe hatten eine Kokardenform.

Bei weiteren Modellen kamen lediglich die Strumpfhose mit Naht und die besagten Socken vor. Das Modell „Mademoiselle de La Ruche“ setzte sich aus einer schräg geschnittenen Robe aus schwarzem, drapiertem Seidenkreppe mit geschlossenem Stehkragen (col officier) und dreiviertellangen Ärmeln, aus einer mehrfarbigen Weste, deren Macramé aus Röhren Baumwolle des Herstellers „Société Choletaise de Fabrication“ bestand, aus zusammen. Das Modell „Mademoiselle de l’Averse“ war eine Kombination aus schwarzem, mit Kunststoffe beschichtetem, mit schwarzen und weißen Perlmotiven besticktem Mantel aus gekochter Schurwolle sowie einem schwarz-weiß handbemaltem Godetrocke aus Seidenorganzamoiré samt drapierter und korsettierter Taille. Die Modelle „Mademoiselle du Pinceau“ und „Mademoiselle de La Brosse“ paarten jeweils einen weißen, handbemalten Blouson aus Seidensatin samt Rumpfe und Ärmeln in Kugelform sowie einen schwarzen Godetrock aus Roßhaare, den Bänder des Herstellers „Société Choletaise de Fabrication“ überspielten. Das Modell „Mademoiselle de l’Intrigue“ war ein schwarzer, weiter, eingebeulter, mit Federn und Paillettengalons des Herstellers „Société Choletaise de Fabrication“ bordierter sowie mit Perlenspitze und Posamenten im Stile des 19. Jahrhundertes bestickter Samtmantel, der über einem knielangen Jumpsuit aus schwarzem Acetatkreppe lag.

Im übrigen fehlten sowohl die Strumpfhose als auch die besagten Socken; hier bildeten Roben mit Nonnenfalten an der Rückseite eine Gruppe Modelle. Beim Modelle „Mademoiselle Senou du Dripping“ wiesen Flecken, Sterne und Kokotten an einer roten, langen Robe aus Seidenorganza auf den amerikanischen Maler Jackson Pollock hin. Eine mit riesigen, kindlichen Gänseblümchen handbemalte, lange Seidenrobe und ein kleiner, handbemalter, mit kleinen Organzablumen bestickter Cardigan waren die Bestandteile der Kombination des Modelles „Mademoiselle Cléophée de la Marguerite“. Kindliche Graffiti waren das Motiv der Handbemalung an einer rosa, langen Robe aus Seidenorganza mit dreiviertellangen Ärmeln beim Modelle „Mademoiselle Milla du Coloriage“. Als Motiv befanden sich beim Modelle „Mademoiselle Camille de la Gribouille“ kindliche Schmetterlinge an einer langen Robe aus Seidenorganza. Tintenflecke wie bei Schülern verschönerten beim Modelle „Mademoiselle Jade de la Métamorphose“ eine gelbe, lange Robe aus Seidenorganza mit dreiviertellangen Ärmeln. Ein Kindergarten mit Vögeln und Schmetterlingen diente beim Modelle „Mademoiselle Natsuki du Jardin en fête“ als Motiv eines Cardigans und einer Robe aus Seidenorganza. Beim Modelle „Mademoiselle Chloé de la Métaphore“ handelte es sich um ein Vogelporträt an einer langen Robe aus zweien Blättern Seidenorganza. Drei Blätter Seidenorganza waren hingegen beim Modelle „Mademoiselle Lou de l’Abstraction“ die Grundlage einer langen Robe, über welcher ein mit Royalorganzafedern gespickter Cardigan getragen wurde.

Zur Gruppe ohne Nonnenfalten zählte das Modell „Mademoiselle de La Pendule“, wo eine schwarze, große, schräg geschnittene Robe aus Jacquardgewebe samt offenem Stehkragen (col montant) und Strapsärmeln ein auf Uhrenkomponenten, „Zebulon“-Federn, Schraubenmuttern und gemologischen Maßen basierendes Oberteil hatte. Beim Modelle „Mademoiselle de la Chapelle“ tauchte das Schmiedeeisenmotiv wieder auf, und zwar als Stickerei aus schwarzem Chenille an einer handbemalten Robe aus sich überdeckendem Seidenorganza, die zusätzlich schwarze Kegel aus Seidenorganza als Rüschen schmückten. Eine lange, mit der Hand bemalte und befranste sowie mit hauseigenen Blumen bestückte Robe aus Seidenorganza hatte beim Modelle „Mademoiselle Éléonore du Bal des Fleurs“ ein drapiertes Oberteil. Ein Mosaik aus Lyoner Spitze veredelte beim Modelle „Mademoiselle de la Tourterelle“ eine weiße, handbemalte und mit Einlegewerke verzierte Robe. Die Sandaletten bei allen Modellen waren übrigens von der Marke „esprit 40“.

Die Düsseldorfer Modeschule „FASHION DESIGN INSTITUT“ stellte sich und ihre Absolventen am 5. Juli 2017 mit der Modenschau „F | W 2017 | 18 GRADUATE FASHION SHOW“ in der Kirche Oratoire du Louvre in Paris vor. Carina Miszczaks Kollektion „conte d’hiver“ beruhte auf Wintermärchen als Inspirationsquelle. Handgefertigte thermoplastische Materialien wie standen im Kontraste zu zart fallenden, dezent transparenten Stoffen; hier gerieten sozusagen Eisblumen in Wind und Nebel. Kaninchenfelle waren ein Sinnbild für Spuren im Schnee und Schneehauben auf Blumen. Die Schönheit der Natur im allgemeinen und des Waldes im besonderen war an Perlenstickereien zu erkennen. Dem entsprachen Weiß, Grau und helles Blau als Farbtöne. Eine abstrakte Verarbeitung der Stoffe und deren Verwendung in mehreren Lagen wie in der Belle Epoque sorgte für genug Harmonie. Eine Winterlandschaft war das Thema der Kollektion „FLEUR DE GIVRE“. Irina Oleksjuk verwandte feinen Tüll, Baumwolle, insbesondere gewachste Baumwollschnüre, und Polyester sowie Blau und Weiß als Farben. Helles Blau, Rosa, Grau und Silber waren die Töne in der Kollektion „FELIC’C“, während Kunstfell, Kunstleder, feiner und grober Tüll, Seide sowie Baumwolle die Materialien waren. Dazu ließ sich Marie-Claire Bitter von Depressionen leiten.

Für Claire Nungesser kam es darauf an, Erlebnisse und Eindrücke, die das Leben geprägt und verändert hatten, darzustellen. Ihre Kollektion „BURST“ in verschiedenen Grautönen beinhaltete Samt, Chiffon, Baumwolle, Fresko, Walkbouclé und Viskose sowie Stoffe der Marke „TYVEK®“. Auf Schurwolle, Baumwolle, Viskose, Hartplastik und Frischhaltefolie setzte Sina Dillenberger, deren Thema die Erderwärmung unter dem Motto „Arctic Helo“ war; dazu paßten helles Blau, Weiß und Silber. Faourouz Sadaoutchis Kollektion „GEN‑Y“ in Weiß drehte sich um die sogenannte Generation Y. Unter dem Motto „Aequalis“ befaßte sich Siska Kemmerich mit gesellchaftlichen Lebens- und Verhaltensregeln. Stahlblau, blasses Grün und Weiß waren die Töne für Baumwollköper, Jersey und Kunstvelours. Die Königin von Saba ließ Maria Paul nicht los. Vor allem cremeweiß und champagnergelb waren Chiffon, Satin und Twill in ihrer Kollektion „pureté“. Um weibliche Persönlichkeitsentfaltung und ‑entwicklung ging es bei Kristine Simins Kollektion „de Gouges“. Die Farbpalette für Chiffon, Schurwolle, Baumwolle, Jersey, Viskose und kaschierten Schaumstoff umfaßte sowohl Himmelblau, Lavendelblau und Rosa als Pastelltöne als auch Beige und Weiß. Unter dem Motto „BI:E“ setzte sich Eugenia Singer mit dem Kampfe zwischen der Außendarstellung und der wahren Innenwelt auseinander. Rot, grau oder weiß waren Schurwolle, Baumwolle und Viskose.

Der Minimalismus in der Architektur führte dazu, daß Tu Anh Nguyens Kollektion „bắt đầu“ gänzlich schwarz war. Reine Schurwolle, reine Baumwolle und Wollgemische sowie Samt, Jersey, Roßhaar, Polyester und Viskose kamen hier zusammen. Geometrischen Formen und eine Aushärtung der Stoffe unterstützten die Stoffstruktur. Jersey, Neopren, Kraftfahrzeuggurte und Bänder aus Fallschirmleine (Parachute Cord) zum einen sowie Schwarz, Grau und Weiß zum anderen waren die Zutaten für Laura Müllers postapokalyptische Kollektion „3.0“. Chiffon, Schurwolle, Jersey, Serge de Nîmes, Kunstleder und Netzstoffe waren Sandra Gutschmidts Motto „NOIR“ gemäß schwarz, um die Nacht in ihrer völligen Dunkelheit und mit ihren Geheimnissen wiederzugeben. Aus Schurwolle und Baumwolle waren Angelika Gerages blaue oder grüne Kleidungsstücke mit weißen Kontrasten und gold-gelben Details. Kultur, Stil und Eleganz innerhalb der Urbanität lagen ihrem Motto „URBAN I N I ATION“ zugrunde. Blau, rosa, schwarz oder weiß ging es nach der Devise „Artmind“ im Sinne der Pop-Art bei Seyma Darama zu. Camouflage als Trend griff Alina Hache unter dem Schlagworte „Colorbeat“ auf; Wolle und Tüll in Pastelltönen waren das Ergebnis. Unter dem selbsterklärlichen Motto „City Life“ beschränkte sich Ines Güntner auf Oxfordblau, Persischblau, natürliches Orange, Neonorange und helles Grau als Töne für Wolle, Serge de Nîmes, Leder, Bündchenware und Druckknöpfe.

Für Deirdre-Fay Kus stak in jedem Erwachsenen ein Kind. Unter dem Motto „Neverland“ fanden Baumwolle, Mohairwolle und Nylon, mit zusätzlicher Wildseide veredelt, als Gewebe oder Gestricke, die wiederum Borten schmückten, ebenso eine Verwendung wie Minzgrün, Rosa in Pastelltönung und Violett in Fliedertönung. Jennifer Ekaba widmete ihre Kollektion „ACTIVIST“ den Aktivistinnen im Namen der Hautfarbe und Schönheit, wofür sie Jerseytüll, Serge de Nîmes, Pythonleder, Kunstleder, Latex und Netzstoffe verwandte. Anne Lonnes’ Rezept mit dem Titel „Night Revellers“ zur Abbildung des städtischen Nachtlebens war einfach: Organza, Plüsch, Hitzefolien, Effektgarn, Rosa, Neongelb, Blau. Das Phänomen der Schizophrenie stand im Mittelpunkte der Kollektion „Shizophrenia“. Neben Schurwolle, Baumwolle, Nappaleder und Kabelbindern in Schwarz oder Weiß waren bei Ricarda Nienhaus silberne Synthetikfasern, rotes Fell und für besondere Effekte grünes Kunstfell zu finden; Nylonstrümpfe waren obendrein vorhanden. In Annika E. Geigers Kollektion „Le Papillon Nocturne“ spielten vom Lichte in der Nacht angezogene Insekten eine Rolle. Grundfarbe war Blau in verschiedenen Schattierungen, insbesondere Petrolblau; für Akzente sorgten Grün, Gelb, Blau und Gold. Seide, Tüll und geschmolzene PET-Flaschen waren die Grundlage für Glas- und Kunststoffperlen sowie Glas- und Kunststoffblumen als Applikationen. Andere Kollektionen hießen „Zodiac blaze“ bei Julia Peschen, „Defeat“ bei Sophie Schmadtke und „FUREDDO“ bei Anastasia Strugaleva.

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