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Auf dem Wege ins Elysium

Mode in der Zirkusarena

Krallen zeigen – das Mannequin Daniela Aciu vor der Modenschau „Guo Pei“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 7. Februar 2018
Die Veranstaltungsstätte „CIRQUE D’HIVER BouglionE“ ist mit ihren Zirkusvorstellungen und etlichen andersartigen Veranstaltungen seit dem Jahre 1852 in Paris eine Institution und ein Symbol. Diesmal, und zwar am 24. Januar 2018, wurde sie der Schauplatz für die fünfte Modenschau der chinesischen Modeschöpferin Guo Pei in Paris, wozu sie sich in ein romantisches und farbenfrohes Elysium verwandelte.

Bei der Couturekollektion für den Frühling und Sommer 2018 ging es um das Leben. Unter dem Motto „ELYSIUM“ stand eine Insel der Freude und der Lebenswunder im Mittelpunkte. Für Guo Pei war es ein Paradies voller bunter Blumen und sonstiger wundervoller Pflanzen, wo weiße, verwinkelte Baumwurzeln am Himmel schwebten, Elfen tanzten, Meerjungfrauen spielten und Blumengottheiten durch einen uralten Dschungel wanderten. Das mythische Bühnenbild spiegelte dies wider. Die glitzernde, schwarze Mittelbühne der Veranstaltungsstätte reflektierte das schwache Blau einer Ozeanoberfläche und eines weiten Himmels. Über dem Zentrum der Bühne hing ein Baum mit einem Durchmesser von fast acht Metern. Die handgefertigten Wurzeln des Baumes stammten vom berühmten französischen Papierkünstler Charles Macaire. Die weiße Wurzel, die Nährstoffe aufnahm und Energie lieferte, symbolisierte den Ursprung des Lebens. Für Guo Pei waren die Wurzeln eines Baumes die Quelle der Vitalität, der Beginn allen Lebens.

Die Blume war das wesentliche Gestaltungselement der Kollektion, die dreiundzwanzig Modelle umfaßte. Aufwendig gestaltete, lebensnahe Blumen in allen Formen schmückten alles von der Stickerei über die Accessoires bis zur Silhouette. Die Verwendung natürlicher und innovativer Materialien war nicht wegzudenken. Die Handstickereien mit natürlichen Edelsteinen und Kristallen entsprachen der natürlichen Umgebung. Blau, Weiß und Gold waren die Hauptfarben der Kollektion. Blau verbreitete eine geheimnisvolle und romantische Atmosphäre. Weiß als Farbe der Seele bedeutete äußerste Reinheit und Schönheit in der gesamten Kollektion. Gold wie die den Morgennebel zerstreuende Sonne oder wie ein den Nachthimmel durchdringender Stern symbolisierte die unendliche Quelle der Freude im Elysium. Ein Höhepunkt war das Eröffnungsmodell. Großer Bambus aus Huangshan in Anhui in China war das Material für das Gewebe des Kleides, das goldene Blumen zierten und dessen Rockteil die Form eines Ruderbootes kieloben hatte. Guo Pei widmete ihr Elysium jedem, auf daß jeder die Wurzeln der eigenen Seele finde und den wahren Sinn des Lebens verstehe.

Im Hotel „WESTIN PARIS“ präsentierte der Beiruter Modeschöpfer Ziad Nakad die Kollektion „DEMETER“, womit er die Göttin Demeter als „Weizengöttin“ und „Mutter der Erde“ feierte. Bei Weizen dachte er an die Regionen der Erde, wo diese Feldfrucht im Überflusse vorhanden ist, nämlich an Sizilien, Eleusis, Kreta, Thrakien und den Peloponnes. Die Kollektion richtete sich an starke, großzügige Frauen als Symbol der Vollendung und des Friedens. Als Hommage an die ikonische Darstellung der Göttin Demeter prägten Weizenähren als Motiv die Kleider. Kleid für Kleid spielte Ziad Nakad ein subtiles Spiel mit Seidenstickerei und Tülle. So wie ein Vogel völlig frei über die Ernten flog und einen farbenprächtigen, strahlenden Himmel durchquerte, trafen das Gelb und Gold des Weizens auf das Blau des Himmels, das Grün der Erde, das Rot der Ozeankorallen und die Bronze der Bäume beim Sonnenuntergange.

In der Stätte der Architektur und des Kulturerbes zeigte der aus Morelia in Mexiko stammende und in Montréal tätige Modeschöpfer Antonio Ortega die Kollektion „DUNES-DUNAS“. Sein beliebtes Spiel der Kontraste kam in einer Wüstenlandschaft zu voller Geltung. Bilder versengter und rissiger Erde wichen den Wellen schwerer Seide, die in der Bewegung die wechselnden Wellen von Sanddünen nachahmte. Tiefe Schatten brachten Frische, während funkelnde Stickerei sofort des Glanzes einer blendenden Sonne erinnerte. Von Lichtverschiebungen und einer leichten Brise geleitet, veränderten sich die Kleidungsstücke in ihrer vergänglichen Existenz bis zur nächsten Bewegung. Dem Motto gemäß herrschten in der Kollektion die warmen Farbtöne der Wüste vor. Schatten aus schwarzem Seidentülle umrahmten das stete Hin und Her gegenüber den warmen Farben. Gelbe Jute, grob und rau, stand noch weicher Seide gegenüber. Plötzlich brach helle Farbe aus wie eine nach dem Regen aufspringende Wüstenblume. Aus der Entfernung verschwammen die Konturen wie eine Fata Morgana, doch aus der Nähe wurden die Details zusehends präziser. Das Glitzern verschwand rasch in der beige, gelben und goldenen Umgebung, bis die Wüste ihre Rechte wiedererlangte. Antonio Ortega machte klar, daß es sogar im Herzen der Wüste Leben und Verführung gab.

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