Die Schönheit der Hochöfen
Zum Gedenken an Peter Lindbergh
Erklärung – der Photograph und Filmemacher Peter Brodbeck alias Peter Lindbergh (Bild: Christian F. Janssen)
Der erste Teil der Ausstellung hatte einen starken Bezug zu Berlin. Der zweite Teil beinhaltete zwei neue, zueinander in Beziehung gesetzte Serien unter den Titeln „On Street“ und „Looking At“; sie thematisierten, wie sehr es Peter Lindbergh verstand, jeden erdenklichen Ort zum Studio zu machen. Den dritten und letzten Teil bildeten die vom Ausstellungsmacher Prof. Klaus Honnef ausgewählten Photographien, wozu Ikonen gehörten, mit denen Peter Lindbergh bekannt geworden war. Beispielsweise war gleich auf mehreren Bildern je ein weibliches Modell in der zu präsentierenden Kleidung mitten unter übliche Fußgänger und Verkehrspolizisten gestellt, als ob es wie die anderen Personen auf den Bürgersteigen und Fahrbahnen ohne das Ziel der Produktpräsentation unterwegs wäre; das Fehlen von Blicken in die Kamera tat ein übriges, um den Photographen zum spontanen, fernab stehenden Beobachter einer scheinbar alltäglichen Begebenheit werden zu lassen. Auch wenn Peter Lindbergh seine Bilder detailliert inszenierte, erschienen sie oft als zufällige Schnappschüsse oder Reportageaufnahmen. In den Bildern wurden das Wesen und die Intimität der meist weiblichen Porträtierten wie die Schauspielerinnen Penélope Cruz, Milla Jovovich, Jeanne Moreau, Sharon Stone und Uma Thurman, die Sängerin Madonna, die Bühnentänzerin Polina Semionova sowie die Mannequins Nadja Auermann, Naomi Campbell, Linda Evangelista, Kate Moss und Tatjana Patitz sichtbar. Der mehrfach ausgezeichnete Peter Lindbergh – letzter Preis „Lead Award for Best Photography“ im Jahre 2010 – war fürwahr ein „visueller Geschichtenerzähler“.
Bei einer Presseführung machte Peter Lindbergh deutlich, er wehre sich nicht gegen die Bezeichnung „Modephotograph“. Obwohl dieses Etikett irgendwann an ihm haften geblieben sei, sehe er sich eher allgemein als Photograph. Zur digitalen Photographie sei er erst vor wenigen Jahren gekommen, wobei er die Farbphotographie schätzen gelernt habe. Die frühere Bevorzugung der Schwarz-Weiß-Photographie erklärte er aus der Frühzeit dieser Kunstform heraus sowie mit seiner Orientierung an der in Grautönen gehaltenen amerikanischen „Street“-Photographie. Nunmehr versehe er die digitalisierten Bilder in der Regel mit einer Körnung, um sie wie analog entstandene Bilder aussehen zu lassen. Allerdings halte er nichts von der in den Medien weitverbreiteten Maßnahme, alle Bilder rigoros zu retuschieren, weil auf vielen veröffentlichten Bildern die Struktur der menschlichen Haut nicht mehr sichtbar und demzufolge die Haut als solche nicht mehr erkennbar sei. Hierzu erzählte er von der Arbeit mit Jeanne Moreau, die trotz ihres Alters darauf bestanden habe, ihre Gesichtsfalten nicht zu entfernen; über den richtigen Umgang mit dem Altern habe sie ihm gesagt: „Wer sich selber nicht akzeptieren kann, hat nie gelebt.“
Zur Schönheit befragt, erzählte Peter Lindbergh von einer Fahrt durchs Ruhrgebiet. Ein Franzose und ein Amerikaner hätten hinten im Wagen gesessen, während er die Schönheit und Erhabenheit der Gegend, das heißt der Industriearchitektur, hervorgehoben habe. Seine Gäste hätten sich angesichts der stillgelegten Hochöfen nur erstaunt angeschaut. Nebenher betonte Peter Lindbergh die Verbundenheit unter anderem mit dem aus Oberhausen stammenden Regisseur Wim Wenders. Auf die Frage aus der Besucherrunde, wie er es geschafft habe, in der oberflächlichen und affektierten Modewelt so bodenständig zu bleiben, antwortete er: „Wir aus dem Ruhrgebiet sind nette Menschen.“ Da wollte die letzte Fragestellerin vor ihrer Frage noch etwas loswerden: „Ich komme wie Sie aus Duisburg-Rheinhausen.“ Zur abendlichen Vernissage erschienen einige der photographierten Personen wie die Modelle Nadja Auermann und Vera Gräfin von Lehndorff (Veruschka) sowie der von Peter Lindbergh geschätzte Wim Wenders. Bei den gezeigten Beispielen aus der Modephotographie durfte auch eine Modeschöpferin wie die Berlinerin Esther Perbandt nicht fehlen. Am 25. September 2010 trafen sich Peter Lindbergh und der Photograph Jim Rakete in den Ausstellungsräumen zur Veranstaltung „Lecture“. Ihr locker geführtes Gespräch gewährte Einblicke in Peter Lindberghs Arbeitsweise, Erfahrungen und Ansichten. Die Ausstellung war übrigens bis zum 9. Januar 2011 zu sehen.