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Drache, Phoenix und Löwe

Barock, Rokoko, Klassizismus und Romantik in der Mode

Bandsalat – die Modenschau „SHIATZY CHEN“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 25. Mai 2017
Die Kunstgeschichte ist so reich an Stilen und Werken, daß sich Modeschöpfer gerne davon inspirieren lassen. Bei der chinesischen Modeschöpferin Shiatzy Chen waren es Rokoko, Klassizismus und Romantik, die als Inspirationsquelle dienten. Die fertige Prêt‑à‑porter-Kollektion für den Herbst und Winter 2017/2018 präsentierte sie am 7. März 2017 im Grand Palais in Paris.

Unter dem Motto „Celebration“ feierte Shiatzy Chen das kulturelle Erbe des Ostens und des Westens als ewige Quelle freudiger Modeschöpfung. Die Inspirationen reichten von der Architektur des achtzehnten Jahrhundertes, einer grandiosen Epoche kulturellen Fortschrittes, wo humanistische Philosophie und die Schönen Künste mehr denn je geblüht hatten, bis zu den Nebeln der asiatischen Mythologie. Mit bescheidener Dankbarkeit nahm Shiatzy Chen dieses kulturelle Erbe an, indem sie dessen klassische Essenzen zu einem prächtigen Herbstbilde verdichtete. Der asymmetrischen und verspielten Formen des Rokokos, das heißt der gewundenen, stellenweise rankenförmigen Linien, erinnerten die Kurven stilisierter Wolken, die sich als Luxus über kostbare Seidenstoffe kräuselten. Zusätzlich erschienen Drachen, Phönixe und Löwen scherzhaft als holde Glücksboten. An den Rokoko ließen ebenfalls die Sportplatzärmel, die Gold- und Silbertöne, die zarten Schleifen sowie das üppige Jacquardgewebe als äußerste Verfeinerung einer zeitgenössischen Ästhetik denken. Eine fortwährende Sehnsucht nach Klassizismus und Romantik offenbarte sich an Collagen zarter Spitzenbesätze und anmutiger, langer Röcke, worauf die Modernität wunderschöner Kapuzen und Füllungen als starker Kontrast traf. Gepflegte Hosenanzüge, Jacken, Mäntel und Overalls sowie Daunenelemente zeichneten sich daneben durch anspruchsvolle Konturen und exquisite Handwerkskunst aus. Die atemberaubenden Kleidungsstücke waren nach Shiatzy Chens Intention der Ausdruck eines einzigartigen schicken Stiles.

Der Barock beeinflußte hingegen die Modeschöpferin Anais Mak, die im Jahre 2012 die Marke „JOURDEN“ in Hong Kong gegründet hatte. Die entsprechende Kollektion zeigte sie im Palais de Tokyo in Paris. Für Anais Mak war anständiges Aussehen die zeitgemäße Art der Rebellion. Eine solch lockere Haltung bestand darin, daß die Bekleidungsregeln für eine klassische weibliche Aufmachung nicht gebrochen, sondern bloß umgedeutet wurden. Formelle Bekleidung mit altmodischen Elementen, auf Anais Maks disziplinierte Jugend zurückgehend, bildete die Grundlage der Silhouette als Markenzeichen. Eine Mischung handwerklicher und industrieller Techniken zur Schaffung einer Kleidung für alle Frauentypen und Lebensstile kam hinzu. Die Kollektion war voll von spaßigen Zusammenstellungen. Tüll mit wirbelnden Spitzenstickereien brachte einen schillernden Effekt auf weiße oder kobaltblaue Kleider und Röcke mit wuchtigen, wellenförmigen Rüschen. Zarte Spitzenbesätze verfolgten die Säume und Ausschnitte von Schlupfkleidern und Miniröcken in klassischen Tönen oder Juwelentönen. Psychedelisch wurde es bei gesteppten, mit einer metallischen Spitzenkrause gefestigten Mantelkleidern, Kleidern und Röcken in vorne und hinten geringfügig voneinander abweichenden Längen aus Stoffen mit fetten metallischen Paisleymustern. Andere Röcke waren hingegen an Front- und Rückseite gleichermaßen asymmetrisch.

Ein metallischer Schimmer belebte zusammen mit laminierter Spitze die horizontale Cordstruktur von Cocktailkleidern und Röcken. Die zu Mikroshorts oder kurz geschnittenen Hosen mit übergroßem Häkelspitzenbesatze zu tragenden Jeansjacken hatten eine schillernde Oberfläche. Schwarze oder weiße Nadelspitze (Guipure) ließ einfache Trenchcoats und geraffte Kleider funkeln. Was wie zerknitterter Taft aussah, war tatsächlich ein technischer Anorakstoff. Die Steifheit der doppelseitigen Gewebe gab den graublauen oder grünen Tanktops, Kleidern und kurzen Röcken mit Smokakzenten Halt. Der gleichen Technik verdankten lange Etuiröcke und Rüschenkleider aus weißer Baumwolle, manchmal mit mehrfarbigen Nieten oder Nähten verschönert, ihr strukturiertes Volumen. Strass-Steine würzten das Gingham-Motiv auf einem verzwirnten Hemdenstoffe, der in Bustier- oder Hemdkleidern mit Ärmeln, die an der Seite herunterhingen oder um die Schultern gewickelt waren, steckte. Die aufwendigen Strickstücke hatten fette Paisley-Motive. Die typischen graphischen Streifen tauchten in metallischen Kombinationen auf oder als transparenter Nautikstreifen auf klobigen Strickpulloverkleidern und Jumpsuits. Das Spiel mit der Transparenz sah so aus, daß ein Fischnetzstrickgarn Cardigans mit Polokragen und Rollkragenpullovern das gewisse Etwas gab. Das Fischnetzmotiv kehrte an den Strumpfschuhen wieder.

Hinter der Marke „PAUL&JAKOV MOSCOW“ stehen die Brüder Pjotr Poljakow und Jurij Poljakow, die auf eine Familientradition in der Kleidungsproduktion zurückblicken können. Die Wechselwirkung zwischen Natur und Menschheit faszinierte die beiden Moskauer Modeschöpfer. Die Inspiration zur neuen Kollektion kam konsequenterweise vom deutschen Maler und Naturinstallationskünstler Nils-Udo sowie vom britischen Bildhauer und Photographen Andy Goldsworthy als Vertreter der Land Art, die in ihren Werken Natur und Stadt gegenübergestellt hatten, wofür sie in der Umwelt gesammelte Gegenstände verwandt hatten; sie hatten es Kindern gleichgetan, die in Gärten und Wäldern unbestimmte, bunte Kompositionen aus Steinen und Blättern errichten. Für Pjotr Poljakow und Jurij Poljakow als Moskauer hatte die Stadt Moskau mit ihren ständigen Veränderungen selbstverständlich eine große Bedeutung. Daneben befaßten sie sich mit der ewigen russischen Frage nach der eigenen Identität. Bei der Kollektion, die vom 5. März 2017 bis zum 9. März 2017 in einem Appartement nahe dem Palais Royal zu sehen war, war auch das Militär ein Thema.

Ein strukturierter stahlblauer Mantel, ein gemusterter Militärmantel mit klobigen Taschen, Cargohosen aus dichter Wolle, mit Steinen gewaschene Parkas aus japanischer Rohbaumwolle samt metallischen Details und reflektierenden Streifen, Daunenjacken mit offener Armhöhle – ein Element der Militärkleidung der 1940er Jahre –, und gesteppte Röcke mit abnehmbaren Taschen. Wasserabweisende Drucke in schwarz-gelber Camouflageoptik traten hinzu. Der Fokus lag auf herausragenden Materialien und Techniken. Zum einen kamen goldener Cord, doppelseitige Kaschmirwolle, sehr weiche Neuseeland-Pukaki-Wolle und Waintakiwolle und Jacquardgestricke vor. Zum anderen gab es Laserschnitte bei Stoffen, Verdopplungssysteme bei Leder und Wolle, Säume durch Thermobänder, besondere Steppungen und raue Kanten. Verschleißfestigkeit war unentbehrlich. Farbkontraste bestimmten die Kollektion. Gedeckten Tönen wie Grasgrün, Moosgrün, blassem Laubgrün traten Orange und Stahlblau als plötzliche, grelle Neonakzente entgegen. Einfarbig waren jedoch blaue Pullover und schwarze T‑Shirts.

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