▌EN

Capucine und Altea di Vallenberg

Modische Diabolik oder diabolische Mode

Hände hoch! – das Mannequin Laura Marie Johnsen vor der Modenschau „Les Copains“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 7. Mai 2018
Wenn man weiß, woher man kommt, weiß man auch, wohin man gehen soll, denn Vergangenheit und Zukunft stehen in Beziehung zueinander. Dies galt ebenso für die Marke „Les Copains“. Über deren Zukunft dachten Stefania Bandiera, die Modeschöpferin, und Alessandro Mariani, der Geschäftsführer des Modehauses in Bologna, nach, während sie sich mit dem historischen Erbe befaßten. Endlich schlugen sie einen neuen Kurs ein, indem sie auf der Grundlage der Werte und des Stiles des Modehauses das Erbe einer zeitgenössischen Atmosphäre zuführten. Stefania Bandiera brachte es auf den Punkt: „Unsere Vergangenheit ist unser unverwechselbarer Wert auf der internationalen Bühne“.

Die Prêt‑à‑porter-Kollektion für den Herbst und Winter 2018/2019 beruhte auf einer Neuinterpretation ikonischer Kleidungsstücke aus einer modernen Perspektive. Ein solches Kleidungsstück war das „Flag Jacket“, ein historisches Emblem aus den frühen 1960er Jahren, das dadurch Geschichte gemacht hatte, daß es zum Erfolge des Modehauses beigetragen hatte und rasch zum sofort erkennbaren Symbole geworden war. Diese Jacke kehrte in einer kultigen einreihigen Strickversion nunmehr auf den Laufsteg zurück. Daneben erhielt eine kurz geschnittene Weste aus den 1960er Jahren luxuriöse Verzierungen. Die am 22. Februar 2018 im Spazio Cavallerizze des Nationalmuseums der Wissenschaft und Technologie Leonardo da Vinci in Mailand präsentierte Kollektion lebte von der Wiederentdeckung der französischen Schauspielerin Germaine Hélène Irène Lefebvre alias Capucine, die als Ikone der 1960er Jahre eine komplizierte Frau mit beunruhigendem Charme verkörpert hatte; sie war im Jahre 1964 die Inspiration zu Altea di Vallenberg, einer imaginären Figur als elegantem Charakter in der zweiundzwanzigsten Episode „Die große Erpressung“ der italienischen „DIABOLIK“-Comicserie der Schriftstellerinnen Angela Giussani und Luciana Giussani sowie des Zeichners Enzo Facciolo gewesen. Doch dort hörte Stefania Bandieras Vorstellungskraft nicht auf. Moderne, kühne und rätselhafte Frauen mit einzigartigem Gesichte und zeitloser Schönheit waren Persönlichkeiten, die in gefährlichen Metropolen, in weltberühmten Berghütten oder in prunkvollen Salons lebten. Die Kollektion beinhaltete Strickkleider, lange Bleistiftröcke, fließende Hosen, lange Cardigans und kleine, gerippte Pullover. Die Verzierungen spiegelten Legenden um Engel, Drachen, Sternchen, Buchstaben und Blumen wider. Schals mit monumentalen Fransen waren ein sehenswertes Accessoire. Materialien waren Seidensatin, Tüll, Spitze und Wildleder. Über Schwarz hinaus, wechselten neutrale Töne wie Nachtblau, Strohgelb und Hautrosa sowie kräftige Töne wie Gelb, Türkis und Violett einander ab.

Auf die ersten vierzig Jahre ihres Lebens in Rom blickte die Mailänder Modeschöpferin Vivetta Ponti zurück. Weiche Chenille, andere, schimmernde Stoffe, gedruckte Schnitzereien, durchdachte Drapierung sowie übertriebene Formen und Volumen kennzeichneten den rebellischen und bürgerlichen Stil in den 1980er Jahren, einen Coup de Théâtre, wofür weibliche Ermächtigung ein Symbol war. Vivetta Ponti griff die Romantik dieser Ära mit Neugier auf, aktualisierte aber die Stile ohne Nostalgie, doch mit Freude. Sorbetähnliche Farben erleuchteten die Stoffe der großen maskulinen Tradition. Auffällige Details wie lackierte, augenförmige Knöpfe hoben das Overcheck- und Glencheck-Muster zur Feier englischer Wolle hervor. Aus einer Jacke wurde ein Hemd und aus einem Hemde wurde wieder eine Jacke; dank der Technik des Tuftens vereinten sich hier beide Welten. Bänder, Rüschen und Drapagen hingen am Körper, als ob ein Mädchen das mütterliche Kleid anprobierte und dabei die Linien und Proportionen änderte. Sportlichkeit und Freizeitvergnügen zeigten sich an farbenfrohen, übergroßen, bedruckten und mit Daunen gefüllten Kleidungsstücken. Lippen, Herzen und surreale Figuren belebten die Stoffdrucke der Kleider. Die geschärften, zuckersüßen Bilder dienten der reinen Unterhaltung. Schals mit Drucken als Klassiker versprühten gleichsam einen tollen Duft und bewegten sich zwischen banal und außergewöhnlich. Es gab ebenfalls Python-Drucke als irisierendes Hologramm. „SWAROVSKI“-Kristalle ergänzten Muster und Stoffdrucke. Stickerei betonte die Zartheit. Alles in allem war die im Hause der Società del Giardino gezeigte Kollektion, die nicht nur Abendkleidung, sondern auch Tageskleidung umfaßte, überschwenglich hell und farbenfroh.

Eine Winterromanze umgab die italienischen Marke „ANTEPRIMA“. Die aus Tokio stammende Modeschöpferin Izumi Ogino erhoffte sich von der Romanze, daß sie ihr Herz zum Singen zu bringe, um sich frei und stark zu fühlen. Der Wind sollte sie in einen Schokoladenkosmos tragen. Leidenschaft stak in Stofflagen über Stofflagen. Weite, gewickelte Hosen wiesen eine deutliche Rippenmusterung auf. Kleider hatten fließende Falten oder überraschende Schlitze. Während glänzende Seide, Kaschmirwolle oder zarte einfache Wolle die Stoffe der Oberbekleidung waren, bestanden die Handschuhe aus Pythonleder. Zur Ausschmückung dienten Pailletten und große Schleifen. Schwarz, Grau, Milchweiß, Marineblau, Türkis und Bordeauxrot waren die wichtigen Farben. Die im Palazzo Serbelloni vorgestellte Kollektion „MODERN ROMANCE“ war elegant, glamourös, verführerisch und maskulin.

In der Veranstaltungsstätte „Padiglione Visconti“ präsentierten gleich zwei Portugiesen eine Kollektion. Der Kollektion „TWENTY-FOUR HOURS“ des Modeschöpfers Carlos Gil lag der Gedanke an moderne, kosmopolitische, praktische und jederzeit einsatzbereite Frauen in einer niemals schlafenden Stadt, wo künstliche Lichter alle möglichen Kontraste erzeugten, zugrunde. Es fehlte nicht der sportliche Einschlag, so daß die Kleidungsstücke zum täglichen Leben in der Stadt paßten. Details, von der Disco-Ära sowie vom Stile der 1970er und 1980er Jahre inspiriert, ließen diese Stücke sowohl elegant als auch locker und ausgefallen aussehen. Ein gestreifter Stoffdruck war als graphisches Element der Schlüssel der vielseitigen Kollektion. Von Lichtspuren beeinflußt, verstärkte der Druck die Dynamik der eher streng wirkenden Silhouette; Falten und leuchtende Farbschemata unterstützten die Bewegungen. Bei den Farben standen sich die Gruppe der warmen Töne und die Gruppe der kalten Töne gegenüber. Der Modeschöpfer Pedro Pedro änderte seine Einstellung zur Mode. Im Gegensatze zu vorigen Saisons gab es keine „Casual Sportswear“ mehr, sondern es ging um Arbeitskleidung als Umsetzung des „Bürokonzeptes“. Insofern war die Kollektion „LE BUREAU“ deutlich formeller als die Kollektionen der Vergangenheit. Zielgruppe waren erwachsene, selbstbewußte Frauen. Bei den Kleidungsstücken kam es auf fließende Stoffe, klassische, aber lockere Formen und Übergröße an. Die Säume waren überdies länger, um die eher Lange-Linie-Silhouette zu betonen. Die Farben variierten zwischen Schwarz-Weiß, Blau, Grün, Orange und Kamelbraun. Baumwolle, roher Serge de Nîmes, dicke Wolle sowie wasserfeste und schützende Materialien nahmen Eigenschaften dieser Umgebung an.

Weitere Bilder