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Rive Droite – Rive Gauche

Die Mode und der Hedonismus

Das Grand Palais mit fremder Kulisse – Stätte der Modenschau „PASCAL MILLET“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 19. Mai 2017
Die ideale Frau für den Pariser Modeschöpfer Pascal Millet war die „Quintessenz“ einer Pariserin: intelligent, selbstsicher, sinnlich und verführerisch. Sie möge das Flanieren durch Straßen und Parks beiderseits der Seine am Tage und genieße das Ausgehen in Cafés, Bars und Clubs in der Nacht, wofür sie ihren eigenen Stil durchs Mischen von Klassikern und androgynen Stücken kreiere.

Die Kollektion für den Herbst und Winter 2017/2018, die Pascal Millet am 2. März 2017 im Grand Palais präsentierte, strahlte französische Eleganz mit einer modernen Note aus. Vollkommene Proportionen und Techniken brachten eine einfache, reine Silhouette hervor, wenngleich sie minder luftig war als in der letzten Saison. Ein grau getäfeltes, langärmeliges Kleid in A‑Linie mit asymmetrischem Ausschnitte war geradezu stromlinienförmig. Ein schwarzer Jumpsuit hatte einen kreuzweise verlaufenden Kragen. Ein dunkelgraues Kleid setzte sich aus einem Rüschenbustier und einem Faltenrocke zusammen. Ein rot-blaues, gemustertes Seidenkleid mit einem mittelbraunen, breiten Gürtel und eine dunkelbraune Jacke bildeten eine interessante Kombination. Übergroße Jacken und lange Mäntel waren mal schwarz, mal grau, wohingegen eine Bolerojacke aus Nerzfelle bunt war. Wolle sicherte die Struktur ab, während zarte Seide die Fließfähigkeit gewährleistete. Lurex und Silber ließen eher an die Hollywoodstars der 1980er Jahre denken. Stickereien an Kleidern und Jacken, sowohl tags als auch nachts tragbar, sorgten für eine jugendliche Erscheinung. Blumendrucke und Pelzeinsätze waren weitere Elemente der Ausschmückung. Militärgrün war ein Farbton, den Pascal Millet schätzte.

Der Pariser Modeschöpfer Jean-Claude Jitrois erweiterte unter dem Motto „La Factory de jitrois“ seinen klassischen Stil um die experimentelle, schrille und kühne Richtung der modernen Kreativszene. Abermals diente die hedonistische Periode der 1980er Jahre – damals fing sein kreativer Weg an – mit der verrückten, Aufmerksamkeit heischenden New Yorker Clubszene als Inspiration. Das Leder als Hauptmaterial und die klassischen Linien blieben, aber bestimmte Stilveränderungen führten zu mehr Sinnlichkeit. Das Modell „Ritz“ in Anlehnung ans frühere Modell „skin jean“ war eine Hose mit hoher Taille hinten und sich nach vorne hin vertiefenden Kurven, um die einzigartigen Körperkonturen der Trägerin zu betonen. Das Modell „Castel“ war ein gegürtetes Capekleid, wobei der Gürtel so breit wie in den 1980er Jahren war. Kristall- und Nietenapplikationen ermöglichten Kleidern und Jacken eine wellenartige Bewegung. Um die Bewegungen des Körpers hervorzuheben, wurde erneut die markentypische „Minoray“-Technik angewandt. Der markentypische Reißverschluß erhielt zur Aufwertung zarte metallische Stickereien, was die Illusion einer Symmetrie des Kleidungsstückes gebar.

Am 3. März 2017 stellte in einer Suite des Hotels „SAINT JAMES ALBANY“ die Modepräsentation in Form einer Installation Jean Claude Jitrois’ Art dar, sich dem berühmten Studio „The Factory“ des amerikanischen Pop Art-Künstlers Andy Warhol anzunähern. Dafür arbeitete er mit der auf Innenarchitektur und Möbelgestaltung spezialisierten Pariser Agentur „CORPVS“ zusammen. Minimalismus und Brutalismus lauteten die Vorgaben; unter Verwendung von Spiegeln trafen dann Mode, Film, Bild und Ton aufeinander. Diese Collage, von der französisch-amerikanischen Bildhauerin und Installationskünstlerin Louise Joséphine Bourgeois inspiriert, sollte die Besucher mit den vielen Schichten ihrer wahren Identität einbinden, um die Akzeptanz der Individualität und die Freigabe des inneren Selbst zu fördern. Da spielte mit, daß Jean-Claude Jitrois, seit dem Jahre 2012 Offizier des Nationalordens der Ehrenlegion, vor seiner Zeit als Modeschöpfer unter dem bürgerlichen Namen Jean Claude Coste als Psychologe tätig gewesen war.

Die neue Kollektion ihrer im Jahre 2010 gegründeten Marke „LA PRESTIC OUISTON“ zeigte die Pariser Modeschöpferin Laurence Mahéo zusammen mit dem Modeschöpfer Vincent Loiret als kreativem Partner am 2. März 2017 im Hôtel de Retz. Dafür stellten sie sich eine einzelne, freie Stadtbewohnerin mit einer Vorliebe fürs Wandern in der Natur vor. Unter dem Motto „UN HIVER SINGULIER“ erschien eine extravagante Kollektion, die gleichermaßen feminin und maskulin war. Um, schick gekleidet, durchs Feuer zu gehen, gab es das Modell „Carte du tendre“, ein Pomerolkleid aus Seidentwill, das mit einer Landkarte des fiktiven Landes Tendre aus dem Buche „Clélie“ der französischen Schriftstellerin Madeleine de Scudéry aus den Jahren 1654 bis 1661 bedruckt war. Das Modell „Tempête“ war ein Cape aus schottischer Mohairwolle mit Tartanmuster, um dem winterlichen Wetter zu trotzen. Das Modell „Tabi“ war ein fürs gemütliche Lesen und Träumen gedachter Rollkragenpullover mit japanisch beeinflußten Arabeskendrucken. Das Modell „Keaton“ war ein reichlich geknöpftes Hemd mit großem, weichem und sinnlichem Volumen, das leicht aufknöpfbar war. Das Modell „Charles“ war ein gestreifter, mit Seidenbändern versehener Herrentennisanzug aus fuchsroter Angorawolle der Marke „Jules Tournier“, wie ihn die amerikanische Schauspielerin Diane Keaton im Spielfilme „MANHATTAN“ aus dem Jahre 1979 getragen hatte. Das Modell „Armor“ war ein marineblauer oder schokoladenbrauner Pullover aus französischem Lammfelle, der über einer weiten Seglerhose zu tragen war, was an einen eleganten Seemann auf seiner schaukelnden Barkasse in bretonischen Gewässern denken ließ. Weitere erlesene Materialien für die weiche weibliche Haut waren Kaschmirwolle der Marke „Loro Piana“ und Harris-Tweed für ein robustes maskulines Aussehen.

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