MODE UND KULTUR

Zerlegen und Zusammensetzen

Kumpel für die Mode

Entspannung pur – das Mannequin Maria Rai vor der Modenschau „ΛTSUSHI NΛKΛSHIMΛ“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. Mai 2017
Modeschöpfer entfliehen gerne in Phantasiewelten. Für die Kollektion für den Herbst und Winter 2017/2018 stellte sich die Modeschöpferin Stefania Bandiera, die seit dem Jahre 2014 für die in Bologna beheimatete Marke „Les Copains“ tätig ist, eine Heldin vor, die Alice im Wunderlande und Dorothy in der Welt des Zauberers von Oz glich. Die Heldin bewegte sich zwischen einer verträumten Welt mit Sternenhimmel, niedlichen Tieren und Fabelwesen einerseits und Nachtclubs, wo sie ihre Phantasien auslebte, andererseits.

Stefania Bandiera spielte mit kontrastierenden Strukturen. Trotzdem ließ der gesprenkelte, graue Tweed die Kollektion eher bieder erscheinen. Mit markanten horizontalen Linien und Anleihen aus der Militärbekleidung setzte dann die Auflockerung ein. Ein hauchdünnes, schwarzes bauchfreies Oberteil schloß ein Bustierkleid ab. In Spinnennetzmanier verstrickte Mohairwolle machte ein Kleid federleicht. Ein cremeweißer, grob gerippter Pullover wurde mit einem fleischfarbenen, durchsichtigen und mit Sternen bestickten Tüllwickelrocke kombiniert. Überhaupt war die transparent verstrickte Mohairwolle in den Kleidern, Röcken und Schals das wesentliche Element der Kollektion, wobei den Nackteffekt schwere Cardigans und männlich anmutende Mäntel in Maxilänge abmilderten. Überdies tauchte ein scharlachroter, bodenlanger und mit übergroßen Rosen bedeckter Cardigan auf. Weitere Stickereien waren Schmetterlinge auf den Ärmeln eines übergroßen Satinparkas und ein Greif auf der Vorderseite eines schwarzen, sackartigen Pullovers aus Mohairwolle. An anderen Kleidungsstücken diente Spitzenbesatz zur Ausschmückung. Kamelbraun und Pflaumenblau waren weitere Töne in der behutsam und raffiniert zusammengestellten Farbpalette der am 23. Februar 2017 in der Mailänder Veranstaltungsstätte „ARÔME“ präsentierten Kollektion.

Im Garten der Kirche Sankt Ambrosius zeigte die Modeschöpferin Daniela Gregis aus Bergamo unter dem Motto „Dreirad, Zyklus, Recycling“, daß alles in Bewegung war, indem es zu spielen, zu arbeiten und zu helfen galt. Das Dreirad eines Kindes konnte ein anderer Mensch für seine Zwecke wiederverwenden; es ging um Leben und Verwandlung. „Drei Knöpfe, drei Räder, drei Farben“, lautete demnach die Formel für die Gestaltung der Kollektion. Ödnis wurde zum Faden, der Faden mündete in den Stoff und der Stoff diente als Füllung. Nachtblau, Himmelblau, Narzissengelb, Mohnrot und Steingrau bildeten die natürliche Farbpalette für ein rustikales Aussehen.

Die Maximen für die neue Kollektion des japanischen Modeschöpfers Atsushi Nakashima lauteten Dekonstruktion, Rekonstruktion und Veränderung des Eindruckes zur gleichen Zeit. Die Komposition veränderte sich von einer Szene zur nächsten Szene, wobei sie sich überlappten. Dem Zerlegen von Gegenständen und Zusammensetzen derselben zu einem Gegenstande stand das Zerlegen von Gegenständen und Zusammensetzen derselben in einer Kettenreaktion gegenüber. Dies traf beispielsweise auf Kimono und MA1‑Fliegerjacke, Trenchcoat und Blouson, einfache Jacke und Fliegerjacke sowie Shirt und Shirt zu. Manche Stücke bestanden aus Polstoffen; echt aussehender Kunstpelz, der aus der Faser „Kanecaron“ der Kaneka Corporation bestand, vereinte einen Effekt gegen Faserverlust sowie Punkt-, Schottenkaro- und Jacquardmuster. Die Schuhe waren mit der 3D‑Technologie entworfen und gedruckt worden. Für die strukturelle Topologieoptimierung und Formoptimierung war das EDV‑Programm „Hirameki Works“, auf einer Idee des generativen Dessins basierend und je nach Bedingung automatisch Blaupausen erzeugend, verwandt worden. Das stark rationale Dessin ging auf die Anwendung der Fused-Deposition-Modeling-Methode (FDM) beim 3D‑Drucke nach der Überprüfung mit Festigkeitstests durch Strukturanalyse zurück. Atsushi Nakashima stand noch in Verbindung mit der Onward Kashiyama CO., Ltd., bei der er den Preis „Onward Fashion Grand Prix“ gewonnen hatte. Da sie beide Visionen für die Zukunft teilten, lag es nahe, daß die Onward Kashiyama CO., Ltd. die Modenschau im Palazzo Reale finanziell unterstützte.

Im Schauraume „C Divertiamo“ stellte der Modeschöpfer Arvid Yuki seine neue Schuhkollektion vor. Er suchte und fand einen Triumph der Einfachheit über den Prunk. Für die Form galt die Methode der Dekonstruktion, während für die Farbe das Prinzip der Natürlichkeit galt. Nach dieser Maßgabe gelangten natürlicher Plüsch und zerkleinerter Samt auf offene Stiefeletten, Sneakers und Ballerinen. Kostbares Gold befand sich sowohl auf den Gummisohlen als auch auf den Oberteilen aus Leder. Als Farbe des Waldes begleitete Grün in jeglicher Schattierung fast immer das Gold, und zwar von sauren bis zu dunklen Tönen. Eine andere vorherrschende Farbe war Grau, das Töne wie die Kreidefarbe der Filzwolle ausglichen und gotische Metallapplikationen kostbarer machte. Pelz auf Pantoffeln für informelle Anlässe und Absatzstiefeletten stand für die Farbe des Holzes, von hellen bis zu sehr dunklen Brauntönen. Die Materialien waren geschmeidig; die Absatzhöhe war nie übertrieben. So sah nach Arvid Yukis Ansicht Komfort aus. Die Kollektion gliederte sich in zweien Hauptthemen. Das Thema „Geerdet“ entsprach dem Wunsche nach einfachen Dingen und nach einem Kontakte zur Natur. Unstrukturierte Elemente ergaben einen urbanen Stil. Faßbare Materialien wie Schurwolle, Tweed und Pelz in eher gesättigten Farbtönen als Nuancen des Herbstes ließen an natürliche Muster denken; Felle sollten sich wie Adern gefallener Blätter anfühlen. Das Thema „Nocturne“ war geprägt durch gotische Einflüsse und sprach durch seine dunklen Farben für sich selbst; Schwarz war der Protagonist. Die wichtigsten Materialien waren Damast und Leder. Das Dessin umfaßte Schuhe im Westernstile beziehungsweise „Camperos“-Stile mit sowohl hohen als auch niedrigen Absätzen und Stiefeletten mit Absätzen in einer Höhe von 9 cm für ein aggressiveres Aussehen.

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