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Ach, wie gut, daß niemand weiß …

Die Mode und die Titulierung

Viel Weiß – die Mannequins Céline Delaugère und Liu Chunjie vor der Modenschau „MSGM“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 11. November 2017
In der Regel geben Modeschöpfer ihren Kollektionen einen Namen, welcher das Thema wiedergibt, umschreibt oder andeutet. Der für die in Appignano in den Marken beheimatete Marke „MSGM“ tätige Modeschöpfer Massimo Giorgetti pflegt seine Kollektionen nie zu benennen; doch diesmal, nämlich bei der Prêt‑à‑porter-Kollektion für den Frühling und Sommer 2018, machte er eine Ausnahme.

Unter dem Motto „Hue/Saturation“ unterzog Massimo Giorgetti, ein Liebhaber zeitgenössischer Kunst, das Publikum im Freien eines Lagerhallengeländes einer modischen Farbtherapie. Obwohl die wesentlichen Farbtöne so grell wie diejenigen von Textmarkern waren, traf er stets den richtigen Ton. Den Straßenstil definierte er einmal anders, und zwar mit Raffinesse. Wesentliches Merkmal der Kollektion war die Überlänge bei den Ärmeln von Jacken, Mänteln und Pullovern. Mit zarter Silhouette erschien ein geschichtetes Ösenkleid. Rüschen kamen an einem weißen, zitronengelben und hochrosa Kleide vor. Ein mohnrotes Kleid samt Puffärmeln und ein himmelblauer Regenmantel bestanden aus glänzenden, knitternden Stoffen. Eine rosa Jeanshose wies zerfetzte Säume auf. Überhaupt zeigten sich an Kleidungsstücken aus Serge de Nîmes und an Strickstücken verwaschenen Kanten. Verwaschen waren ebenfalls die Stoffdrucke. Ein Anzug aus doppelter Serge de Nîmes zu einer weißen Bluse fiel wegen seiner Farbkleckse in Tropfengestalt auf. Das Schottenkaromuster tauchte mal bei rosa Stücken wie einem Hosenanzuge und einer Jacke, mal bei orange Stücken wie einer Jacke und einem Mantel auf. Pullover waren bunt oder hatten einen Ombréeffekt. Schriftzüge, welche die in der gesamten Kollektion verwandten Farben benannten, bedeckten in Gänze einen weißen Pullover und ebensolchen Rock als Kombination sowie einen weißen bauchfreien Pullover.

Ein Blickfang waren übergroße Trenchcoats mit an der Seite lose herabhängender Stoffbahn und mit offenem Gürtel in kontrastierenden Farben. Bei den zwei olivgrünen Trenchcoats aus lackierter Baumwolle war die Stoffbahn pflaumenblau, während der Gürtel zum einen kornblumenblau und zum anderen rosa war. Im übrigen war der Gürtel kornblumenblau; bei dem beige Trenchcoat war die Stoffbahn zitronengelb, wohingegen sie mohnrot beim rosa Trenchcoat war. Der französische Musiker Frédéric Sanchez sorgte nicht nur für die musikalische Untermalung der Modenschau am 24. September 2017, sondern er verantwortete auch die Schnappschußbilder, die als Flecken auf Jacken und Trenchcoats zu sehen waren. Muster, wofür der Maler Osman Hassan, ein ehemaligen Boxer, mit in frischer Malfarbe getauchten Boxhandschuhen unentwegt auf Leinwände eingeschlagen hatte, fanden als Druck ihren Platz auf Jeanshosen, auf übergroßen Truckerjacken aus Serge de Nîmes und auf Blusen. Sehenswert waren noch die Batikeffekte. Parka, Sweaterkleid, Hemdkleid, Schlaghose, Palazzohose und Shorts vervollständigten das Sortiment. Zur Ausschmückung dienten ferner Lochstickerei (broderie anglaise) und Pailletten. Weitere Materialien waren Tweed, Baumwolle, Popeline, Seide, Plüsch und Lackleder. Die Farbpalette umfaßte noch Fuchsienrot, Karmesinrot, Malvenrot, Erbsengrün und Sumpfgrün. Zu gemusterten Stiefeln, eingewickelten Halbschuhen oder Sandaletten samt Knöchelriemen wurden Batiksocken getragen. Gelegentlich tauchten gemusterte Fischerhüte auf. Accessoires waren längliche Mikrosonnenbrillen sowie Handtaschen aus Lackleder, große, gemusterte henkellose Handtaschen in Mappenform, lederne Einkaufstaschen und große, gemusterte Rucksäcke.

Bei der im Spazio Cavallerizze des Nationalmuseums der Wissenschaft und Technologie Leonardo da Vinci gezeigten Kollektion „The Second Metal Skin“ der Marke „RICOSTRU“ ging es, wie es die Bezeichnung nahelegte, um das Konzept der sogenannten zweiten Haut. Eine Serie von Trugbildern und reflektierenden Gedanken durchzog die Kollektion des chinesichen Modeschöpfers Rico Manchit Au, was auf einen Zufallsfund in einem Schriftstücke über Stoffe zurückging. Aspekte wie Leben, Puls, Rhythmus, Maske und Tarnung drängten sich geradezu auf, was zu einer zusätzlichen Schicht surrealer „Metallhaut“ über der „frischen Haut“ führte. Dank technischer Gestricke verschmolz ein wie Ketten geformtes Metallnetz mit dem menschlichen Körper zu einer neuen Hautstruktur. Der Metallanzug „Camouflage“, weich oder scharf, war so unberechenbar wie die von Chamäleons getragene „Maske“. Die transparenten und elastischen technischen Gestricke bildeten eine Schutzschicht, welche die enge Unterwäsche und Sportkleidung abstrakt und futuristisch aussehen ließ. Das umweltfreundliche Leder hatte eine der menschlichen Haut ähnliche Textur und fügte sich so in die Struktur des Kleidungsstückes „Skin mirage“ ein. Die wahren Farben blieben unsicher; die Formen veränderten sich immerfort wie bei einer Fata Morgana. Für Rico Manchit Au war es nicht ausgeschlossen, daß die zweite Haut dereinst zur wahren Haut werden wird.

Nach der Präsentation in New York erlebte die im Jahre 2015 gegründete chinesische Marke „VICKY’Z“ ihr Debüt in Mailand. Auf dem Wege in den internationalen Markt war es für das Wachstum in Europa gerade Mailand wegen seiner „zentralen Rolle in der internationalen Modeszene“. Das Markenkonzept bestand darin, jedes Kleidungsstück mit edlen Stoffen und raffinierten Dessins in einer Version für Erwachsene und einer Version für Kinder zu fertigen (Doppelaufmachung). In der Veranstaltungsstätte „TEATRO VETRA“ stellte die Modeschöpferin Xinyin Xu eine einzigartige Mischung aus traditioneller Kultur und moderner Kunst vor. Die Kunst der Tang-Dynastie warf ihren Schatten auf die Kollektion. Insofern spiegelten die zarten Farben der Kollektion die Keramik und das Porzellan mit ihren kräftigen Emaillen aus der Zeit der besagten Dynastie wider. Kraft nuancierter Farbtöne wirkten Stickereien und sonstige Verzierungen wie Wolken. Die Goldtöne und das ikonische Dessin der Lotusblüte prägten die elegantesten Stücke der von einer subtilen Sensibilität durchdrungenen Kollektion. Die Kollektion war alles in allem vielseitig und farbenfroh.

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