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Rebellisch und nüchtern

Mode aus Malaysia in Paris

Prinzip der Vereinfachung – die Modenschau „Guy Laroche“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 13. November 2016
Mode zu machen heißt entweder einen Trend aufzugreifen oder sich ihm entgegenzustellen. Während viele andere Modeschöpfer für den Frühling und Sommer 2017 die Taillen durch Tuchgürtel, insbesondere in der Gestalt eines Kimonogürtels, hervorhoben, setzte der Modeschöpfer Adam Andrascik für die neue Kollektion der Pariser Marke „Guy Laroche“ zur Formgebung auf dehnbare, die Kurven betonende Figuren sowie sichtbare Säume und Konturen; so ersetzten nur wenige Dinge den Gürtel, wie üblicherweise ein Trenchcoat.

Die fünfundzwanzigteilige Kollektion, die Adam Andrascik am 28. September 2016 im Palais de Tokyo präsentierte, war nüchtern und zugleich rebellisch. Sie zeichnete sich durch makellose utilitaristische Muster, eine Kohärenz bei Farben und Mustern sowie eine raffinierte extreme Kürze bei den Maßen aus. Für eine neue Version der 1990er Jahre experimentierte Adam Andrascik mit Stoffen und Texturen. Um die Körperkonturen und Kleidungssilhouetten zur Geltung zu bringen, konzentrierte er sich auf die Taille und die Beine. Ein Mikrorock aus einer großen, horizontal angeordneten einzigen Materialwelle und ein einfaches Top mit Spaghettiträgern, dessen Rückenteil eine dünne, vertikale Aufteilung hatte, welche die Haut an der richtigen Stelle berührte, bildeten ein mädchenhaftes Ensemble. Ein Mikrokleid zog die Blicke auf sich, und zwar nicht nur weil dessen untere Partie wie der erwähnte Mikrorock geformt war, sondern auch weil der Stoff besonders schimmerte.

Kombinationen aus ganz schwarzen Tanktops und Röcken, mal sehr kurz, mal wadenlang, nahmen den Silhouetten die Strenge, wie es ebenso metallische Muster taten. Die Röcke waren entweder tailliert oder teilweise offen, als ob sie unvollendet wären oder ein Teil lediglich hinge. Die Hosen waren groß geschnitten und gerade. Die Kollektion enthielt auch Trenchcoats, in Arbeitskleidung transformierte Couturekleider, durchsichtige Blusen und rund ausgeschnittene T-Shirts. Roben, die weder zu elegant noch zu urban waren, machten die Kollektion wieder etwas formeller. Bei vielen Kleidungsstücken verwandte Adam Andrascik sehr feine Strickmaterialien, die trotz ihrer Zartheit stark genug waren, die Falten an den Stücken zu unterstützen. Durchsichtige Plastikmaterialien erfüllten die Kollektion daneben mit einer ungewohnten Art Sinnlichkeit. Das schrullige metallische Aussehen ließ einige Stücke in einer Mischung aus Gesellschaftskleidung und „Streetstyle“ eher futuristisch erscheinen. Die Farbpalette umfaßte ferner Weiß, Gelb, Grün und Lohbraun.

In der Veranstaltungsstätte „ÉLÉPHANT PANAME“ stellten die kanadischen Modeschöpfer Kirk Pickersgill und Stephen Wong die neue Kollektion ihrer gemeinsamen Marke „greta constantine“ vor; nach einer Installation in der letzten Saison veranstalteten sie diesmal ein Salondefilee. Ein Kleidungsstück mußte nach Ansicht der beiden Modeschöpfer in jedem Augenblicke mit der Umgebung kommunizieren. Das Neutrale war nunmehr metallisch und verwirklichte sich im drapierten Kettenhemde, in einem lichtdurchlässigen Anzuge aus einer Seidenmelange, in den Zweite-Haut-Pailletten oder im gefärbten Leder. Bodysuits, Slips und sonstige Unterwäschestücke mit flüssigen, metallisierten Pailletten glänzten unter Seidentüllauflagen, welche die Form von Rüschen, Federbesätzen und voluminösen Ärmeldetails hatten und deren Blumigkeit einen Kontrapunkt zur sportlichen, stromlinienförmigen Kante der Stücke darunter setzte. Leder und Pelz waren die Materialien der scharf geschulterten Bomberjacken, die mit einer extremen Farbhäufung (Colourblocking) lässig über funkelnde Bandeaus und Bustiers fielen. Das Vermengen der Farbe, der Beschaffenheit und des Druckes bestätigte, daß sogar das Übermaß einer guten Sache großartig sein konnte. Entspanntes, gleichsam von Jungen geborgtes Ausgangsmaterial entwickelte sich zu einer schwarzen, reich strukturierten Cabanjacke sowie einer rosa-goldenen Collegejacke mit kontrastierender Riffelung und verdeckten Knöpfen, deren Sitz ultrafeminine Silhouetten erzeugte. Das kreative Duo engagierte übrigens nur kanadische Mannequins, um den „Live“-Charakter ihrer „kanadischen Invasion“ zu unterstreichen.


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