Mode in Berlin – siebter Teil
Die zweite Hälfte des Jahres 2011 in der Retrospektive
Der Modenschau „im_puls“ am 9. Juli 2011 war ein „Casting“ mit den potentiellen Laufstegmodellen am 5. Juli und 6. Juli 2011 in den Räumen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) vorausgegangen. Die Vorbereitungen in den Räumen des Zeltes der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz Fashion Week BERLIN“ am Tage der Modenschau dauerten von 7.00 Uhr bis 10.00 Uhr und verliefen eher ruhig. Nach dem Eintreffen der Modelle gegen 7.00 Uhr wurde sogleich mit dem Schminken und Frisieren begonnen, da dies erfahrungsgemäß die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Für einen geordneten Ablauf sorgte unter anderem der „Make-up Artist“ Boris Entrup, indem er den Modellen an den Schminktischen klarmachte: „Ohne Make-up geht hier keiner heraus!“ Danach wurden bei einer einstündigen Laufstegprobe mit den Modellen die letzten Feinheiten der Choreographie geklärt; die Reihenfolge war bereits vorab festgelegt worden. Währenddessen wurden die vorzuführenden Kleidungsstücke zugeordnet und aufgebügelt.
Für einen Augenblick brach ein wenig Unruhe aus, als ein bestimmtes Paar Schuhe gesucht wurde. Doch dies konnte die allgemeine Ordnung nicht gefährden. Die Hochschulangehörigen, für die eine Modenschau in einem solchem Rahmen eine Herausforderung darstellte, erhielten eine Hilfestellung seitens der Veranstalterin; so unterstützte sie die für den „Backstage“-Bereich verantwortliche Mitarbeiterin der IMG GmbH bei der Beaufsichtigung der anwesenden Presseleute. Zur Überraschung der Hochschulangehörigen fand sich noch der Münchener Modeschöpfer Guido Maria Kretschmer dort ein und schaute sich ein wenig um. Dazu erklärte der „Backstagemanager“ Peter Schramm, der an der HTW im sechsten Semester Modedesign studiert: „Wir haben uns sehr darüber gefreut und hoffen, dass es für Herrn Kretschmer ein interessanter Morgen war.“
Hinter den Kulissen von Berlin
Am 5. Juli 2011 waren die Kollektionen der Studenten und Absolventen der Universität der Künste Berlin (UdK) auf der Modenschau „Schau 11“ in der Veranstaltungsstätte „Trafo“ zu sehen. Erneut beeindruckte manch übergroße Kopfputz. Auch an der UdK hatte der „Bologna-Prozess“ seine Spuren hinterlassen. War es vormals lediglich um die Kollektionen der Absolventen gegangen, so war nunmehr eine Unterteilung in die Bereiche „Bachelor“ und „Diplom“ erforderlich. In das Theater „ADMIRALSPALAST“ strömten die Modebegeisterten am 7. Juli 2011, um sich die Modenschau „MD.H Catwalk 2011 - VOL. 3: SPARKLING“ der MEDIADESIGN HOCHSCHULE FÜR DESIGN UND INFORMATIK GMBH (MDH) anzuschauen. Da diese Einrichtung auch in München ansässig ist, lag es nahe, nicht nur die Kollektionen der Berliner Studenten, sondern auch diejenigen der Münchener Studenten zu zeigen. Die Kunsthochschule Berlin-Weißensee (KHB) nutzte wieder das Haus der Kulturen der Welt als Örtlichkeit. Doch diesmal, und zwar für die Modenschau „seefashion11“ am 8. Juli 2011, war die Terrasse als Schauplatz ausgewählt worden. Unter der abendlichen Sonne erstrahlten die farbenfrohen Kleidungsstücke, insbesondere ein goldfarbener Overall.
Für den Nachwuchs unter den Modeschöpfern ist gesorgt
Eine weitere Fördermaßnahme war der ebenfalls integrierte Wettbewerb „Start your Fashion Business 2011“ des Landes Berlin mit einer Modenschau am 8. Juli 2011 in der Veranstaltungsstätte „Römischer Hof“. Die siegreichen Modeschöpferinnen Annelie Augustin und Odély Teboul (Marke „AUGUSTIN TEBOUL“) durften sich über das Preisgeld von 25.000,00 EUR freuen; sie überzeugten die Jury mit „starker eigenständiger Handschrift“ und präsentierten eine Kollektion, die „düster-romantische Elemente mit avantgardistischen Linien und handgearbeiteten Details“ verband. Für die Modeschöpferinnen Derya Issever und Cimen Bachri (Marke „ISSEVER BAHRI“), deren Kollektion sich durch „außergewöhnliche handwerkliche Techniken in Kombination mit moderner Eleganz“ auszeichnete, gab es ein Preisgeld von 15.000,00 EUR. Auf den Modeschöpfer Hien Le, dem die Jury ein „herausragendes Gespür für Schnitte und Farben“ attestierte und der für „sehr reduzierte, tragbare und zeitlose Kollektionsteile“ stand, entfiel ein Preisgeld von 10.000,00 EUR.
Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen
Anders als die Modenschauen der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz Fashion Week BERLIN“ waren die Modenschauen der Reihe „lavera SHOWFLOOR BERLIN“ vom 6. Juli 2011 bis zum 8. Juli 2011 im ehemaligen Kino „KOSMOS“ nicht nur dem Fachpublikum und der Presse vorbehalten; hier konnte sich jeder Modebegeisterte die neuen Kollektionen ansehen. Über die Konzeption hieß es in der Pressemitteilung: „Die Schauen zeigen ausschließlich Kollektionen mit hohem ethischen Anspruch, der Ökologie, kurze Transportwege, sozial verträgliche Produktion innerhalb Europas und fairen Handel, in den Vordergrund stellt.“ Am 7. Juli 2011 stellte dort die Hamburger Modeschöpferin Julia Starp ihre neue Kollektion vor.
Die Berliner Modewoche und die „grüne Mode“
Ein Neuling in Berlin war die aus München nach Berlin ins Theater „RADIALSYSTEM V“ gekommene Modemesse „in fashion berlin“ für Damen- und Herrenkollektionen sowie Accessoires vom 5. Juli 2011 bis zum 8. Juli 2011. Dazu hieß es in der Pressemitteilung: „… bereits jetzt sind 70 Kollektionen gemeldet, unter ihnen Aussteller wie Mellmax, Mania shoes, Nör-Denmark, Annette Görtz, Bitte Kai Rand, Mc Planet, Indies, Gabi Lauton, Roberto Naldi, Cutloose. Besonders ist auch der nachhaltige Modebereich GreenGlamour, der bereits in München erfolgreich installiert wurde. Hier haben sich Kollektionen wie Mandala, Alchemist, Queen and Princess, Fairliebt, the baand, xess & baba sowie Christina Krämer collection akkreditiert.“ Die Veranstalterin Andrea Frahm erläuterte noch die Mischung der Aussteller: „Ziel ist es, grüne Mode zu integrieren und selbstverständlich zu machen, den Händlern so die Scheu vor diesem neuen Feld zu nehmen. Die Authentizität der Aussteller in Sachen ‚Grün‘ ist dabei neben dem modischen Aspekt ausschlaggebend.“
Nach der Modewoche ist vor der Modewoche
Um so erfreulicher war endlich der Beginn der Berliner Modewoche. Die Modewoche hätte schon am 3. Juli 2011 anfangen können, wenn nicht die Ocean Media GmbH die Modemesse „5 elements.berlin“ am 1. Juni 2011 abgesagt hätte. Dazu ließ der „Event Director“ Andrew Lookman in einer Pressemitteilung verlauten: „Heute … haben 37 Hersteller mit gut 65 Marken zugesagt, von weiteren Herstellern haben wir die mündlichen Zusagen. Zu viele Hersteller warten jedoch ab, um zu sehen, welche Mitbewerber sich noch anmelden. Sosehr uns die Entwicklung insgesamt freut, ist sie dennoch nicht ausreichend (selbst wenn alle mündlichen Zusagen ihr Erscheinen bestätigen würden), um eine sinnvolle Leitmesse für Bodywear in Deutschland umzusetzen. Aus Sicht des Einzelhandels ergibt sich kein attraktives Ausstellerfeld, zumal führende Hersteller aus den Bereichen Dessous und Beachwear der aktuellen Veranstaltung eine Absage erteilt haben.“ Den Auftakt der Modewoche bildete dann am 5. Juli 2011 die Eröffnung eines Ladens der niederländischen Marke „SCOTCH & SODA AMSTERDAM COUTURE“ im Modeviertel rund um den Hackeschen Markt.
Die Mode als Botschafter
Die letzte Modenschau der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz Fashion Week BERLIN“ gestalteten diesmal die belgischen Modeschöpfer An Vandevorst und Filip Arickx. Ihr Erkennungszeichen sind die ins Gesicht gekämmten Haare der Modelle und der eingenebelte Laufsteg. Dazu präsentierten sie eine reine „women’s ready-to-wear“-Linie aus Schuhen, Accessoires und einer „pre-collection“ namens „BLACKBOARD“ und „A.FRIEND by A.F. VANDEVORST“. Glanz kam einmal mehr am 7. Juli 2011 nach Berlin, und zwar in den Hof der KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH. Für die Begriffe „Eleganz“ und „chic“ gibt es ein Synonym: Guido Maria Kretschmer. Der Münchener Modeschöpfer verbreitete auf der Modenschau unter freiem Himmel mit den Kleidern seiner neuen Kollektion „STAY ANOTHER DAY“ in den Marinefarben Blau und Weiß eine wohltuende Urlaubsatmosphäre, was sich auch der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit nicht entgehen ließ. Daneben eröffnete er dort seinen „Showroom“ und erläuterte die künftige Zusammenarbeit mit der KPM – für sie wird er besondere Porzellanobjekte entwerfen – folgendermaßen: „Mit der Königlichen Porzellan-Manufaktur verbinde ich Ästhetik und handwerkliche Kunst, die ihres gleichen sucht.“
Die Modebranche als Wirtschaftsfaktor für Berlin
Bei all diesen schönen und amüsanten Momenten darf die Bedeutung der Modebranche als Wirtschaftsfaktor für die Entwicklung der Stadt Berlin nicht übersehen werden. Laut einer aktuellen Studie der Investitionsbank Berlin wird die wirtschaftliche Dynamik der Berliner Modewirtschaft besonders deutlich an der Anzahl der ortsansässigen Unternehmen der Modebranche. In Berlin sind rund 3.700 Unternehmen mit mehr als 11.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und damit mehr Unternehmen als in anderen Städten der Bundesrepublik Deutschland ansässig; anders als in den Städten Hamburg, Köln und München nahm die Anzahl in Berlin seit dem Jahre 2000 um 29,4 % besonders stark zu. Unter Berücksichtigung der freien Mitarbeiter, Selbständigen und geringfügig Beschäftigten ergibt sich die Gesamtzahl von 15.300 Personen, die in der Berliner Modewirtschaft dauerhaft tätig sind. Nach der Studie erreicht der Umsatz in Berlin einen Wert von 1,6 Milliarden Euro, womit Berlin zwar hinter München mit 2,3 Milliarden Euro, aber noch vor Hamburg mit 1,4 Milliarden Euro und Köln mit 1,2 Milliarden Euro rangiert. Angesichts dessen kommt seit dem Jahre 2005 der Modebranche in Berlin eine Förderung von Einzel- und Infrastrukturprojekten mit jährlich rund 1 Million Euro seitens der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen zugute.
Trotz finanzieller Förderung gibt es bei der Infrastruktur selbst etwas aufzuholen. In Paris gibt es die Fédération Française de la Couture, du Prêt-à-Porter des Couturiers et des Créateurs de Mode; dazu gehören die Chambre syndicale de la haute couture, die Chambre syndicale de la mode masculine und die Chambre syndicale du prêt-à-porter des couturiers et des créateurs de mode. In London existiert das British Fashion Council (BFC), in Mailand die Camera Nazionale della Moda Italiana (CNMI), in New York das Council of Fashion Designers of America (CFDA). In Berlin hingegen ist eine entsprechende Interessenvertretung der Modeschaffenden als zentrale nationale Einrichtung nicht zu finden. Eine solche Anlaufstelle würde der einheimischen Modebranche sicherlich einen zusätzlichen Impuls geben.
Die Mode schlägt Funken
Die GRUNDIG Intermedia GmbH setzte ebenso auf die Mode als Blickfang. Die Herstellerin von Fernsehempfangsgeräten bot der Berliner Modeschöpferin Nadine Miyahara eine Plattform, um die Kleider aus der aktuellen Kollektion ihrer Marke „MILA MIYAHARA“ zu zeigen. Ferner gab der Geschäftsführer der Monster Europe Ltd. Noel Lee, der sich selbst als „Chef-Monster“ bezeichnet, den Beginn einer Kooperation mit den Machern der italienischen Modemarke „DIESEL“ bekannt. Als erstes gemeinsames Produkt stellte er den neuen Kopfhörer „Diesel Vektr“ vor. Obendrein trat das „Gesicht“ der Funkausstellung „Miss IFA“ nunmehr im sportlichen Sakko und in schmaler Bundfaltenhose anstelle des bisherigen Kleides auf; der Grundstoff war ein roter Seidenstoff, welcher durch robustes Lachsleder ergänzt war. Der Stilwechsel ergab sich aus der Kooperation mit den Machern der jungen Berliner Marke „barre|noire“.
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