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Olympias von Epirus und die Weibsstärke

Mode aus Griechenland in Paris

Putzwand statt Leinwand – das Mannequin Darya Kostenich vor der Modenschau „ANTONIO GRIMALDI“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 4. Februar 2018
Hinter einem erfolgreichen Manne steht meistens ein starkes Weib. Dies hatte beispielsweise für Olympias von Epirus, Prinzessin aus dem Stamme der Molosser und dann Gemahlin Philipps II., Königs der Makedonier, gegolten, denn es war ihr Ziel gewesen, ihren Sohn Alexander III., den Großen, zum mächtigsten Herrscher in der damals bekannten Welt zu machen. Bei einer solchen Persönlichkeit war es folgerichtig, daß sie zur Muse des griechischen Modeschöpfers Laskaris Valavanis wurde.

Die Couturekollektion „Olympias“ für den Frühling und Sommer 2018 zeichnete Olympias’ Lebensweg anhand bedeutsamer Orte nach. Der erste Ort war Pasaronas in Epirus, wo Olympias geboren worden war sowie mit Schlangen geschlafen hatte und Reptilien gepflegt hatte. In der Kollektion bestanden die domestizierten Schlangen aus mit handgemachten Emailstücken bestickten Häuten; auf den Kleidungsstücken befand sich deren bildliche Darstellung auch aus blendenden „SWAROVSKI“-Kristallen. Die Eiche als Emblem von Epirus verlieh der Kollektion, deren Farben im übrigen Elfenbeinweiß, Schwarz, Grau und Fahlgrün im griechischen Stile waren, eine kräftige grüne Farbe. Die Sandalen der Kollektion gingen aus eigener Handfertigung hervor. Der zweite Ort war Dodoni, wo Olympias, bereits in die bacchantischen Mysterien eingeweiht, im Orakel gedient hatte. Alle Kleidungsstücke muteten wie die Gewänder antiker griechischer Priesterinnen an.

Hinzu kam während der Modenschau am 22. Januar 2018 in der Veranstaltungsstätte „LA MAISON DES CENTRALIENS“ in Paris die heidnische Musik, wozu die griechische Wave-Gothic-Band „Daemonia Nymph“ Rekonstruktionen alter Instrumente, Texte in altgriechischer Sprache, bacchische Zeremonien und Anrufungen verwandt hatte. Der dritte Ort war Samothrake, der Geburtsort des Modeschöpfers, wo Olympias Priesterin der Kavarion-Mysterien geworden war, wo sich der Legende nach Philipp II. bei einer mystischen rituellen Orgie in sie verliebt hatte, wo ihr Gott Zeus in Gestalt einer Schlange im Traume erschienen war und wo Alexander III., der Große, gezeugt worden war. Handgefertigte Mäander schmückten manche Kleider und Jacken. Ebenfalls kamen destrukturierte Tempelsäulen sowie Drapagen mit echten Steinen, Lichtstrahlen und Kupfer vor. Als vierter Ort kamen Pella und Aigia – heutzutage Vergina – mit der königlichen Residenz in Betracht. Der Einfluß war am Leder, an den geprägten Laubkränzen, sichtbar.

Besonders in der kalten Jahreszeit sehnt man sich nach Wärme; da paßt es gut, wenn einem gehörig eingeheizt wird. So geschah es bei der Modenschau der Marke „on aura tout vu“ im Festsaale der Bürgermeisterei des 4. Arrondissements, wo zwei mit Overall und Gasschutzmaske bekleidete Tänzer mit Flammen werfenden Rohren hantierten. Erst als das Feuer gebändigt war, kamen die Mannequins, um die Kollektion vorzuführen. Unter dem Motto „UNDER MY SKIN“ ging es um das Zusammenspiel der Haut, der Kleidung und des Lichtes. Zwischen Lichte und Schatten zeigte sich der Charme der bewegten Abstraktion. Kleider erschienen als strukturierte organische Skulpturen; Linien aus schwarzer Tinte und ein gleichsam aus dem Körper heraustretendes Netz aus Blutgefäßen deuteten eine erweiterte Silhouette an. Andere Kleider wie Rüstungen enthüllten doch eine gewisse Zerbrechlichkeit, beispielsweise wenn „Prothesen“ offengelegt wurden. Weitere Kleider wirkten wie eine zweite, von Funken eingeritzte Haut. Unter der Haut staken ein diskretes Verlangen, ein Doppelspiel, ein Traum. Innere Schönheit ließ die Körper erstrahlen. Der Funke sprang sozusagen aufs Publikum über. Aufs neue begeisterten die Pariser Modeschöpfer Yassen Samouilov und Livia Stoianova ihre Gäste.

In dem Werke „Fülle und Leere – die Sprache der chinesischen Malerei“ des chinesisch-französischen Schriftstellers François Cheng aus dem Jahre 1994 heißt es zur „aktiven Funktion der Leere“ in der chinesischen Malerei: „Leere ermöglicht den Prozeß der Verinnerlichung und Transformation, durch den jedes Ding seine Gleichheit und sein Anderssein aktualisiert und dabei die Totalität erreicht“. Diesen Gedanken legte die aus Österreich stammende und in Antwerpen tätige Modeschöpferin Flora Miranda der Kollektion „PNEUMA“, die sie in der Botschaft der Republik Österreich präsentierte, zugrunde. Für sie lag ein Kleidungsstück zwischen dem Körper und der Welt. Das Unsichtbare, die Luft um den Körper herum, war der Raum der Möglichkeiten für das Kleidungsstück bis zum nächsten greifbaren Elemente. Die Kollektion sollte diese unsichtbare Materie, den am menschlichen Körper tragbaren Umgebungsraum veranschaulichen. Körper aus fein reflektierenden Kunststoffpartikeln, äußerst präzise eingespritzte Silikonformen und dreidimensional gewebter, metallisch verdampfter Film sowie leichte Farbspektren aus Federn setzten sich in Bewegung. Die Formen des menschlichen Körpers wurden abstrahiert und wurden sonach eins mit den flüchtigen, skulpturalen Kleidern aus sorgfältiger Handfertigung. Jedes Kleidungsstück traf auf seine eigenen materiellen Qualitäten. Für die Modepräsentation in der Art einer Installation, die sich auf zwei getrennte Räume verteilte, setzte der belgische Choreograph Arco Renz zehn Tänzer ein. Die Farbvariationen zwischen den Räumen spiegelten den Kontrast zwischen Sommer- und Winteratmosphäre wider. Die warme und kalte Beleuchtung, welche die Philippe Rahm architectes SAS aus Paris verantwortete, trug dazu bei, die Mode im Sinne einer Frühling-Sommer-Kollektion und einer Herbst-Winter-Kollektion Wirklichkeit werden zu lassen.

Für den libanesischen Modeschöpfer Rani Zakhem war es eine freudige Premiere, als er erstmals eine Couturekollektion in Paris, und zwar im Hotel „WESTIN PARIS“, vorstellte. Feuer war das wesentliche Element dieser üppigen und doch entspannten Kollektion, die er einer „vulkanischen Frau“ widmete. Unter dem Motto „ODE TO A VOLCANIC WOMAN“ kam das Feuerthema in vielerlei Gestalt vor. Es handelte sich mal um kostbare Streifen von Diamanten auf Seide, mal um fließende, brutzelnde Kaskaden geschmolzenen Metalles an einem kurzen Kleide mit tropfenden Stoffbahnen, mal um wie Flammen tanzende Stoffteile, mal um bloß sanft schillernde, warme Farbtöne. Ein schwarzes Etuikleid, dessen drapiertes Oberteil sich in einen tiefen V‑Ausschnitt teilte, wies Goldkaskaden und Stickereien arachnoider Lavakristalle auf. Von einem Seidenkleide, perlweiß und beige, dessen Stoff kaum den Boden berührte und woran rote, orange und goldene Edelsteine nebst unzähligen Pailletten leuchteten, gingen kostbare Reflexionen aus. Die Erinnerung an eine Feier in Wien veranlaßte Rani Zakhem, das goldhaltige Werk des Wiener Malers Gustav Klimt in eine geometrische Anordnung von Pailletten zu übersetzen. Überdies verwies er auf den amerikanischen Modeschöpfer Roy Halston Frowick, als er die Geometrie und den Diskothekengeist der 1970er Jahre miteinander verband. Ein locker fließendes, einschultriges Kleid samt goldenem Mao-Kragen hatte nämlich eine Degradé-Musterung in Form eines aufgefächertes Regenbogens, dessen Schattierungen Rot, Hellorange, Gelb und Gold waren.

Rani Zakhem erinnerte der französischen Schauspielerin Mireille Darc, indem er den Pariser Modeschöpfer Guy Laroche zitierte; Blattgold, fein und pudrig, formte ein in einem Wickel ums Oberteil geknotetes Kleid aus Chiffon samt tiefem Rückenausschnitte. Mit einem aufgespaltenen Sonnenkleide aus gelbem, plissiertem Chiffon samt Schalkragen und Mönchsärmeln gedachte Rani Zakhem mit einem fröhlichen Lächeln des Pariser Couturiers Jean-Louis Scherrer. Ein kurze echte Muschiktunika aus schwarzem Seidensatin, am unteren Rande mit gelber, gefalteter Faille verziert und mit einer großen Schleife aus gleichem Stoffe versehen, war eine Anspielung auf den Pariser Modeschöpfer Yves Saint Laurent. Eine Kombination aus einem dicht bestickten goldenen Top samt dreiviertellangen, schmalen Ärmeln und einem schwarzen, langen Faltenrocke verdeutlichte Rani Zakhems Verehrung für den Pariser Modeschöpfer Pierre Balmain. Ein Etuikleid aus Seidenjersey mit fließendem Goldbehange und mit einer großen Schleife aus schwarzem Seidensatin an der Schulter war eine Hommage an die französische Couturière Germaine Émilie Krebs alias Madame Grès; es sollte das Herz aus dem Takte geraten lassen. Ein Kaftan aus schwarzem Seidensatin, an den Rändern mit goldenen Pailletten und am unteren Rande zusätzlich mit Flammenmustern bestickt, stand für Rani Zakhems orientalische Herkunft und stellte eine Verbindung zwischen seinen verschiedenen Kulturen her. Als Apotheose erschien das lange und zugleich enge Hochzeitskleid aus zarter weißer Spitze; kraft seiner edlen Schlichtheit unterstrich es den minimalistischen Anspruch der Kollektion.

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