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Noch ein Stein in der Mauer

Die Mode und die Pyrotechnik

Weitblick – das Mannequin Daniela Aciu vor der Modenschau „ZUHAIR MURAD“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 6. Februar 2017
Die 1980er Jahre werden wohl nie vergehen. Die eindrucksvollen und Aufsehen erregenden Hervorbringungen dieser Ära gehen einem nicht aus dem Sinne. Dies trifft beispielsweise auf die amerikanische Fernsehserie „DER DENVER-CLAN“ zu. Hatte sich die italienische Modeschöpferin Elisabetta Franchi davon zu ihrer Prêt‑à‑porter-Kollektion für den Frühling und Sommer 2017 inspirieren lassen, trat der Einfluß nunmehr beim Beiruter Modeschöpfer Zuhair Murad mit seiner Couturekollektion für die gleiche Saison zutage.

Dieser Umstand wirkte sich vor allem bei den Silhouetten aus. So gab es ausladende Röcke aus Duchessesatin mit riesigen Schleifen und Rüschen. Stickereien en masse, Tüllrüschen an Schulterpartien und schimmernde rote Kristalle kamen ebenfalls vor. Zur Verschönerung setzte Zuhair Murad Farben und Effekte gleichermaßen ein. Etliche Anregungen gingen aufs berühmte Wasserfeuerwerkfestival auf Miyajima beziehungsweise Itsukushima zurück. Feuerwerksmotive tauchten daher bei Drucken und Applikationen auf. Der Druck auf einem Kleide aus Duchessesatin mit breitem V‑Ausschnitte fiel als spritziges Feuerwerk ins Auge. Konfigurationen von Pfingstrosen und Chrysanthemen waren entweder auf ganzen Ballroben oder lediglich auf Kleidoberteilen vorhanden. Die Form der Fallschirmspringerhose bei einem Smokinganzuge und einem blauen, mit Perlen versehenen Overall ließ in der Bewegung kein Rauschen aufkommen. An einem roten Hüllenkleide hielten die Ärmel und Schlitze das Gleichgewicht. Ein solcher Glamour war für den Roten Teppich viel zu schade; auch eignete er sich nicht für einen Debütantenball. Vielmehr paßte er zu einem zeitgemäßen Hofballe. Die Modenschau am 25. Januar 2017 im Hôtel Potocki in Paris – Heimstatt sowohl der Handels- und Industriekammer von Paris als auch der Regionalen Handels- und Industriekammer Paris - Île‑de‑France – glich in jeglicher Hinsicht einem Feuerwerke. Während die Dessins und effektvolle Beleuchtung des Laufsteges als pyrotechnische Effekte fungierten, bildete die pointierte Melodie des Liedes „Another Brick in the Wall“ der britischen Rockband „Pink Floyd“ aus dem Jahre 1979 die passende Geräuschkulisse, indem es über den Köpfen der Mannequins und Gäste unentwegt rhythmisch knallte, und zwar so, als wären unzählige Hammerschläge nacheinander erfolgt. Immerhin kam die Veranstaltung im Sinne des Liedes ohne Gedankenkontrolle und Sarkasmus aus!

Nach der Premiere am 6. Juli 2016 präsentierte der Beiruter Modeschöpfer Ziad Nakad am 25. Januar 2017 seine zweite Couturekollektion im Hotel „WESTIN PARIS“. Unter dem Motto „Papillon de Paradis“ stellte er sich mit Liebe zum Detail einen wunderbaren Garten mit Blumen und Schmetterlingen als wichtigsten Bewohnern vor. Bei jeder Silhouette vereinten sich Tradition und Moderne, um ein Kleid wie einen funkelnden Sommerblumenstrauß aussehen zu lassen. Laserschnitte, dreidimensionale Formen und subtile Stickereieinsätze ließen an die äußerst feine Struktur von Schmetterlingen denken. Deren Metamorphose stellten verschiedene Schnitte dar, nämlich breit oder schmal, lang oder kurz, oder gar asymmetrisch für eine gewagte Note. Schmetterlinge schmückten als reliefartige Stickereien das fabelhafte Hochzeitskleid. Die Farbpalette umfaßte Pastelltöne wie Lachsrosa, Honiggelb, Himmelblau und glänzendes Grau. Gürtel auf verschiedenen Roben betonten die Taillen. Mit „SWAROVSKI“-Kristallen bestickte Schmuckstücke aus Bronze hatten die Gestalt von Schmetterlingen. Handtaschen ergänzten die Accessoires.

Die Athener Modeschöpferin Celia Kritharioti zeigte ihre Kollektion „Les Fleurs du Bien“ im Hotel „Ritz PARIS“. Für sie befand sich Paris in ewiger intellektueller Gärung. Sogar wer nicht da geboren worden sei, könne immer noch da geboren werden; Phantasie war also lebenswichtig. Die positive Energie in der Kollektion sollte Geist, Seele und Körper erfüllen. Spitze hatte blasse Farbtöne. Gelb erschien sonnig und festlich. Rosa deutete Herz und Liebe an. Azurblau war ein Symbol der Schöpfung und menschlichen Beziehungen. Weiß und Silber standen für Unschuld und Großzügigkeit. Schwarz verkörperte die dunkle Seite. Fransen richteten sich nach den Bewegungen des Körpers. Seidenorganza und Seidenkrepp, von Hand geschnitten, trafen auf Tüll. Zur Ausschmückung dienten frühlingshafte Baumwollspitze, außergewöhnliche Stickereien, Volants, aufwendige Soutachen und hauchdünne Federn. Blumenmuster herrschten allerdings vor. Mit Blumen bereicherte Tuche erreichten die „Blumengärten im Herzen“ der Menschen und kündigten so den „inneren Frühling“ an. „Ohne Herz wäre die Welt eine andere“, hatte Odysseas Alepoudelis alias Odysseas Elytis, griechischer Dichter aus Kreta und Literatur-Nobel-Preisträger des Jahres 1979, einst richtig erkannt.

Die neue Kollektion ihrer Marke „XUAN“ stellte die niederländisch-vietnamesische Modeschöpferin Xuan-Thu Nguyen in der Veranstaltungsstätte „atelier néerlandais“ vor. Es war ein Gang durch die verschiedenen Welten ihres Universums. Unter dem Stichworte „Implosion“ wurden die Kleidungsstücke wie in einer Studie plaziert, um subtile Details des Kleidungsstückes wie ein Blütenmuster in den Fokus zu rücken und neue Formen entstehen zu lassen. Beim Stichworte „Tropfen“ wechselten sich Wasser, Licht und Klang ab, um eine Atmosphäre erfrischender Melancholie zu schaffen. Beim Stichworte „Reflexion“ überlappten sich transparente Farben, Formen und Linien auf den Kleidungsstücken, um das Gesehene zu abstrahieren und eine zugrundeliegende innere Welt zu offenbaren. Jede Aufmachung war ein einzigartiger Ausdruck und eine emotionale Erzählung, die „aus dem Herzen des Modehauses“ kam. Stoffschichten in Hülle und Fülle flossen in einer unorganisierten Weise übereinander, um die Schönheit des Chaos zu zeigen. In aufwendigen Stickereien steckten diskrete Überraschungen. Übergroße Hüte und sperrige Gürtel zügelten die Romantik der zarten Rüschen. Für Xuan-Thu Nguyen wurde die Süße immer gezähmt; Vollkommenes ergab sich aus Unvollkommenem.

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