MODE UND KULTUR

Orion auf dem Meeresboden

Die Mode und der Fetisch

Hin und her – die Modenschau „ZUHAIR MURAD“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 6. Februar 2019
Die maritime Welt ist ein Faszinosum, so wenn bei grenzenlosem Horizonte die Wasseroberfläche unter dem Nachthimmel glitzert. Angesichts des Reichtumes der Ozeane tauchte des Beiruter Modeschöpfers Zuhair Murad kreativer Geist sozusagen tief bis zum Grunde ins Meer ein. Daraus ergab sich eine Wechselwirkung von Farbtönen, Texturen und Bewegungen, was als Couturekollektion für den Frühling und Sommer 2019 zur Präsentation im Hôtel Potocki in Paris am 23. Januar 2019 Gestalt annahm.

Unter dem Motto „AQUATIC SERENADE“ zeichnete sich jedes Kleidungsstück, architektonisch, aber fein, durch fließende, organische Eleganz aus. Rüschen aus Seidenchiffon oder Lurex, Ton in Tone leuchtend, verstärkten ein gagatschwarzes, halterloses Bustierkleid, als ob eine Welle den Körper umspült hätte. Ein durchbrochen gearbeitetes Kleid samt Capeärmeln und fließender Drapage erschien in tiefen Blautönen. An einem anderen Kleide zeichneten perlenbesetzte Armlöcher aus Seidentülle oder Seidengaze nahe am Körper die natürlichen Rillen von Muscheln nach. Mehrere Transparenzstufen an einem geschlitzten Rocke verwandelten die Haut in eine glasierte und zugleich durchsichtige, leuchtende Fläche. Perlmutt, sowohl in wörtlicher als auch in symbolischer Art und Weise scheinend, tauchte bei Perlen, Falten, Stickereien und strahlenden Nähten auf. In Harmonie mit der Umwelt sollte die Trägerin der Kleidungsstücke das eigene Leben unter Kontrolle haben sowie Charakterstärke, Instinkt und Grazie miteinander vereinen.

Zurück auf fünfundzwanzig Jahre des Bestehens ihres Couturehauses am Roten Platze in Moskau blickte die Modeschöpferin Yulia Yanina, die nunmehr achtzig Mitarbeiter, darunter acht Modeschöpfer, vierundzwanzig Sticker und dreiunddreißig Schneider, beschäftigte. Neben der retrospektiven Ausstellung vom 20. Januar 2019 bis zum 26. Januar 2019 im Russisch-orthodoxen geistlichen und kulturellen Zentrum in Paris zum Jubiläum zeigte Yulia Yanina am 23. Januar 2019 auf dem Laufstege im Hotel „WESTIN PARIS“ die aktuelle Kollektion. Das Hotel „InterContinental“ war noch einmal die Stätte einer Modenschau. Der französisch-vietnamesische Modeschöpfer Patrick Pham hatte eine Vorliebe für sportliche Couture („Sportswear Couture“) als Ausdruck einer frechen Moderne. Er verband asiatische Traditionen, Popkultur und Straßenstil zur Kollektion „number 8“, wo er mit etwas Humor Serge de Nîmes, Kalbsleder, paillettenbesetztes Lammleder mit Farben, graviertem Stoffdrucke in Anakondamusterung und handgemachte Paillettenstickerei mischte. Ein besonderer Fetisch waren die als Unikate personalisierten Schuhe. Zum Andenken erhielt am 22. Januar 2019 jeder Gast eine orange Schlagballkappe. Da sich Patrick Pham als Glücksbringer sah, paßte die Zahl „8“ als Symbol der Perfektion und des Glückes zur Kollektion.

Während Zuhair Murad die Tiefen der Ozeane ergründete, richtete der Beiruter Modeschöpfer Ziad Nakad am 23. Januar 2019 seinen Blick ins Weltall, wo er das Sternbild Orion fand. Orion, der riesige und starke Jäger der griechischen Mythologie, war von der eifersüchtigen und reumütigen Göttin Artemis unter die Sterne versetzt worden. Für Ziad Nakad war Orion ein kreativer Geist, der Mondstaub auf kahles Land streute und den Himmel mit funkelndem Flackern erfüllte. Unter dem Motto „ORION“ verwandelte Ziad Nakad einen Stern nach dem anderen in ein extravagantes Kleid, auf daß es mit schimmerndem Silber und Golde sternenlose Nächte aufhelle. Für die Kleider mit fließenden Silhouetten mischte er auch Himmelskörper als Motiv und sternförmige Muster. Die Stickerei beschränkte sich auf Steine, welche die Kleider wie ein Sternbild funkeln ließen. Royale Pracht prägte den „Vintage“‑Stil. Über Pastelltöne hinaus umfaßte die Farbpalette noch Champagnergelb und Schwarz. Die Kollektion war am 23. Januar 2019 in der Veranstaltungsstätte „PAVILLON CAMBON CAPUCINES“ zu sehen.

Unter dem Motto „Under the Shell“ wandte sich die Modeschöpferin Adeline Ziliox dem stolzen, aber zitternden Körper zu, denn der Körper, der nie log, war ein Schaufenster zur Seele. Die Kleidung auf dem Körper erzählte Geschichten aus dem Leben; sie tat Hoffnungen und Träume kund. Das Kleidungsstück war dann ein Panzer, welcher die Trägerin zur Kriegerin machte. Es ging um Frauen, die täglich für ihre Rechte, ihre Freiheit und ihr Leben kämpften. Solch kraftvolle Frauen glänzten dank ihrer Anmut, Zerbrechlichkeit und Weiblichkeit. Bei der Kollektion fielen abseits strukturierter, voluminöser Formen die übergroßen Schulterpartien auf; sie sahen aus, als ob sie die ganze Welt getragen hätten. Die Silhouette wirkte wie ein „leiser Schrei“. Demgegenüber betonte das Graphikdessin die Weiblichkeit. Bei der Stickerei, die aus dem eigenen Straßburger Atelier stammte, griff die Autodidaktin Adeline Ziliox bereits vorhandene gedruckte Motive auf. Neopren traf mal auf Chiffon, mal auf Seidensatin. Die gesamte Kollektion, die Adeline Ziliox in der Veranstaltungsstätte „LA MAISON DES CENTRALIENS“ vorstellte, – es war ihre zweite – war in Gänze in Frankreich hergestellt worden.

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