MODE UND KULTUR

Zirkus der Farben

Die Mode und der Zeitgeist

Raubkatze vorneweg – die Modenschau „ΛLEXANDREVAUTHIER“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. Februar 2019
„Der Zirkus ist gut für einen. Er ist, während man ihn betrachtet, das einzige Spektakel, welches die Qualität eines wahrhaft glücklichen Traumes vermittelt“, hatte der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway einst geäußert. Dies machte sich die Athener Modeschöpferin Celia Kritharioti zu eigen. Zur Präsentation der Couturekollektion für den Frühling und Sommer 2019 ließ sie in der Höheren Schule der Schönen Künste in Paris auch Artisten auftreten. Die Modenschau am 22. Januar 2019 wurde eine Parade von Weiblichkeit, Eleganz und Klasse.

Unter dem Motto „Cirque des couleurs“ strahlte die verspielte und farbenfrohe Kollektion magische Reize aus. Seidentüll, fluoreszierender Seidentaft, metallischer Seidenorganza und zarte Spitze waren die Stoffe „ätherischer Kreationen“, wobei Ketten, Kunstperlen und Edelsteine zur Ausschmückung von Abendroben und Überziehern dienten. Celia Kritharioti pflegte im Bereiche der Handstickerei das kreative Erbe ihres seit dem Jahre 1906 bestehenden Modehauses, so daß Stickerei an bodenlangen Roben und schimmernden Catsuits sowie an Miniröcken und Kleidern zu passenden bestickten Leggings zu finden war. Handgemachte Fransen gewährleisteten traumhafte Bewegungen. Straußenfedern in Pastelltönen schufen eine magische Illusion um die Modelle beziehungsweise Mannequins, die sich grazil an schmalen Seilen bewegten. Die Farbpalette – Feuerrot, Indischrot, Kleinkindrosa, Orange, Gelb, Türkisblau, Himmelblau und Petrolblau – sollte das Träumen beflügeln. Letztlich war der Zirkus für Celia Kritharioti eine Ausprägung des Eskapismus; man sollte es genießen.

Der Pariser Modeschöpfer Alexandre Vauthier fügte seiner Couturekollektion eine Brillenkollektion hinzu, wobei die Brillen aus der zweiten Zusammenarbeit mit Giampiero Tagliaferri, dem kreativen Leiter der im Jahre 1978 gegründeten und in Paris ansässigen Alain Mikli SA, hervorgingen. Idealbild bei den Entwürfen war die heftige Femme Fatale der 1980er Jahre gewesen. Das futuristische Modell „Ansolet“ war eine Brille, die kühnes Acetat mit einer kleineren Linse vereinte, während dick konturierte Bügel Schutz gewährten. Das avantgardistische Modell „Josseline“ war eine moderne Sonnenbrille mit starken Winkeln und geometrischen Linien, wobei deren „Retro“-Aussehen eine asymmetrische Fassung aus den frühen 1980er Jahren zugrunde lag. Das Modell „Ketti“, eine Weiterentwicklung des herausragenden Edwidge-Stiles der letzten Saison, war eine Brille mit randlosem Kombinationsdessin bei äußerst flacher Linse. „SWAROVSKI“-Kristalle zierten die Gestelle, die es nicht nur in den bekannten Farben der Brillenmarke, nämlich Schwarz, Weiß, Rouge und Havannabraun, sondern auch in neutralen Pastelltönen gab; obendrein, und zwar eigens als Folge der Zusammenarbeit, erschien Marmoracetat blau. Im Grand Palais stolzierten die Mannequins mit den auffälligen Brillen, die beim Dessin mit den Couturestücken harmonierten, über den Laufsteg. Als Muse für die zwei kreativen Köpfe und auch als Kampagnengesicht trat übrigens das amerikanische Mannequin Christy Turlington, eine Verkörperung des Glamours mit einer Balance zwischen Raffinesse und Verspieltheit, die Nachfolge des britischen Mannequins Kate Moss an.

Couture in einer Sonderkollektion zeigten die Mailänder Modeschöpferinnen Luisa Beccaria und Lucilla Bonaccorsi im Hotel „Ritz PARIS“. Sie stellten sich eine raffinierte und elegante Frau in einer von Bougainvilleablumen umgebenen Laube an einem beim sommerlichen Sonnenuntergange glitzernden Meere vor; ein Zustand vielschichtiger Finsternis stand bevor. Höhepunkt der Kollektion „Eclectic Eclipse“ war ein einschultriges Kleid mit weitem Kaskadenknoten in tausend Aquarelltönen. Die Silhouette aller Kleider war schwerelos. Texturen, Muster und Formen waren bereit fürs taktile Erleben. Tüll mit abstrakt-floraler Stickerei führte zu wertvoller Spitze. Gewobener Organdy sah zart aus. Weitere Materialien waren bedruckte Seidengaze, Stoff in Fil‑coupé‑Art, Brokat und metallähnlicher Lurex. Die Farbtöne wie Lavendelblau, Kohleblau, Rosenrot und Karmesinrot deuteten auf eine verträumte Natur hin.

Das Hotel „InterContinental“ war weiterhin eine Stätte von Modenschauen. In der zwischen Couture und Prêt‑à‑porter-Bekleidung angesiedelten Kollektion der Modeschöpferin Ekaterina Kulishova alias Kate Kulishova aus der Ukraine, die im Jahre 2016 die Marke „KATRINE K.“ in Monaco geschaffen hatte in der Überzeugung, daß Damenbekleidung ein tragbares Kulturgut sei, drehte sich nach der Devise „HEIRLOOM RENAISSANCE“ alles um die Nachfolge, genau gesagt die Weitergabe von Weisheit, Anmut, Stolz und Werten, bei einer Mutter-Tochter-Bindung. Es ging um Mode, die allgemeiner Vergänglichkeit entgegen keiner Alterung unterlag, auf daß sie jederzeit dem Zeitgeiste entspreche. Vom Klassizismus und von der Romantik über die Belle Époque bis zur Moderne der 1970er und 1980er Jahre reichten die Anregungen zur Kollektion, die in Bewunderung der Schönheit eine Blüte der weiblichen Kraft darstellte. Das Nebeneinander von Weiblichkeit und Kraft, was zu einer Synergie von Zärtlichkeit und Stärke führte, trat am Gegensatze zwischen Symmetrie und Asymmetrie sowie am Unterschiede zwischen der Steifheit der Korsetts und der Fließfähigkeit von Falten, Lederfransen und mit Kunstperlen besetzten Fransen zutage. Die Silhouetten pendelten zwischen jugendlichem Maximalismus und elitärer Eleganz; eine akribische Drapage tat ihr übriges. Kleider samt Keulenärmeln trafen auf aufwendig bestickte Unterwäschestücke.

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