Motor der Mode
Neue Ansätze zur Modepräsentation
Zuversicht – zwei Mannequins vor der Modenschau der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (Bild: Christian Janssen)
Im einzelnen ging es unter Prof. Anke Schlöders Leitung um fünfundzwanzig Kollektionen von Absolventen im Studiengange Modedesign. Unter den Absolventen des „Master“-Studienganges ließ Pia Schulz die Kollektion „Pas D’Amour“ kraft vielfältiger Materialien, zarter Farben und klarer Linien sportlich und lässig aussehen. Anni Graces Kollektion „Beyond The Cherry Blossom“ stand angesichts der asiatischen Stoffe und Muster ganz unter dem Einflusse der japanischen Kultur; Kleider mit applizierten Stoffblüten kamen hinzu. Anka Akemi drückte mit der Kollektion „Yasumi“ ihre Verbundenheit zur japanischen Kultur aus, was an den Stoffdrucken im Sinne des japanisches Ästhetikkonzeptes namens Wabi-Sabi auf nachhaltigen und fair beschafften Materialien erkennbar war. Anna Böttke näherte sich nach der Devise „Autismus“ der Kunst von Autisten und Savants im Hinblicke auf deren unterschiedliche Wahrnehmung, woraus abstrakte, graphische Formen folgten. Senta Behringers sportliche „Unisex“-Kollektion „Re-Patterned“ bestimmten vor allem Strick, Digitaldruck und kontrastierende Muster sowie eine übergroße Silhouette. Florian Schulze nahm sich unter dem Motto „Hypnagogia – a fashion collection in delusion“ der Schizophrenie an, wobei abseits der ausladenden Formen und groben Materialstrukturen das Elfenbeinweiß der meisten Kleidungsstücke mit pharmazeutischen Bezeichnungen wie Amitriptylin, Clozapin und Fluoxetin die „dunkle“ Seite der Krankheit verschleiern sollte. Cornelia Anna Sobik brachte in der Kollektion „Cutting Through Egos“ handgefärbte Stoffe, Latex, Ziegenfell und Holz unter; außerirdisch anmutende Kopfbedeckungen rundeten das surreale Bild ab.
Unter den Absolventen des „Bachelor“-Studienganges brachte Sebastian Nißl in der Kollektion „Behind Cold Walls“ mit dem amerikanischen Schriftsteller Truman Capote als Inspiration skulpturale Formen sowie Pailletten- und Perlenzier zusammen. Gianna Antonia Eichler setzte mit der Herrenkollektion „How To Kill God“ das Konzept der empathischen Zivilisation des amerikanischen Soziologen Jeremy Rifkins um; der fette Schriftzug „WHY YOU HATIN?“ tauchte stellenweise als Stickerei auf. Dana Renée Harel ließ unter dem Motto „Salt & Paper“ gewöhnliche Salzkristalle auf dem Stoffe wachsen, während Papierschnitt- und Falttechniken die Muster prägten. Ekaterina Zdanowicz-Musina blieb unter dem Motto „Iterations“ ihrer Begeisterung für Futurismus und Cyberpunk treu, was zu schwarz-weißen Drucken auf Kleidungsstücken mit asiatischem Flair aus Baumwolle und technischen Materialien führte. Goran Sidjimovski ließ in die Kollektion „Liminial Lines“ Gender- und Queer-Gedanken einfließen; das Ergebnis waren flimmernde Gestricke in Blau- und Rottönen. Maria Bohn stellte in der Kollektion „Version 2.0“ unter dem Einflusse des Prager Schriftstellers Franz Kafka reinweiße und cremeweiße Kleidungsstücke mit geometrischen Silhouetten solchen in verschiedenen Rottönen gegenüber. In Lennart Meyers Kollektion „Industrial Standards“ herrschten Klarheit und Sachlichkeit, beispielsweise bei der Geradlinigkeit mit industriellem Charakter im Sinne der Van-Nelle-Fabrik als architektonischer Avantgarde und bei der harmonischen Farbpalette. Alexandru Plesco veranschaulichte mit der Kollektion „Anmarsch“ den Zustand eines Menschen während der Präkognition, wo ihm Halluzinationen real vorkommen, unter anderem dadurch, daß lässige Fransen alle Kleidungsstücke schmückten. Tony Eisolds Kollektion „Dementia Praecox“ war eine Kritik der vorzeitigen Verblödung; bemalte, aufgeblähte Schaumstoffkostüme passierten einen Einkaufswagen voller Plastiksachen mit der Aufschrift „CHURCH 25 OF BALLA BALLA“ in Anspielung auf den Berliner Musikclub „Kater Blau“.
Ronja Stucken erklärte nach der Devise „Reboot“ den Neuanfang des Menschen mit übergroßen Silhouetten, Siebdrucken, Digitaldrucken und detailreichen Stickereien. Tanja Bombachs Damen- und Herrenkollektion „Versagen I“ mit verschiedenartigen Pullovern drehte sich um Fehler, Zufälle und Irritationen, letztlich um die Frage der Imperfektion. Nadja Luges kreative Reiseziele waren der Mars und die Antarktis; ihr Futuristismus unter dem Motto „The Unknown“ vereinte übergroße und eng anliegende Kleidungsstücke. Johanna Diercks’ minimalistische, skulpturale Strickkollektion „The Body, The Space And The Void“ beruhte auf dem Werke der britischen Bildhauerin Barbara Hepworth, wo Masse und Leere gleichermaßen bedeutsam für die Formgebung gewesen waren. Timur Gapurovs Kritik des Turbokapitalismus in seinem Geburtslande Kasachstan war unter dem Motto „Homeiswhererocketscomefrom“ eine Gratwanderung zwischen gutem und schlechtem Geschmacke. Elisabeth von der Thannens Schwerpunkt waren ungewöhnliche Materialmischungen nach der Devise „Vorbild/kindisch“ wie fester Serge de Nîmes, lederne Rüschen und metallisch-goldene Elemente. Miriam Böhm machte die Kollektion „Come Closer“ mittels plissierter Stoffe und künstlerischer Drucke schrill und frisch. Don Aretino aus Indonesien wagte sich mit der Herrenkollektion „Halal“ an die gleichgeschlechtliche Begierde im islamischen Kulturkreise heran, wobei er traditionell-islamische Silhouetten mit Elementen der Sport- und Fetischbekleidung auflockerte. Franziska Link überspielte die puristischen Formen in der Kollektion „Übersinnraumgefühl“ mit raffinierter Detailverliebtheit. Im übrigen ermunterten einen die Kollektionskonzepte von Studenten im Hauptstudium dazu, die Vielfalt des Studienganges Modedesign zu entdecken.
Am 26. Oktober 2017 stellten sich die Studenten und Absolventen der Universität der Künste Berlin auf der Modenschau „SCHAU17“ in der Veranstaltungsstätte „ESTREL CONGRESS CENTER“ vor. Zusammen mit Alexandra Bondi di Antoni von der Zeitschrift „i‑D“ als Kuratorin schaffte das Institut für experimentelles Bekleidungs- und Textildesign Raum für neue Dessins. Die Absolventen des „Master“-Studienganges machten mit ihren Kollektionen in experimenteller Herangehensweise die eigene Autorenschaft in der Bekleidungsgestaltung deutlich. Anna-Sophie Goschins Kollektion „Untitled“ enthielt Kleider samt langen Ärmeln sowohl für die Frau als auch für den Herrn. Bei Julia Bajanova trafen unter dem Motto „Bodies That Shatter“ transparente Stoffe und eine körperbetonte Silhouette aufeinander. Melis Yildiz bevorzugte unter dem Motto „Adore Me I’m an Artist“ Kapuzenkleider samt überlangen Ärmeln und Kapuzenjacken samt sehr langen Ärmeln. Hager Riegars Kollektion „The Fauves Knew Better“ kennzeichnete eine Buntheit mit Kornblumenblau, Grasgrün, Narzissengelb, Orange, Rosa, Scharlachrot und Mohnrot. Lisa Mann beschränkte sich unter dem Motto „Freddy and Daddy“ auf kuttenartige Herrenmäntel.
Die Kollektionen der Absolventen des „Bachelor“-Studienganges zeigten eine Vielzahl gestalterischer Standpunkte und Perspektiven auf. Katharina Kucharskas Kollektion „The Evolution of Things“ beinhaltete ärmellose Hemdchen mit Flügeln, beulenartig weite Hosen und weite, schlabbernde Cuissardestiefel. Florian Mathé widmete sich unter dem Motto „Hannelore“ dem Genderthema, so daß er Männer in herkömmlicher Damenkleidung mit lila Elementen über den Laufsteg schickte. Eric Schielers Herrenkollektion „Alternative Facts“ umfaßte lederne Latzhosen, Rüschenhosen und Seidenhemden. André Törner hatte unter dem Motto „Über den Gegensinn der Kleidung“ eine Vorliebe für schwarze Anzüge. Marie Akoury setzte unter dem Motto „Memorabilia“ auf buntes Stückwerk zur Ausschmückung. Hannah Friederike Fischer verband in der Kollektion „StV0“ Radlerstücke, Neoprenfarben und Farbblocking. In Katharina Lutats Kollektion „Boob Job“ herrschten Rosa und helles Blau vor; manchmal lenkten Details den Blick auf die Brüste. Wanda Wollinsky setzte bei der Kollektion „Now Showing: Love“ Karomuster und übergroße Schmuckelemente ein. Laura Stellacci konzentrierte sich bei der Kollektion „How to do thinks in words“ auf rote, weite Hosen in auffälliger Musterung.
Auch in diesem Jahre hatte es im Studiengange Modedesign eine Reihe interessanter Projekte gegeben, wo es vor allem um die Dynamiken der Wertekonstruktion in der Mode gegangen war. Die Kollektion des Projektes „Comeback Opulentia“ bestand aus Kleider, Gewänder und Overalls in kühlen Farbtönen. Stellenweise glänzten die Stoffe. Ein Hingucker war der wie ein Rucksack getragene, riesige Teddybär an der Rückseite einer Jacke. Prof. Wowo Kraus war mit seinen Projekten besonders auf etablierte Systeme in der Modeindustrie eingegangen; daneben hatte er das Kopieren als gestalterische Maßnahme und die wechselnde Autorenschaft in etablierten Modehäusern beleuchtet. Beim Projekte „Copycat“ hatte die Kopie eines existierenden Kleidungsstückes die Grundlage für den Entwurf eines neuen gebildet, so daß die Doubles entweder das Original ergänzten oder einen Kontrast zu ihm darstellten. Prof. Valeska Schmidt-Thomsen hatte mit dem Projekte „Material Matter“ Fragen der Materialität, insbesondere deren Einfluß auf den Wert der Kleidung, erörtert; Schwerpunkte waren unter anderem die Verlangsamung von Produktionsprozessen, die Handarbeit und die Spuren der Arbeit gewesen. Dies brachte lang fallende Kleider, Röcke und Hemden hervor. Prof. Carolin Lerch hatte mit dem Projekte „Manifest“ die gestaltungspolitische Haltung in eigens dafür verfaßten Manifesten zur Grundlage der Entwürfe gemacht. Die fertige Kollektion war nicht nur auf der Modenschau zu sehen, sondern die einzelnen Kleidungsstücke waren noch im Rahmen der Projektarbeit auch in Modefilmen präsentiert worden. Das Projekt „Musical Chairs“ sollte mit der persönlichen Dessinhandschrift der Studenten die vorhandene Ästhetik eines Modehauses verändern.
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