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Textile Poesie

Mode aus Korea in Paris

Zeit fürs Posieren – das Mannequin Jada Joyce vor der Modenschau „DANY ATRACHE COUTURE“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. August 2016
Die Präsenz in der Pariser Couturewoche und der Einfluß auf die Couture sind bei den Modeschöpfern aus dem Libanon immer noch groß. Der Dominanz des Nahen Ostens erwächst allerdings Konkurrenz aus dem Fernen Osten. Es kommen kreative Leute nicht nur aus China, sondern auch aus Korea nach Paris.

Der libanesische Modeschöpfer Tony Ward präsentierte seine Kollektion für den Frühling und Sommer 2017 im Festsaale der Bürgermeisterei des 4. Arrondissements. Mit einer Inspiration von der wilden Schönheit eines majestätischen Vogels dachte er an eine rebellische, reine Frau, deren Doppelseitigkeit in ihrer ganzen Pracht erschien. Opulenz und Zartheit, beispielsweise in Gestalt einer Feder, zeichneten die an Kontrasten reiche Kollektion „Envol“ aus. Geschmeidige und starre Volumen störten einander nicht. Neigungen waren überaus präsent in einer glänzenden Umgebung, wo unterschiedliche Federn – natürlich, gestickt oder aus Stoffen geschnitten – Kleider schmückten. Bis zum Boden oder Knöchel reichten die Abendroben ohne Ärmel oder mit Ärmeln, wohingegen die Cocktailkleider, und zwar einmal ohne Ärmel, einmal mit Ärmeln, und die Röcke der Ensembles knapp über dem Kniee endeten. Röcke aus dichten Stoffen hatten eine gewissenhaft handgemachte, flatterhafte Stickerei. Zur Verzierung dienten manchmal „SWAROVSKI“-Steine. Eine neugierig machende Materialmischung erhielt interessante Nuancen durch reichhaltige Formen. Königsblau, Smaragdgrün, Safrangelb, Krapprot, Silbergrau und Schwarz ergaben eine lebhafte Farbpalette, die zusammen mit leichten, reichen Stoffen eine exotische Traumwelt schuf.

Der Modeschöpfer Dany Atrache aus Beirut zeigte seine neue Kollektion im Laden „cofradmannequins“. Er stellte sich eine von komplexen kulturellen Fragen befreite und ihre magnetische Kraft ausübende Frau vor, ausgesprochen männlich, sportlich und sexy, aber auch elegant; solche Frauen liebte er. Unter dem Motto „FEMMES D’AUJOURD’HUI … JE VOUS AIMES” sollten sie sich darauf einlassen, dazu verführt zu werden, in den von ihr geschätzten Kleidungsstücken hübsch zu kokettieren. Neben metallischen Materialien standen dafür feine Stoffe wie Duchesseseide, Seidenorganza und Spitze in Schwarz, Weiß, Gold, Silber, Olivgrün, Himmelblau oder Lavendelfarbe mit dreidimensionalen Blumenmustern zur Verfügung. Ein bißchen abenteuerliche Liebe garantierten Leder und Chiffon in dunklen Tönen als Hautkontrast gleich einer Tätowierung, was so wirkte, als wäre die Trägerin bereit, männlich-hart und kraftvoll ein Motorrad zu besteigen.

Nach dem Studium an der Sungshin Frauenuniversität eröffnete die Modeschöpferin Lee Young Hee im Jahre 1976 die Boutique „Lee Young Hee Koreanische Kleidung“. Im Jahre 1993 war sie die erste koreanische Modeschöpferin, die an einer Modenschau in Paris im Rahmen der Prêt-à-porter-Woche teilnahm, woran sich die Eröffnung einer Boutique für Hanboks im Jahre 1994 anschloß. In dem Bestreben, die koreanische Kultur in der Welt zu verbreiten, eröffnete sie im Jahre 2004 das Lee Young Hee Korea Museum in New York-Manhattan. Ihre erste Couturekollektion stellte sie dann im Jahre 2010 in Paris vor. Ihre neue, am 4. Juli 2016 im Koreanischen Kulturzentrum gezeigte Kollektion zeichnete sich durch ein einzigartiges koreanisches Dessin sowie durch eine geschickte Verknüpfung asiatischer Tradition und Funktionalität aus. Der Hanbok als traditionelles koreanisches Kostüm erschien nunmehr in einer modernisierten, internationalisierten Version, ohne an Authentizität zu verlieren und ohne den Respekt vor der eigenen kulturellen Überlieferung vermissen zu lassen. Mit den natürlichen Materialien entstand ein poetisches und delikates Bild. Die am 7. Juli 2016 folgende Ausstellung „Die Hanboks von Lee Young Hee“ war eine Retrospektive ihres bisherigen Schaffens.


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