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Bum bum

Die Mode und die Erzählung

Der Ernst der Lage – das Mannequin Giedrė Dukauskaitė vor der Modenschau „GIADA“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. Mai 2019
Märchen eignen sich immer als Inspirationsquelle. In der Vorstellung der Modeschöpferin Sara Cavazza Facchini durchschritt eine Schneekönigin, feminin und zart, doch stark und entschlossen, in fast mystischer Stille einen zauberhaften Wald, wo das Sonnenlicht auf Schnee traf, was reizvolle Refraktionen erzeugte. Diese Feenlandschaft war der Hintergrund der Prêt‑à‑porter-Kollektion der in Bussolengo nahe Verona beheimateten Marke „GENNY“ für den Herbst und Winter 2019/2020.

Der am 21. Februar 2019 im Palazzo Reale gezeigten Kollektion „WINTER WONDERLAND“ wohnte ein poetisch-romantischer Geist inne. Um der Kälte zu trotzen, waren die Materialien warm und ähnelten die Formen einem Kokon. Wickelmäntel, mit umhangartigen Details versehen, und Kleider in Midilänge bestanden aus einem weißen, leicht gepolsterten Stoffe mit matter Veredelung, welcher an die Reinheit gefrorener Flächen denken ließ. Weiche, doppelseitige Kaschmirwolle machte andere Wickelmäntel kuschelig. Schmelzendem Eise gleich drang die markentypische verführerische Weiblichkeit aus leichten und fließenden ausgestellten Kleidern mit besonders betonter Taille. Feine Stickerei aus Metallschlingen und „SWAROVSKI“-Kristalle zeugten von Raffinesse. Das Funkeln eines Sternenhimmels milderte die Strenge eines luxuriös mit Kristallen verzierten Smokings, welcher sich aus einer Capejacke und einer schmalen Hose zusammensetzte, um die Vertikalität der Silhouette zu unterstreichen. Als Hommage an die weibliche Sinnlichkeit gehörten zu einem anderen Smoking eine weite Hose aus Jacquardstoffe und eine Bustierweste samt komplizierter Hosenträgerkonstruktion aus Seidenduchesse. Bomberjacken aus Seidensamte in Maxilänge standen für zeitlose Schönheit. Die sportliche Silhouette der Röcke aus Fil-coupé-Stoffe ging auf schottische Kilts zurück. Der weiße Panther als treuer Begleiter der Schneekönigin tauchte als Stickereimotiv an übergroßen Mänteln, an Hosenanzügen und an Blusen in Maxilänge auf. Zur Abrundung gab Kidassiafell Mules aus Lackleder und Handtaschen eine weiche und warme Note, wohingegen sockenähnliche Lederstiefel dank „SWAROVSKI“-Kristallen funkelten.

Im Garten der Kirche Sankt Ambrosius präsentierte die Modeschöpferin Daniela Gregis aus Bergamo die Kollektion „andreateresa“, indem sie, im übertragenen Sinne, mit einer Geste der Hand eine sanfte Linie zog. Aufs neue hatten Verwandte, Freunde, Künstler und Schüler sowie fremde Kinder und Mütter durch Interaktion zu Daniela Gregis’ kreativer Arbeit aus Zeichnen, Schreiben und Kritzeln beigetragen. Jede Liebkosung „umhüllte ihr Herz mit großer Sorgfalt“. Etliche große Ideen standen in Wechselwirkung mit der Liebe zum Detail. Farblich herrschten Blau, Gelb und Fuchsienrot vor. Hinzugefügte Punkte sollten schützen und Freude bereiten. Die Kleider wirkten mal maskulin, mal feminin. Woll- und Seidengestricke kamen auch vor. Die handgeformten Armbänder basierten auf Ruhe und Aufmerksamkeit.

Bei der Kollektion der in Giano dell’Umbria beheimateten Marke „FABIANA FILIPPI“, die im eigenen Hause in Mailand vorgestellt wurde, drehte sich alles um fließende Silhouetten und dekonstruierte Eleganz. Irgendeine Metropole mit dem intermittierenden Leuchten von Ampeln über den in der Abenddämmerung schimmernden Asphalt der Alleen und Boulevards in den 1980er Jahren bildete das Szenarium zur Inspiration. Umhänge aus Makro-Bouclé, Mäntel aus Schurwolle mit Pelzeffekten, Wendejacken aus Lammfelle und sehr leichte Puffjacken in Thermosphärenart machten die Oberbekleidung aus. Weicher Platinlamé und dynamischer Fil-coupé-Stoff sowie eine Mischung aus Angora-, Kaschmir- und Mohairwolle waren die Zutaten für übergroße Pullover, die darunter tragbar waren. Kleider aus Tülle oder Cady hatten Seide in Sonnenstrahlfalten als Einsatz. Für Hosenanzüge aus Tweed oder seidigem Kord, für Jacken aus ätherischem Flanelle und für leuchtende, weich geformte Smokings stand die Herrenbekleidung Pate. An einem Anzuge wirkte glänzender Zitz wie Leder, was das Kleidungsstück zwischen Schwarz im Sinne der Hell-Dunkel-Malerei und futuristischem Neon sich bewegen ließ. Weitere Materialien waren schimmernder Devorésamt, Seidenorganza mit Pailletteneinsätzen und Chantilly-Spitze. Die Farbpalette umfaßte natürliche Töne wie Steingrau und Karamellbraun sowie elektrisierende Töne wie fluoreszierendes Gelb wie auch ruhige, zarte Töne wie Jadegrün, Elfenbeingelb und Schamesrot. Fuchsienrot, Amethystblau und reines Blau erschienen hingegen bei den Farbblöcken. Als Accessoire diente eine sehr weiche, wendbare Umhängetasche.

Im Nachtclub „VENUS“ war am 22. Februar 2019 die Kollektion der Mailänder Marke „DONDUP“ zu sehen. Allerdings war die Inaugenscheinnahme schwierig, denn entweder zappelten die Mannequins zwischen Gästen auf der Tanzfläche oder sie hockten gelangweilt zwischen Gästen an den Tischen. Das „Gesicht“ der Kollektion „BANG BANG“ war immerhin Elisa Sednaoui Dellal, Schauspielerin, Filmregisseurin und Mannequin italienisch-französisch-syrisch-ägyptischer Herkunft. Der Einfluß der 1920er Jahre, der exzentrischen und eleganten Ära mit kühner Musik und rauschenden Partys, auf die Modelle war dennoch unverkennbar; vor allem vom Romane „The Great Gatsby“ des amerikanischen Schriftstellers Francis Scott Key Fitzgerald aus dem Jahre 1925 kam die Inspiration. Die Kollektion beinhaltete Schlupfkleider aus bedruckter Seide in Maxilänge, Kleider mit roten Pailletten in Mikrolänge, Blazer und Blusen mit Lurex-Stickerei, Pailletten und Applikationen zu mystischen Tierkreis- und Kabbalathemen sowie übergroße Mäntel mit Hahnentrittmuster. Der klassische Smoking erschien daneben in einer Neuinterpretation als dreiteiliger Anzug aus Blazer, Hose und Mantel, und zwar mit einem Mix aus maßgeschneiderten Details und femininen Formen. Für einen Hauch Partyglamours schmückten Aufnäher und Stickerei die Serge de Nîmes als einen wegen seines kreativen Flairs und seiner Originalität für die Marke überaus wichtigen Stoff. Die vorrangigen Farben waren übrigens Schwarz, Weiß, Rot, Gold und Silber.

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