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Gabrielle „Coco“ Chanel, Karl Lagerfeld und die innere Stimme

Die Mode und das Duftwasser

Netzkonstrukt hier und dort – das Mannequin Isabella Khair Hadid vor der Modenschau „ΛLEXANDREVAUTHIER“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. August 2017
Was wäre eine Modewoche ohne Feier? So gibt es nicht nur die sogenannten After-Show-Parties nach den Modenschauen, sondern auch Veranstaltungen, wo etwas anderes als Kleidung, beispielsweise ein neues Duftwasser, in feierlicher Atmosphäre präsentiert wird. Fünfzehn Jahre lang gab es keinen neuen Duft aus dem Hause „CHANEL“. Endlich war es an der Zeit; am 4. Juli 2017 wurde das neue Parfüm „GABRIELLE CHANEL“ vorgestellt.

Auf die Präsentation der Couturekollektion für den Herbst und Winter 2017/2018 im Grand Palais am Morgen folgte am Abende die Party „GABRIELLE CHANEL FRAGRANCE LAUNCH PARTY“ im Palais de Tokyo, wo die bereits seit dem Jahre 2013 als Markenbotschafterin tätige amerikanische Schauspielerin Kristen Stewart als Gesicht der neuen Werbekampagne genau in dieser Funktion, „strahlend und rebellisch“, agierte. Jasmin, Ylang-Ylang, Orangenblüte und Tuberose aus Grasse waren die erlesenen Zutaten für die Komposition des Hausparfümeurs Olivier Polge. Es galt, Selbstachtung und Selbstvertrauen der Nutzerin der betörenden Mixtur zu fördern sowie sie zu bestärken, auf die innere Stimme zu hören, also zu erkunden, was das eigene Herz begehrte. Da es eben ums Innere ging, ließ der feine Glasflakon seinen Inhalt kräftig leuchten, auf daß sich das Strahlen auf die Nutzerin übertrage. Die Modeschöpferin Gabrielle „Coco“ Chanel hatte einmal trefflich gesagt: „Ich habe gewählt, was ich sein wollte, und ich bin es.“ Mit Musik versorgten die amerikanische Sängerin Katy Perry und ihr singender Landsmann Pharrell Williams die Tanzfläche, wo bis weit in die Nacht hinein getanzt wurde. Neben der Französin Inès de la Fressange, der ehemaligen Muse des Modeschöpfers Karl Lagerfeld, folgte die Britin Cara Jocelyn Delevingne, vormals Mannequin und nunmehr Schauspielerin, als weiteres Lieblingsmodell dessen Einladung. Sie zog es nebst mitgebrachtem Leibwächter jedoch vor, auf der Terrasse zu sitzen, um sich zu entspannen, wenn da nicht der sie filmende Gast gewesen wäre …

Der Pariser Modeschöpfer Stéphane Rolland zeigte seine Couturekollektion im Bastille-Opernhause der Nationaloper von Paris. Unter dem Motto „Un trait droit, un cercle, un carré“ – eine Gerade, ein Kreis, ein Quadrat – zog er „seine“ Linien, wesentlich, minimal. Die Schulterpartie verbreiterte sich in Kurven, während sich der Rock langsam ausweitete; tiefe Ausschnitte enthüllten den Körper. Die Erscheinung war hochmütig, aber freiwillig. Die Macht war total, die Verführung erreichte den Höhepunkt, alles drehte sich um Eleganz und Feinheit. Nichts zerrte Stéphane Rolland plakativ ins Blickfeld, vielmehr mußte es erst entdeckt werden. Die Geschichte hinter der Kollektion war recht einfach, denn sie beinhaltete eine Pariserin, die sich eine uralte Kultur aneignete, vielleicht eine Stammeskultur. Eine einzige Farbe, nämlich das Ocker afrikanischer Länder, störte das ewige Schwarz und Weiß bei einer Blumenkronenrobe mit riesigen Armbinden. Als eine der vielen Neuinterpretationen der Werke des amerikanischen Gestalterduos Jerry Fels und Kurt Freiler befanden sich goldene Astwerke auf einer Caperobe aus schwarzem Kreppe mit Schulterpartien in Pagodenform.

Als Hommage an den österreichischen Bildhauer Franz Hagenauer erschien als weiteres Merkmal in schwarzer Tinte eine mit einer Kolonne Silikongesichter oder oxydierter Gesichter bestickte Totemrobe samt kubischer Schleppe rechts. Zwei weiße Kreppprofile standen einer Art-Déco-Kaskade aus schwarzem Fuchsfelle gegenüber. In der weiteren Runde waren die Mäntel, Jumpsuits und Trapeztunikas großzügig. Ihre Veredelungen gaben ihnen die Kraft der Einfachheit und Reichhaltigkeit. Alles war gestickt mit Elementen in der Schwebe, die den Schritt rhythmisch gegliederten. Der amerikanische Bildhauer Alexander Calder war nie fern. Ein Pullover aus weißem Crêpe Mousse mit unendlicher Silhouette verzerrte die Skizze einer fliegenden Magistrale aus schwarzem Seidengaze. Die Kollektion war wie eine Partitur zu lesen, und zwar lyrisch, auf der Suche nach dem Wesentlichen bis zur Rückkehr zu den Quellen. Seit zehnen Jahren spielte Stéphane Rolland mit Kontrasten und Bewegungen, um den Raum besser zu erfassen, stets zu überraschen und vor allem Emotionen zu wecken.

Der Modeschöpfer Dany Atrache aus Beirut stellte am 4. Juli 2017 im Festsaale der Bürgermeisterei des vierten Arrondissements von Paris seine Kollektion „UN VOYAGE DANS LES 70s“ vor. Es war eine Reise durch die Zeit. Die 1970er Jahre waren eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration dank der Dynamik der Freiheit, was die Kleider wiederspiegelten. Der Atem der Revolte in der damaligen Subkultur der Hippies setzte der Kreativität in der Mode keine Grenzen. Dany Atrache griff diesen Aspekt auf, fügte ihn in sein Coutureregister ein und gelangte zu einem der elegantesten Ergebnisse. Bei den Materialkombinationen trafen Spitze auf Crêpe Guipure und Seidenmusselin auf Samt. Metall in allen Facetten kam als Wagnis hinzu. Die gestickten Blumen vermischten sich mit den Materialien in magischer Weise. Die Farbpalette umfaßte Grün, Malvenrot, Rosa, Fleischfarbe und Grau nebst starken schwarzen und weißen Stücken. Die Zielgruppe waren unkonventionelle, im Gegensatze zu den Diktaten der Mode stehende Libertins.

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