▌EN

Eine Besessene auf der Tanzfläche

Zurück zum modischen Pomp der 1980er Jahre

Mitnichten Schall und Rauch – die Modenschau „ELISABETTA FRANCHI“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 4. November 2016
Inspiration beziehen Modeschöpfer nicht nur aus der bildenden Kunst, Musik, Literatur, Filmkunst und Technik sowie der Mode anderer, sondern auch aus der Welt der Unterhaltung. Die Modeschöpferin Elisabetta Franchi aus Granarolo dell’Emilia nahe Bologna stellte sich für ihre Kollektion für den Frühling und Sommer 2017, von den Werken des deutsch-australischen Photographen Helmut Newton fasziniert, eine luxuriöse Atmosphäre in den Vereinigten Staaten von Amerika in den 1980er Jahren wie bei den weltbekannten Fernsehserien „DALLAS“ und „DER DENVER-CLAN“ vor.

Elisabetta Franchis Vorstellung entsprach das Idealbild einer selbstsicheren, sinnlichen und waghalsigen Frau, die sich wie eine wahre Diva gerne und gekonnt in Szene setzt. So entwarf die Modeschöpferin eine Kollektion für einen persönlichen Stil, provokant und auffällig nach dem Motto „dress to impress“, der folgerichtig opulente und aufwendige Kleider mit Detailreichtum und übermäßigen Formen bedeutete. Die Kollektion, die sie dann am 23. September 2016 in einem Zelte auf dem Gelände der Militärschule Teuliè in Mailand präsentierte, bestand aus leuchtenden Stücken im Stile des Hollywood-Glamours, die dem weiblichen Körper vornehmlich mit tiefen Ausschnitten schmeichelten. Ein verführerischer „Nude-Effekt“ ergab sich aus transparenten Elementen bei bestickten, asymmetrischen langen Kleidern. Fließende und gleitende Linien bildeten zudem einen Kontrast zu den skulpturalen und übermäßig strukturellen Elementen. Rüschen betonten außerdem Schultern und Ärmel, während Volants neben Asymmetrien den Ausschnitt formten. Für eine betont weibliche Figur sorgten auch sexy Meerjungfrauenröcke, Bodysuits und eng anliegende, knappe Tops, wohingegen gut plazierte Schlitze an den sehr weiten Palazzo- und Schlaghosen mit hoher Taille eine überaus ansehnliche Beinfreiheit gewährleisteten.

Eine Rückkehr erlebten nebenher die für Elisabetta Franchi typischen Tierdrucke. Darüber hinaus verzierten Details aus Lamé und funkelnde Pailletten Cardigans und Jacken in Maxilänge, während Fransen die Kleidungsstücke und Accessoires sozusagen in Bewegung setzten. Elisabetta Franchi belebte den Geist der 1980er Jahre in einer rockig-poppigen Version vor allem dadurch wieder, daß sie auf Netzteile, zerrissenen Denim und die durch den Musikvideofilm „like a virgin“ der amerikanischen Sängerin Madonna aus dem Jahre 1984 kultig gewordenen Accessoires setzte. Neben frischen und mutigen Tönen wie Aquamarinblau, Elfenbeinweiß und Gold gehörte das für die Modemarke typische Schwarz ebenso in die Kollektion wie Lackrot und Fleischfarbe (Nude). Besondere Absätze an den zeitlosen Pumps aus Lackleder wie bei Helmut Newton und extrem hohe Sandalen zur Hervorhebung der Sinnlichkeit des nackten Fußes waren für die Wiederkehr des Pomps der 1980er Jahre genauso wichtig wie ein übertriebener Juwelenbehang. Gewagte Gürtel mit goldenen Ketten und Strass-Applikationen stellten noch die Taille heraus. Zur Abrundung gaben die henkellosen Handtaschen (Clutch Bags) aus Lamé die Farben und Details der Kleidungsstücke wieder. Zu guter Letzt paßte die Musikauswahl für die Modenschau zum Kollektionsthema; das für den Spielfilm „Flashdance“ gemachte Lied „Maniac“ des amerikanischen Komponisten und Sängers Michael Sembello aus dem Jahre 1983 drückte die euphorische Stimmung der guten alten Zeit am besten aus.

Mit der neuen Kollektion der italienischen Marke „ANTEPRIMA“ fing die aus Tokio stammende Modeschöpferin Izumi Ogino den rebellischen Geist der 1950er Jahre in London ein. Unter dem Motto „AGAINST FRAGILITY“, also gegen die Zerbrechlichkeit, zeigte sie am 22. September 2016 in der Veranstaltungsstätte „Spazio Riva“ beziehungsweise „Spazio Savona 56“ als erstes Stück ein schwarzes fließendes Kleid mit weißer Paspelierung unter einer schwarzen, mit blauen Tupfen bedruckten Bomberjacke aus Leder. Das feine „Polka dot“-Muster hier erschien in grober Version wieder auf einem schwarzen, sportlichen Strickkleide wie auch auf einem Cardiganmantel. Schlanke, geriffelte Röcke oder kreisrund im Stile der 1950er Jahre geschnittene Röcke waren oft gepaart mit lang gestreckten Poloshirts oder Collegejacken und Pullovern, welche mit dem Buchstaben „A“ versehen waren; dieser Buchstabe stand laut Erläuterung zur Modenschau für ein starkes, niemals schwaches Alpha-Weibchen.

Elegante lange Kleider, verführerische Röcke mit Schlitzen, Nachtkleider (Slipdresses) und aufgerollte Hosen waren weitere Stücke der Kollektion. Manchmal wurden zusätzlich Halstücher oder Halsbänder getragen. Materialien waren auch Seide, Baumwolle und PVC. Grobe und, Streifen und Blumendrucke ermöglichten eine optische Bereicherung. Die Farbpalette umfaßte Weiß, Schwarz, Blau, Grün, Gelb und Rosa. Pumps und oben geschnürte Ballettschuhe bildeten das Schuhwerk. Bei den Accessoires fanden sich Einkaufstaschen, Schultertaschen mit Schriftzügen und henkellose Handtaschen (Clutch Bags) sowie silberne Reifenohrringe. Die extreme Kurzhaarfrisur des Mannequins Kris Gottschalk und die Haartollen der übrigen Mannequins unterstrichen die Attitüde einer rüden Weibsperson im Sinne der berühmt-berüchtigten Londoner Teddy Girls. Die Kollektion richtete sich alles in allem weniger an die gut situierte, reife Frau, sondern mehr an die verstohlene Anführerin einer Mädelbande.


Weitere Bilder



█ INHALTSVERZEICHNIS █ ARCHIV █ KALENDER █ IMPRESSUM