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Bühnentanz in Berlin – erster Teil

Die Jahre 2009 und 2010 in der Retrospektive

Orientalisch – die Ballettaufführung „DIE BAJADERE“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 1. Juli 2018
Am 10. April 2010 öffneten sich nach der vorjährigen Premiere erneut in Berlin die Bretter, die bekanntermaßen die Welt bedeuten, einem breiten Publikum. Unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit organisierte die Kulturprojekte Berlin GmbH die Veranstaltung „2. LANGE NACHT DER OPERN UND THEATER“, an der sich achtundsechzig Berliner Spielstätten – dreiundzwanzig davon erstmalig – beteiligten.

Zwischen 19.00 Uhr und 1.00 Uhr boten die Spielstätten dem interessierten Publikum in der Regel stündlich eine rund halbstündige Kostprobe ihres Kulturschaffens an. Um es dem Publikum zu erleichtern, sich einen Überblick über die vielen Facetten der Berliner Theaterszene zu verschaffen, verband ein über Berlin gespanntes Netz besonders eingerichteter Omnibuslinien die meisten Spielstätten miteinander. Das Staatsballett Berlin ging diesmal dezentral vor und präsentierte sich an mehreren Orten, um noch mehr Interessierten einen Einblick in die Arbeit der Compagnie in Gestalt von „Lecture Demonstrations“ zu ermöglichen. Die Spielstätte für das junge Theater „THEATER AN DER PARKAUE“ war für die Ballettinszenierung „Schneewittchen“ reserviert, wofür der für seine extravaganten Kreationen berühmte Pariser Modeschöpfer Jean-Paul Gaultier die Kostüme entworfen hatte. Auf die Bühne des Hauses „THEATER AM KURFÜRSTENDAMM“ strahlte schon die für den 24. April 2010 in der Staatsoper Unter den Linden angesetzte Uraufführung des Ballettes „Symphony of Sorrowful Songs“ aus; es handelt sich um ein Auftragswerk, das der slowenische Theaterregisseur Tomaz Pandur inszeniert.

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da
Die Komische Oper Berlin war in der Hand junger Choreographen des Staatsballettes Berlin, die sich mit ihrer gemeinsamen Arbeit „Shut up and dance! Reloaded“ vorstellten. Den Schlußpunkt bildete das Konzerthaus Berlin, wo der Intendant und Erste Solotänzer Vladimir Malakhov in die tänzerischen Vorbereitungen zur aktuellen Inszenierung des Ballettes „La Péri“ einführte und nebenbei das Publikum „enttäuschen“ mußte, indem er erklärte, es gebe infolge der regen Nachfrage für die restlichen Aufführungstermine keine Karten mehr. Die Staatsoper Unter den Linden nutzte die Gelegenheit, auch ihre für die Phase der Gebäudesanierung vorgesehene Ersatzspielstätte „SCHILLER THEATER“ vorzustellen, wo unter anderem der neue Intendant Jürgen Flimm in einer Diskussion mit Sängern und Orchestermusikern sowie die junge Sopranistin Anna Prohaska mit Liedern des englischen Barockkomponisten Henry Purcell zu hören waren, während das Stammhaus einen Umbau auf offener Bühne erlebte. Wegen ihrer „musikalisch und intellektuell gleichermaßen herausragenden Interpretationen“ wird Anna Prohaska übrigens im Mai 2010 mit der renommierten Auszeichnung „Schneider-Schott-Musikpreis“ bedacht werden.

Vor dem Revuetheater „FRIEDRICHSTADT PALAST“ mit der größten Theaterbühne der Welt bildete sich die wohl längste Warteschlange der Veranstaltung; drinnen ließ sich das Publikum von den Gesangs-, Tanz- und akrobatischen Einlagen des Stückes „Qi“ bezaubern. Mit einer Party nach Mitternacht im Theater „VOLKSBÜHNE“ klang die Veranstaltung aus. In organisatorischer Hinsicht erwies es sich manchmal als unpraktisch, den Journalisten und Pressephotographen nur eine „Ehrenkarte“ und keinen leicht erkennbaren Akkreditierungsausweis ausgehändigt zu haben, denn nahezu minütlich sprachen etliche Mitarbeiter des Konzerthauses Berlin nacheinander an, Bildaufnahmen im Gebäude seien nicht gestattet, woraufhin man mehr damit beschäftigt war, sich gebetsmühlenhaft zu rechtfertigen, als der eigentlichen Arbeit nachzugehen.

Ohne Prävention geht es nicht
Das Exzellenzprojekt „preVance“ (Prävention und Tanz) unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit stand im Zentrum der Veranstaltungsreihe „3. International Dance Summit Berlin 2010“ vom 8. Mai 2010 bis zum 16. Mai 2010. Den Auftakt bildete die Veranstaltung „Ballett-Gala gegen HIV/Aids“ in Verbindung mit der Aktion „VERGESSEN IST ANSTECKEND“ in der Staatsoper Unter den Linden. In den Ausschnitten aus diversen Inszenierungen des Staatsballettes Berlin tanzten unter anderem der Intendant und Erste Solotänzer Vladimir Malakhov sowie die Ersten Solotänzerinnen Beatrice Knop, Shoko Nakamura, Nadja Saidakova, Iana Salenko und Polina Semionova. Danach bestand auf der Party die Gelegenheit, mit Ensemblemitgliedern ins Gespräch zu kommen. An den Werktagen gewährte die Ballettcompagnie den Besuchern einen Einblick in ihre Trainingsabläufe und ließ sie mit „Lecture Demonstrations“ an den Früchten ihrer Arbeit teilhaben. Daneben ging es bei Vorträgen und Podiumsdiskussionen zum Thema „Tanz und Sportmedizin“ vornehmlich um die Frage, ob klassische Bühnentänzer den Hochleistungssportlern gleichzustellen seien. So forderte die Stellvertretende Intendantin Dr. Christiane Theobald angesichts des Leistungsprofiles eine bessere medizinische Versorgung der Tänzer.
Neuer Gipfel des künstlerischen Bühnentanzes
Beispielsweise sei es nach Unfällen deren körperlicher Verfassung und Leistungsniveau abträglich, keine zeitnahe, auf die konkreten beruflichen Anforderungen abgestimmte Versorgung zu erhalten; ferner seien zuwenig Ärzte mit den Verletzungsspezifika bei Tänzern vertraut. Um so wichtiger sei die Verhütung von Unfällen durch eine geeignete Prävention. Es war indes klar, wie schwierig eine Umsetzung sein wird, da die Problematik hierzulande lediglich rund 1.600 Berufstänzer, mithin eine vergleichsweise kleine Interessengruppe, betraf. Insofern kam das Exzellenzprojekt dem berechtigten Anliegen sehr entgegen. Die Veranstaltungsreihe endete mit der Uraufführung des Ballettes „FLATLAND“, womit die niederländische Compagnie „DANSGROEP AMSTERDAM“ erstmals in Berlin auftrat. Mit seiner Choreographie brachte Itzik Galili, den die Werke des Malers Piet Mondrian und die Novelle „Flatland: A Romance of Many Dimensions“ des Schriftstellers Edwin A. Abbott inspiriert hatten, modernen Tanz auf die Bühne der Deutschen Oper Berlin.
Schöne Körper – wohlgestaltete Kleider
In der Theaterlandschaft zeichnete sich eine Entwicklung ab, wonach der künstlerische Austausch zwischen der Modebranche und dem Theaterwesen stärker wurde. Immer mehr Modeschöpfer entdeckten mit der Kostümbildnerei die Bühnen als Spielplatz zum kreativen Austoben. Nachdem unlängst Jean-Paul Gaultier für die Ballettaufführung „SCHNEEWITTCHEN“ des Staatsballettes Berlin und Christian Lacroix für die Opernaufführung „agrippina“ der Staatsoper Unter den Linden in Berlin Kostüme entworfen hatten, kreierte der Berliner Modeschöpfer Michael Michalsky insgesamt fünfhundert Kostüme für die Inszenierung der Revue „Yma ZU SCHÖN, UM WAHR ZU SEIN“, die am 2. September 2010 mit ihrer Uraufführung im Berliner Theater „FRIEDRICHSTADTPALAST“ das Licht der Welt erblickte. Darin ging es um eine Reise durch das „schöne, freie und ungewöhnliche Leben“ der fiktiven Protagonistin Yma, die der Musicaldarsteller Andreas Renee Swoboda mit der von ihm beherrschten Sopranlage stimmgewaltig verkörperte. Mit seinem androgynen Aussehen harmonierten die Kleider, die ihn als Mann in einer Frauenrolle zu einer verführerischen „Queen“ werden ließen.

Darüber hinaus war beispielsweise für die zweiunddreißig Tänzerinnen des Girltanzes jedes Kostüm per Hand mit mehr als zweihundert Glitzersteinen bestickt worden. Die „Girls“ zeigten sich nun auch dank der Strapse oder hohen geschnürten Stiefel aufreizend und provokant. Die Epauletten und Matrosenmützen als Uniformteile verliehen ihnen zusätzlich Dominanz und betonten ferner die Einheit der tanzenden Truppe. Hier kämpfte die starke Frau. Wer da nicht hinschaute, strafte sich bloß selbst. Nebenher hatten die Tänzer beiderlei Geschlechtes ein langes Artistiktraining zu absolvieren, um erstmalig Tuch- und Ringartistik in der Höhe darbieten zu können. Insgesamt rückte das 60köpfige Ballettensemble weiter in den Vordergrund und erlangte so noch mehr Aufmerksamkeit. Das Ergebnis brachte der Librettist Roland Welke auf den Punkt: „Der tanzende Körper als Schönheit in Reinkultur.“ Daneben zeigten besondere Artisten auf einem Trampolin zu harten Klängen aus Riesenlautsprechern ihre Sprungkünste - stetig auf und ab wie in Ymas Leben. Hinter der Choreographie stand eine ganze Mannschaft: Anastasia Chaykovskaya, Sean Cheesman, Maik Damboldt, Alexandra Georgieva, Craig Revel Horwood, Tatjana Ostroverkh, Ronald Savkovic und Aliaksei Uvarov.

Modeschöpfer zieht es zusehends auf die Theaterbühnen
Der Intendant Dr. Berndt Schmidt erläuterte dem Publikum, man sei mit den hiesigen Inszenierungen innovativer als vergleichbare Spielstätten in Paris und könne angesichts der hundert Mitwirkenden auf der Bühne mit Schauen in Las Vegas mithalten. Übrigens ließ sich Ymas Lebensgeschichte - die immerwährende Suche nach der wahren Liebe - an den einzelnen Liedern aus der Rock-, Pop- und Schlagermusik wie „Get The Party Started“, „Männer“ und „Marleen“ ablesen. Das Lied „Sexmachine“ trieb die männlichen Tänzer dazu, sich wie ehedem Michael Jackson ordentlich in den Schritt zu greifen. Für Yma war das Lied „Lady Marmelade“ mit der Textzeile „Voulez-vous coucher avec moi?“ prägend. Als Yma einmal lasziv neben ihren Liebhabern auf einem riesigen roten Sofa lag, bekannte sie ihr Lebensmotto: „Die Zigarette danach ist auch immer die Zigarette davor.“ Auf die Frage, was sie eigentlich sei, sagte Yma zu guter Letzt ins Publikum: „Ich bin prosexuell. Ich probiere alles aus.“

Für Liebhaber prächtiger Kostüme und Trachten gab es in Berlin einen weiteren Leckerbissen. Im Rahmen der Veranstaltung „27. Lange Nacht der Museen“ wurden am 28. August 2010 auf der Modenschau „Soirée für Luise“ in der Großen Orangerie des Schlosses Charlottenburg Kleider und Anzüge aus der Zeit der preußischen Königinnen Elisabeth Christine und Luise – also aus dem Rokoko und dem Empire – nicht nur vorgeführt, sondern auch im Detail erklärt. Das waren noch Zeiten gewesen, als Kniehosen und Seidenstrümpfe den vornehmen Herrn, sogar Revolutionäre wie Georges Danton und Maximilien de Robespierre inbegriffen, ausgemacht hatten! Anmerkungen zu den für das letzte Stadium der aristokratischen Tracht typischen Perücken beziehungsweise Frisuren durften dabei nicht fehlen. Zusätzlich erlebten die Besucher, die teilweise vor der Modenschau ein Mahl aus der „Hofküche“ genossen hatten, wie sich die Kleidung in die Etikette einfügte und bei Tänzen wirkte. Wem dies noch nicht reichte, durfte sich auf weitere „Zeitreisen durch die Mode“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Berliner Residenz Konzerte“ vom 24. November 2010 bis zum 27. November 2010 freuen.

Tanz auf der Baustelle
Da das Gebäude der Staatsoper Unter den Linden, die traditionelle Stätte für die Eröffnung der Spielzeit des Staatsballettes Berlin, seit kurzem saniert wurde, fanden sich die Freunde des Bühnentanzes nunmehr in der Deutschen Oper Berlin ein. Doch auch dort blieben sie von einschränkenden Baumaßnahmen, und zwar im Foyer, nicht verschont. Das verwöhnte Berliner Publikum erlebte eine Ballettaufführung der besonderen Art, denn die Veranstaltung „Ballett-Gala zur Spielzeiteröffnung“ wartete mit weiteren Überraschungen auf. Die Baumaßnahmen waren nicht das einzige Problem, mit dem sich das Staatsballett Berlin am 28. September 2010 auseinanderzusetzen hatte. Nachdem Mitglieder des Orchesters der Deutschen Oper Berlin Flugblätter an eintreffende Gäste verteilt hatten, war für den weiteren Verlauf nichts Gutes zu erahnen. In der Tat traten der Intendant des Staatsballettes Berlin Vladimir Malakhov und der Geschäftsführende Direktor Georg Vierthaler vor das Publikum und verkündeten einen Warnstreik des Orchesters, das bei den aktuellen Tarifverhandlungen der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) eine höhere Vergütung durchsetzen wolle. Immerhin konnte das Publikum insoweit vertröstet werden, als das Orchester seine Arbeit nicht ganz einstellen wollte, sondern es sich lediglich eine Verzögerung um eine halbe Stunde ergeben sollte.

Die Zeit nutzte Dr. Christiane Theobald, Stellvertretende Intendantin und Sprecherin der Bundesdeutschen Ballett- und Theaterdirektorenkonferenz, um Georg Vierthaler einen symbolischen Scheck über den Betrag von 9.000,00 EUR zu überreichen. Da ein Teil der Eintrittsgelder diesmal der Dell'Era-Gedächtnis-Stiftung zugute kommen sollte – Antonietta Dell’Era war in den Jahren von 1879 bis 1909 als Königliche Hoftänzerin an der Königlichen Oper in Berlin engagiert gewesen und hatte vor ihrem Tode im Jahre 1945 verfügt, ihre Hinterlassenschaft solle dazu dienen, „erkrankten oder arbeitsunfähig gewordenen, bedürftigen Tanzkünstlerinnen der Berliner Staatstheater … oder deren Familie eine Beihilfe zur Ausbildung, zur Erholung oder in Krankheitsfällen zu gewähren“ –, war der besagte Betrag für eine Zustiftung zugunsten der männlichen Tänzer gedacht. Zur Überbrückung der Streikphase wurden für die Gäste auf Kosten eines Sponsors Sektflaschen en masse geöffnet. Noch bevor das Orchester endlich zu musizieren begann, wurde die Streikmaßnahme seitens des Publikums mit kräftigen Buhrufen bedacht. Dies erklärte ein einheimischer Gast einem offensichtlich auswärtigen Besucher: „Das ist das Berliner Publikum. So sind halt die Berliner.“ Allerdings fanden sich im Publikum auch Sympathisanten, welche die Streikaktion mit Bravorufen unterstützten.

Ruhe kehrte erst ein, als sich die Tänzer auf der Bühne für den Walzer des zweiten Aktes des Ballettes „Cinderella“ des Komponisten Serge Prokofieff, und zwar in der Choreographie Vladimir Malakhovs, in Bewegung setzten. Danach erlebte das Stück „SHOWTIME“, das Eric Gauthier choreographiert hatte, seine Uraufführung. Die Solotänzerin Elisa Carrillo Cabrera und der Erste Solotänzer Mikhail Kaniskin tanzten ein leidenschaftliches Duett zur Musik „Sempe: Ich mag keine Klassik, aber das gefällt mir!“. Bei Georges Bizets Melodien flammte der amour fou zwischen Carmen und Don José wieder auf. Zur Ermunterung der Liebenden, ihr Bestes zu geben, ertönte eine wie Vladimir Malakhov klingende Stimme: „Dancers, it’s showtime!“ Daneben konnte sich das Publikum an mehreren Berliner Erstaufführungen erfreuen. Als „TANZ DER FRESKEN“ tanzten die Solotänzerin Sebnem Gülseker, die Demisolotänzerinnen Sarah Mestrovic und Krasina Pavlova sowie die Gruppentänzerin Anastasia Kurkova den Pas de quatre des Ballettes „Das buckelige Pferdchen“, das Cesare Pugni komponiert hatte. Zudem tanzten die Erste Solotänzerin Iana Salenko sowie die Solotänzer Rainer Krenstetter und Dinu Tamazlacaru den Pas de trois des Ballettes „Die Puppenfee“ des Komponisten Riccardo Drigo. Außerdem zeigten die Erste Solotänzerin Beatrice Knop und der Erste Solotänzer Wieslaw Dudek nach Renato Zanellas Choreographie des Ballettes „Alles Walzer“, wie sich ein emotionales Duett von der Wiener Walzerseligkeit abheben kann. Obendrein verkörperte der Erste Solotänzer Vladimir Malakhov einfühlsam und grazil den sterbenden Schwan zur gleichnamigen Musik des Komponisten Camille Saint-Saëns.

Staatsballett Berlin eröffnet neue Spielzeit
Zu sehen waren noch die Erste Solotänzerin Nadja Saidakova als Brünhilde und der Solotänzer Michael Banzhaf als Siegfried, die ein Duett des Ballettes „RING UM DEN RING“ in der Choreographie Maurice Béjarts, und zwar zur Musik aus Richard Wagners Oper „Siegfried“, tanzten. Mit dem Grand Pas de deux des Ballettes „Le Corsaire“ in der Choreographie Marius Petipas endete der erste Teil der Veranstaltung; die Erste Solotänzerin Polina Semionova und ihr Bruder, der Erste Solotänzer Dmitry Semionov, ergänzten sich kongenial. Den zweiten Teil der Veranstaltung nahm Max Bruchs Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 G‑Dur op. 26 ein. Als Solisten bei Clark Tippets Choreographie taten sich vier Paare hervor: die Solotänzerin Elena Pris und der Solotänzer Leonard Jakovina, die Solotänzerin Corinne Verdeil und der Solotänzer Ibrahim Önal, Polina Semionova und Wieslaw Dudek sowie die Demisolotänzerin Stephanie Greenwald und der Solotänzer Marian Walter. Das musikalische Spiel des Violinisten Tomasz Tomaszewski gefiel nicht allen, denn ein Besucher raunte: „Was hat der sich denn da zusammen gefiedelt?“ Die nächste Premiere stand übrigens für den 10. November 2010 an; dann war in der Deutschen Oper Berlin eine Aufführung des Ballettes „MALAKHOV & FRIENDS“ zu sehen.

Für eingefleischte Ballettfreunde hatte die Saison freilich schon am 15. September 2010 begonnen, als im Berliner Hotel „RITZ-CARLTON“ ein biographisches Buch über Polina Semionova vorgestellt worden war. Der Regisseur und Schauspieler Gerhard Haase-Hindenberg hatte das ursprüngliche Zuhause sowie die Ausbildungs- und Wirkungsstätten der inzwischen weltberühmten, aber dennoch natürlich gebliebenen Tänzerin aufgesucht, um den erstaunlichen Werdegang des in ihren Bruder – Dmitry Semionov war ebenfalls Tänzer – vernarrten Mädchens vom Rande Moskaus binnen weniger Jahre auf die angesehensten Bühnen der Welt nachzuvollziehen. Das entscheidendste Ereignis in ihrem Leben war wohl der Tag gewesen, als im Jahre 2002 die damals Siebzehnjährige von Vladmir Malakhov in der Akademie des Moskauer Bolschoi-Theaters entdeckt und sogleich als Erste Solotänzerin nach Berlin engagiert worden war. Insofern hatte ihre Großmutter (Babuschka) recht behalten: „Du wirst einmal eine große Ballerina sein! Ich weiß es!“ Auf die Frage, ob man Polina Semionova fortan wieder öfter in Berlin werde tanzen sehen können, antwortete sie: „Ich hoffe.“ Das informative und zugleich kurzweilig geschriebene, in der EGMONT Verlagsgesellschaften mbH erschienene Buch für den Kaufpreis von 16,95 EUR hieß: „POLINA AUS DER MOSKAUER VORSTADT AUF DIE GROSSEN BÜHNEN DER WELT“.

Ein Fest für die Sinne
Der Intendant des Staatsballettes Berlin Vladimir Malakhov verfügte über gute Kontakte. Dies bescherte der Berliner Ballettszene ein Veranstaltungskonzept, wonach eine aus vielen unterschiedlichen Teilen bestehende Ballettaufführung von Mitgliedern des eigenen Ensembles und einer internationalen tänzerischen Elite bestritten wird. So lag es nicht fern, dieser Aufführungsidee seinen Namen zu geben: „MALAKHOV & FRIENDS“. Am 10. November 2010 ging das Konzept mit einer Premierenaufführung in der Deutschen Oper Berlin ins mittlerweile vierte Jahr, und zwar mit fünfzehn verschiedenen Choreographien. Vladimir Malakhov hatte sich für den Pas de deux des ersten Aktes des Ballettes „Manon“ zur Musik Jules Massenets als Tanzpartnerin den zum American Ballet Theatre gehörenden „Principal Dancer“ Julie Kent ausgesucht. Sie erschien nochmals zusammen mit dem Ersten Solotänzer Wieslaw Dudek aus Berlin für das Duett des Stückes „MOZART-KLAVIERKONZERT“, das Uwe Scholz choreographiert hatte. Mit der Ersten Solotänzerin Natalia Ledovskaya und dem Solotänzer Semen Chudin zeigten erstmals Tänzer des hierzulande kaum bekannten Stanislawski-und-Nemirowitsch-Dantschenko-Theaters Moskau in Berlin Präsenz. Sie tanzten als Berliner Erstaufführung das Duett des Stückes „BALL DER GEISTER“ in der Choreographie Dimitri Brianzevs. Das Duett „Adagio“ des Stückes „ABENDLICHE TÄNZE“ in der Choreographie Tom Schillings brachte ihnen einen weiteren brillanten Auftritt.

Das Tokyo Ballet hatte die Ersten Solotänzer Mizuka Ueno und Naoki Takagishi – er war zugleich dessen Stellvertretender künstlerischer Leiter – entsandt, die zum einen den Pas de deux des zweiten Aktes des von Serge Prokofieff komponierten Ballettes „Cinderella“ tanzten; zum anderen sah sie beide als verspieltes Paar, und zwar ihn zunächst als Clown, des Stückes „DICHTERLIEBE – AMOR DI POETA“ in der Choreographie Maurice Béjarts. Für den Pas de deux „Satanella“ des von Cesare Pugni stammenden Ballettes „Carnival in Venice“ bekam der Berliner Solotänzer Dinu Tamazlacaru Yevgenia Obraztsova, die preisgekrönte Erste Solotänzerin des Ballettes des Mariinsky-Theaters Sankt Petersburg, als Partnerin. Die Gasttänzer bestachen durch die exzellente Beherrschung ihrer klassischen Skulpturen gleichen Körper; die Perfektion und Synchronität der Bewegungen in Harmonie zur Musik tat ein Übriges für den optischen Genuß.

Staatsballett Berlin tanzt mit internationalen Gästen
Die Leistungen der Tänzer des Staatsballettes Berlin standen hinter denjenigen ihrer Gäste nicht zurück. Beispielsweise zeigte die Erste Solotänzerin Polina Semionova ihre ganze Grazie in der Berliner Erstaufführung des Solostückes „Alles Walzer“, das ein Teil des Stückes „STRAUSS INCONTRA VERDI“ ist. Für die Solotänzerin Sebnem Gülseker und den Solotänzer Ibrahim Önal hatte Vladimir Malakhov eigens das Duett „SPIRIT“ choreographiert, das nun seine Uraufführung erlebte. Zwei Teile dieser Veranstaltung entstammten übrigens der Galaveranstaltung am 28. September 2010: das Duett mit der Solotänzerin Elisa Carrillo Cabrera und dem Ersten Solotänzer Mikhail Kaniskin wie auch Vladimir Malakhov als sterbender Schwan, was deswegen nicht weniger sehenswert war. Alles in allem war der Abend ein Fest für die Sinne, was das Publikum nach dem Finale, das alle Tänzer auf der Bühne vereinte, mit stehenden Ovationen goutierte. Weitere Aufführungen waren für den 12. November 2010, 13. November 2010, 14. November 2010 und 18. November 2010 sowie 8. Februar 2011, 10. Februar 2011 und 11. Februar 2011 angesetzt.

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