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Mit vereinten Kräften auf der Seidenstraße

Die Mode und die Weibersolidarität

Blick über die Schulter – das Mannequin Leila Nda vor der Modenschau „Guo Pei“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 2. August 2017
„Viribus unitis“ lautete einst der Wahlspruch Franz Josephs I., Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn. Gemeinsam ist man stark, heißt es gemeinhin. Dies dachten auch die chinesische Modeschöpferin Guo Pei und Caroline Scheufele, der kreative Kopf der schweizerischen Schmuck- und Uhrenmarke „Chopard“. Nach ihrer beider Ansicht manifestierte sich im Zusammenwirken eine vielversprechende Art weiblicher Solidarität: „Frauen sind nie so stark wie bei der Kombination ihrer Talente.“

Im Jahre 2015 hatten sie sich kennengelernt, wonach sich sogleich eine gegenseitige Bewunderung im Hinblicke auf das Werk der anderen eingestellt hatte. Während eines Besuches in Genf noch im gleichen Jahre war die Idee einer Zusammenarbeit entstanden. Für den Herbst und Winter 2017/2018 fanden sie endlich zueinander, um ihre Welten mittels eines lebhaften Dialoges zwischen Bekleidung und Schmucke gegenseitig auszuleuchten. Es wurde ein Dialog auf Augenhöhe, denn das Haus „Chopard“ war seit dem Jahre 2015 ein „Jouaillerie“-Mitglied der Fédération Française de la Haute Couture et de la Mode, wohingegen Guo Pei im Jahre 2016 Gastmitglied der Chambre Syndicale de la Haute Couture geworden war. Linien und Bewegung, Architektur und Licht, Details und Majestät waren die Grundprinzipien, die sowohl für Guo Pei als auch für Caroline Scheufele maßgeblich waren. Insofern stimmten sie die Kleider- und Schmuckentwürfe aufeinander ab. Der Schmuck basierte auf einer verträumten Vision von Asien, die mit zauberhaften Materialien und Farben im Streben nach dem Erhabenen umgesetzt wurde. Dieses Thema bedeutete für Guo Pei eine Reise in ihre eigene Welt; um so inbrünstiger griff sie dieses Thema auf, um es bei den Kleidungsstücken fortzuführen. Prestigeträchtige Edelsteine waren sonach die Anregung zu extravaganten Kleidern.

Architektonische Formen, sorgfältig ausgearbeitete Volumen, fließende Linien und eine Leichtigkeit der Stoffe standen ebenso im Mittelpunkte des gemeinsamen Schaffensprozesses wie eine zeitgenössische Interpretation von Traditionsbeständen. Die atemberaubende Schönheit der Natur im Blicke habend, zeigten Guo Pei und Caroline Scheufele ihre Sensibilität der Pflanzenwelt gegenüber durch überaus poetische Schöpfungen, was an den zarten Falten eines Kleides, an der Blumigkeit eines Edelsteines oder am Motive einer fein geformten Uhr erkennbar war. Zu den spektakulärsten Stücken der Kollektion gehörte eine offene Halskette aus geschwärztem Silber, Weißgold und Rubinen. Zart um den Hals gelegt, öffnete sie sich und nahm dann dank der Geschmeidigkeit und der technischen Beschaffenheit der Materialien ihre ursprüngliche Gestalt wieder an; ein zusätzlicher graphischer Effekt ging von den zweien Rubinpompons aus. Zwei andere Halsketten, worunter ein Sautoir-Modell war, nahmen das zierlichen Schnurwerk auf; die herzförmigen Saphire und Diamanten zeichneten sich durch ihren für die Marke „Chopard“ typischen Steinschnitt und Einsatz aus. Bei anderen Modellen ergab sich aus der Kombination von Diamanten, Smaragden und Paraiba-Turmalinen ein unerwartetes farbliches Zusammenspiel, was den chromatischen Horizont erweiterte.

Die fruchtbare Zusammenarbeit brachte auch eine neue Silhouette hervor. Der Peter-Pan-Kragen aus Spitze und mit Diamanten bildete zusammen mit einer Halskette, deren zentraler Smaragd abnehmbar war, eine vollkommene Linie. Eine Uhr, die ein Opaldeckel überragte, war ein weiteres sehenswertes Stück. Zum Hochzeitskleide paßte eine aus Aluminium, Gelbgolde und Edelsteinen bestehende Tiara, die vom Halse herab den oberen Teil des Körpers umgab. Eine Reihe von Prêt‑à‑Porter-Modellen sowie Diamant-Sautoir-Halsketten und Sportuhren rundeten die Kollektion ab. Mehr als dreißig Gewerke, beispielsweise Gestalter, Juweliere, Edelsteinschneider, Edelsteinsetzer, Wachsformer, Polierer, unter einem Dache vereint, hatten all ihre Talente in die Schmuckherstellung, von den Linien zu den Volumen sowie von der Goldbearbeitung bis zur Bearbeitung von Edelsteinen, eingebracht und somit das hohe handwerklich-künstlerische Niveau sichergestellt. Am 2. Juli 2017 präsentierten Guo Pei und Caroline Scheufele die Couture- und Schmuckkollektion „Silk Road“ im Hôtel Salomon de Rothschild in Paris. Die Bewegung auf dem Laufstege erweckte die Schmuckstücke gleichsam zum Leben.

Der Römer Modeschöpfer Antonio Grimaldi widmete seine neue Kollektion der amerikanischen Philanthropin Mona von Bismarck, geborene Mona Travis Strader, einer Muse berühmter Künstler wie des katalanischen Malers Salvador Dalì und einer fanatischen Sammlerin von Couturekleidern, so daß er die Kollektion konsequenterweise in der Veranstaltungsstätte „MONA BISMARCK AMERICAN CENTER“ zeigte. Von der nordischen Mythologie inspiriert, schickte er am 3. Juli 2017 traumhafte, schöne Kriegerinnen über den Laufsteg, deren Kleider der Walküren erinnerten, wie sie der norwegische Künstler Peter Nicolai Arbo gemalt hatte. Die Kleider machten ihre Trägerinnen zu zeitgenössischen Göttinnen, die wie Mona von Bismarck gerne auf glamourösen Parties mit der Couture spielten. Für die kalte Jahreszeit empfahl Antonio Grimaldi Kleider aus Wolle in Kombination mit Redingotes und mit Anzugshosen, die der natürlichen Silhouette folgten und sie betonten; Kapuzen durften überdies nicht fehlen. Stickereien und Einlagen sowie Schnitte, auch asymmetrisch, verschönerten jedes Kleid. Auch Antonio Grimaldi liebte das Spiel, doch freilich mit Materialien.

Leder befand sich auf den Basque-Bustiers, wovon sich Pelzkanten abhoben. Die auf Crêpe Cady gestickten Lederpailletten zerflossen derart auf dem Grundstoffe, daß ein deutlicher Kontrast in den Materialien entstand. Der Steppeffekt der Metallstickerei an Kleidern aus Crêpe Cady zerlegte den Körper mit experimentellen Modellierungen, was schon immer Antonio Grimaldis Leidenschaft war. Der gestickte Glaseffekt ließ manche Kleidungsstücke wie wiederhergestellte zerschmetterte Spiegel aussehen. Tüll und Fadenstickerei erzeugten anderswo einen Diamantformspiegeleffekt, als bräche etwas gegen den Körper. Lederne Kleidoberteile und Organzaeinlagen hielten Fransen, die des Diamantschnittes erinnerten. Kristalle und mit Laser gestutzte Straußenfedern zierten kostbare Kaschmirwolle, Flanell und sorgfältig ausgewählte Einlagestoffe, was zu voluminösen Skulpturen führte. Die Farbpalette umfaßte nordische und glaziale Töne, namentlich helles Eisgrau, Taubengrau, Hämatitgrau, Puderblau, Ockergelb und Blaßrosa; weitere Schattierungen erzeugte der eingesetzte Georgettelamé. Zu den Kleidern kamen Lederhandschuhe und Samtsandalen hinzu. Die Juwelen hatte der Römer Schmuckmodeschöpfer Bernard Delettrez eigens für die Kollektion entworfen.

Bei der Präsentation der neuen Kollektion der Marke „XUAN Couture“ in der Kunstgalerie „GALERIE NIKKI DIANA MARQUARDT“ ging es kraus zu. Alles drehte sich um unorganisierte Rüschen in einer strukturierten Aufmachung. Seidenrüschen oder Lederblüten schmückten Pelzjacken, während sich fließende, voluminöse Kleider vom Umfelde dicht geraffter Stücke abhoben. Weitere Materialien waren Seidenorganza, Seidensatin und Crêpe Chiffon. Weiß, Schamrot, Graublau und Schwarz ergaben eine düstere Farbpalette, die helle Noten blitzartig aufheiterten. Für die niederländisch-vietnamesische Modeschöpferin Xuan-Thu Nguyen war die Kollektion das Spiegelbild einer Mischung widersprüchlicher Gefühle, das heißt ein Sturm der Aufregung; doch in einer reinen Atmosphäre, wo die Luft zugleich ihre vollständige Dichte und ihre Leichtigkeit zeigte, sollte sich die Kollektion als Wohltat für Geist und Seele erweisen.

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