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Mode in Berlin – fünfter Teil

Die zweite Hälfte des Jahres 2010 in der Retrospektive

Bandagierte Puppe – eine Kulisse der Modenschau „Larissa Katz“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen und Christiane Leonhardt — 1. Juli 2016
Sein und Schein – dieses Begriffspaar steht für den Unterschied zwischen Realität und Fiktion in der Modewelt, was im Jahre 2010 sogar Gegenstand eines Rechtsstreites in der Medienlandschaft war.

Bei der vorwiegend bei jungen Fernsehzuschauern beliebten Sendung „GERMANY’S NEXT topmodel by Heidi Klum“ stellt sich stets aufs Neue die Frage, ob in den Beiträgen die Modeszene so wiedergegeben wird, wie sie wirklich ist. In der Ausgabe der Zeitung „Bild am Sonntag“ vom 6. Juni 2010 wurde den Machern unter der Überschrift „Verkauft uns Heidi Klum für dumm?“ vorgeworfen, die Zuschauer getäuscht zu haben, indem zu lesen war: „Bei ‚Germany's next Topmodel‘ erweckt Heidi Klum den Eindruck, ihre Models liefen bei den tollsten internationalen Schauen mit. Die Wahrheit: Die meisten Szenen wurden nachgestellt … Die Kandidatinnen laufen in der zweiten Folge dieser Staffel bei der Modenschau von Designerin Anja Gockel (41) auf der Fashion Week in Berlin. … Doch bei der Show am 21. Januar waren weder Heidi Klum noch ihre Kandidatinnen zu sehen. … Für die ‚GNTM‘-Sendung soll zwei Tage später eine Variante aufgezeichnet worden sein.“

Der schöne Schein – prozessualer Auftakt zur Berliner Modewoche
Dagegen wollte sich die ProSieben Television GmbH mit der Veröffentlichung einer Gegendarstellung wehren, in der es heißen sollte: „Anja Gockel präsentierte ihre Kollektion in Berlin in drei aufeinanderfolgenden Shows. Bei der Modenschau am 26. Januar 2010 präsentierten die Kandidatinnen die Kollektion von Anja Gockel. Weder diese Schau noch andere wurden für die Sendung arrangiert.“ Das Landgericht Berlin entschied nun zu Lasten der Axel Springer AG. Freilich ist die im Gerichtsverfahren bedeutsame Rechtsfrage des Bestehens eines Gegendarstellungsanspruches aus der Perspektive der Fernsehzuschauer kaum von Bedeutung. Für sie steht nämlich längst eines fest: die Modenschau am 26. Januar 2010 wurde in der Sendung am 11. März 2010 ausdrücklich mit den Worten „Fashion Week Berlin“ angekündigt, was insoweit eine falsche Angabe war, als die Modewoche bereits am 24. Januar 2010 geendet hatte. Zumindest in dieser Hinsicht durften sich die Zuschauer an der Nase herum geführt fühlen. Viel ergreifender als ein Gerichtsverfahren oder eine Fernsehsendung ist es allerdings, die glitzernde Modewelt leibhaftig zu erleben, wozu die Veranstaltungen der aktuellen Berliner Modewoche, die am 6. Juli 2010 begann, ausreichend Gelegenheit boten.

Den Veranstaltungsreigen eröffnete die Modeschule „ESMOD“ mit der Modenschau „Capturing moves“. Das Haus der Kulturen der Welt war der Ort, wo die diesjährigen Absolventen ihre Abschlußkollektionen zeigten. Das Schaukonzept visualisierte nach eigenen Angaben der Modeschule die Komplexität soziokultureller Trends und ihren Einfluß auf die Erziehung. Vielleicht war dieses „Korsett“ zu eng geschnürt, denn die gezeigten Stücke schienen eine Handschrift erkennen zu lassen. Beispielsweise dominierte die Farbe Schwarz; daneben tauchten Leggings vermehrt auf. Für Abwechslung sorgten immerhin Tänzer und Akrobaten, die in der Art der Darsteller des Musicals „Starlight Express“ gepanzert waren. Die frühere Absolventin Selma Berisalic, Preisträgerin des Wettbewerbes „createurope: THE FASHION ACADEMY AWARD“ im Jahre 2008, fand zu ihren Wurzeln zurück, indem sie bei ihrer ehemaligen Modeschule nach den diesjährigen Absolventen ihre neue Kollektion „Selma Starfinger“ vorstellen konnte.Grenzen des Wachstums scheint es für die Modebranche nicht zu geben. Zu den vornehmlich von Laufstegschauen geprägten Veranstaltungsreihen „Mercedes-Benz FASHIONWEEK BERLIN“ und „SHOWFLOOR BERLIN“ trat jetzt als dritte Einrichtung die Reihe „Black Box Theater“ hinzu. Auf die kommenden Veranstaltungen darf man gespannt sein.

Eine Chance für den Nachwuchs
Die Vergabe von Preisen ist ein probates Mittel, um den Nachwuchs unter den Modeschöpfern zu fördern. Auf vielen Veranstaltungen der Berliner Modewoche machten junge Modeschöpfer auf sich aufmerksam. Nachdem die Berliner Modewoche mit der Absolventenmodenschau der Modeschule „ESMOD“ am 6. Juli 2010 begonnen hatte, zog die MEDIADESIGN HOCHSCHULE FÜR DESIGN UND INFORMATIK GMBH mit ihrer Modenschau „MD.H CATWALK 2010“ am 8. Juli 2010 im Club „WMF“ nach. Die Modenschauen der Hochschulen und Modeschulen waren auch denjenigen zugänglich, die nicht zum Fachpublikum oder zur Presse gehören. Noch am gleichen Tage eröffneten die Modeschöpfer Marlene Scheffel und Iskander Porodjuk mit der aktuellen Kollektion „parfum du soleil“ ihrer Marke „LUXXUS FASHION“ die Modenschau „RAMAZZOTTI Runway AWARD“ im Modezentrum „Labels 2“, da sie aus der gleichnamigen Veranstaltung in der letzten Berliner Modewoche als Sieger hervorgegangen waren. Danach warben sechs „aufstrebende Stars am Modehimmel“ um die Gunst der Jury, deren Vorsitzende die Fernsehmoderatorin und Schauspielerin Caroline Beil war. Ein Juryplatz blieb jedoch leer, denn die „Modebloggerin“ Jessica Weiß, die für das Magazin „LesMads.de“ schreibt, erschien nicht, wofür die Moderatorin Annemarie Warnkross bei der Vorstellung der Jurymitglieder keine Gründe angeben konnte. Dieses Verhalten der „Modebloggerin“ zeigte einmal mehr, wie wenig solchen „journalistischen“ Amateuren in der Sache zu trauen ist: sie versprechen viel und halten wenig. Zur Freude der Anwesenden ging der Preis diesmal an Juliane Werdin aus Berlin.

Am 9. Juli 2010 suchte der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit das Veranstaltungszelt neben der Staatsoper Unter den Linden auf, um sich die Modenschau „DESIGNER for TOMORROW“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz FASHIONWEEK BERLIN spring/summer 2011“ anzuschauen. Dort zeigten acht von der Peek&Cloppenburg KG Düsseldorf ausgewählte Modeschöpfer ihre Kollektion. Die Jury kürte den in Berlin arbeitenden Parsival Cserer mit seiner Kollektion „Good morning Miss Obama“ zum Sieger. Doch blieb der Kunstgenuß nicht auf das Fachpublikum beschränkt. Alle Interessierten konnten die Modenschau „online“ mitverfolgen und durch eine „Online“-Wahl ihren eigenen Kandidaten auszeichnen; es traf die Berlinerin Cora Isabel David mit ihrer Kollektion „For safety reasons“. Nebenbei war eines erstaunlich: beide Sieger studierten an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Nachher stand eine weitere Preisvergabe auf der Modenschau „Start your Fashion Business“ im Club „WMF“ an. Zu dieser neuen Initiative der Standortförderung des Landes Berlin unter dem Motto „projektzukunft“ hieß es: „Berlin hat aufgrund seiner Dichte an Modeschulen ein enormes Potential an Designnachwuchs und Talenten. Die Qualität der Kollektionen der Absolventen/Absolventinnen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen … Mit den Auszeichnungen und Preisgeld wollen wir drei talentierten und in Berlin ansässigen Modedesignern/-designerinnen den Start in die Selbständigkeit … erleichtern und dazu beitragen, dass wir Talente in Berlin halten und die Infrastruktur am Standort verdichten.“ Sechs Finalisten, die aus über einhundert Bewerben ausgewählt worden waren, zeigten ihre Kollektion. Den ersten Platz wies die Jury dem in Berlin arbeitenden Michael Sontag zu, dessen vorletzte Kollektion schon von der international bekannten Modekritikerin Suzy Menkes in der Zeitung „INTERNATIONAL Herald Tribune” gelobt worden war. Den zweiten Platz belegten Johanna Perret und Tutia Schaad mit ihrer Marke „PERRET SCHAAD“. Den dritten Platz erreichte Vladimir Karaleev. Sie durften sich auf ein Preisgeld in Höhe von 10.000,00 EUR bis 25.000,00 EUR wie auch Sachleistungen, beispielsweise Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit sowie Teilnahme bei Messen und renommierten Modenschauen, freuen. Weitere zehn Kandidaten werden die Gelegenheit erhalten, an unentgeltlichen „Workshops“ zur Unternehmensgründung, zu Rechtsfragen und zur Öffentlichkeitsarbeit teilzunehmen. Indessen machte angesichts der vielen Berliner Sieger bei Hintergrundgesprächen das Wort „Berlin Connection“ die Runde.

Junge Modeschöpfer erobern die Berliner Modewoche
Darauf folgte die Modenschau der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Der große Konferenzsaal des Hauses der Kulturen der Welt war die Bühne, wo die Absolventen mit ihren eigenwilligen Kreationen hervorstachen. Daneben war den Kollektionen der Studenten des Grund- und Hauptstudiums anzusehen, welches kreative Potential dort bereits in den Startlöchern steckt. Beispielsweise wurde das Thema „Uniform“ in eine Stellungnahme gegen jeglichen Krieg umgesetzt, indem den Kleidungsstücken – grauer Flanell herrschte vor – durch Übertreibungen in die Längs- und Querrichtung die militärische Strenge auf ironische Weise genommen wurde; sie ließen vielmehr an futuristische Bühnendekorationen denken. Beim Thema „Großtante Gabi“ war ebenso eine Übertreibung sichtbar. So war die aktuelle einseitige, asymmetrische Trägermode an Kleidern durch eine nochmalige Überdrehung verstärkt; es fehlte sogar ein halbes Schulterteil, wobei der Kragen noch ganz konventionell um den Hals gelegt war. Beim Thema „Gegenspieler“ waren Drei- und Vierecke bunt in knalligen Farben kombiniert. Diese Geometrie wurde unterstrichen von der Choreographie, bei der die Modelle von links und rechts aufeinander zuliefen, um sich in der Mitte des Laufsteges zu treffen und dann ihren Weg zum jeweils anderen Ende fortzusetzen. Das Thema „Freie Formfindung“ hatte zu einer Beschäftigung mit Antagonismen in der Mode geführt. So wurden Gestricktes und Gehäkeltes, Eleganz und Praktikabilität, Sommer und Winter, Folklore und Phantasie, „hohe Hacke“ und Barfüßigkeit gegenübergestellt. Übrigens war auch hier Parsival Cserer mit seiner aktuellen Kollektion vertreten.

Der Tag endete mit der Modenschau der Universität der Künste Berlin, die ebenfalls den Laufsteg im Club „WMF“ nutzte, um ihren Absolventen und Studenten eine Spielwiese zum kreativen Austoben zu geben. Besonders fiel der Kopfputz in Gestalt eines Schwanes, Hahnenkammes oder riesigen Hammers auf. Eine unangenehme Begleiterscheinung war die Folge der hohen Außentemperaturen. Dem Betongebäude fehlte eine Klimaanlage, weshalb die Räumlichkeiten äußerst schnell die Hitze eines Treibhauses annahmen. Hier mußten sich die Zuschauer, Journalisten und Photographen einer harten Prüfung unterziehen; ihnen lief der Schweiß regelrecht am Körper herunter. Dies tat der Begeisterung über die Kunstwerke jedoch keinen Abbruch. Womöglich brauchen die jungen Pflanzen in der Modewelt die Hitze, um prächtig zu gedeihen. Am 10. Juli 2010 beendete die Modenschau der Marke „30 paar haende“ den Veranstaltungsreigen. Bei dieser Marke handelt es sich um ein interdisziplinäres Studienprojekt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; Studenten aus den Fachgebieten Gestaltung, Technik und Wirtschaft haben die Möglichkeit in Form eines Übungsunternehmens, eine Kollektion von der Idee bis zur Vermarktung zu begleiten. Unter der Leitung des Hochschullehrers Prof. Uwe Janssen war wieder eine an praktischen Bedürfnissen ausgerichtete, tragbare Kollektion in dezenten Farben entworfen worden.

Mode geht durch den Magen
Die Veranstaltungen der Berliner Modewoche waren nicht nur etwas für die Augen, sondern auch andere Sinne wurden einbezogen. Der ehemalige Flughafen Berlin-Tempelhof machte als Ort der Fachmesse „BREAD & BUTTER PREMIER LEAGUE“ für Straßen- und Sportkleidung deutlich, wie eng optische und kulinarische Genüsse beieinander liegen können. Der Umfang des „Catering“-Bereiches stand den Ausmaßen der Messestände in nichts nach. Doch weitaus mehr als der Messebetrieb zogen die Modenschauen in der Mitte Berlins das Fachpublikum und die Presseleute in den Bann. Für die Modenschauen hatten sich die Modeschöpfer und deren Choreographen mächtig ins Zeug gelegt, um dem Publikum und den Kameraleuten einiges zu bieten. Die Kollektionen, das Ambiente des Laufsteges, die musikalischen Einspielungen und teilweise auch die Choreographien waren in einigen Fällen, auf ein Gesamtkunstwerk zusteuernd, aufeinander abgestimmt.

Beispielsweise liefen die Modelle auf der Modenschau der österreichischen Modeschöpferin Lena Hoschek über einen in Schwarz und Weiß geschachten Laufsteg, was die Wirkung der farbenfrohen Kleider im Stile der 1950er Jahre hervorhob; so wurde jedes Modell gleichsam zu einer begehrten, kostbaren Dame: gardez!. Bei anderen Gelegenheiten stimmten einen Lieder der Musikgruppen „KRAFTWERK“, „ROXY MUSIC“ und „BLONDIE“ auf das Lebensgefühl der späten 1970er und frühen 1980er Jahre ein. Konsequenterweise trug einer der Gäste ein T-Shirt mit einer Abbildung der Frontsängerin Deborah Harry und der Aufschrift „BLONDIE“. Ein „Crossover“ war auf einer Modenschau mit der Sopranistin Nadja Michael zu erleben. Der Gesamteindruck wurde dennoch beeinträchtigt, denn es war erneut ein Defizit beim Laufen der Modelle festzustellen. Die Modelle wählten ihren Haltepunkt vor der Medientribüne am Ende des Laufsteges scheinbar willkürlich und ohne System aus; manchmal trauten sich einige Angsthasen sogar nur bis zur Hälfte des Laufsteges. Überdies war angesichts des lustlosen Herumlaufens die Kunst des klassischen Posierens nahezu abhanden gekommen. An dieser Stelle herrscht noch viel Verbesserungsbedarf.

Berliner Modewoche – ein Feuerwerk für die Sinne
Der Münchener Modeschöpfer Marcel Ostertag präsentierte seinen Gästen mit seiner neuen Kollektion unter dem Motto „I love to hate you“ eine von Widersprüchen geprägte Welt. Insofern schufen pulsierende Farben, die von schwarzen Linien durchbrochen wurden, einen Rahmen, den man „nur lieben oder hassen kann“. Plissierter Chiffon vereinte sich mit Streifen geschnittener Seide und weicher Baumwolle; für den Kontrast sorgten schwarze Baumwollbänder. Diesmal lag der Schwerpunkt auf Etuikleidern; daneben waren kurze Falten-Hängerchen sowie Cocktailkleider und Abendroben zu sehen. Die neue Kollektion der Marke „.DIMITRI“ war geprägt von graphischen Schnitten und strengen geometrischen Formen in Anlehnung an die Mode der 1980er Jahre. Doch auch die 1970er Jahre wollte der italienische Modeschöpfer Dimitri Panagiotopoulos mit griechischen Wurzeln nicht außen vor lassen, was an den luftigen, fließenden Seidenchiffonkleidern zu erkennen war. Zu leuchtenden Farben traten antike orientale Stickereien. Leitgedanke der Berliner Modeschöpferin Frida Weyer für ihre neue Kollektion „LA CHASSE AUX PAPILLONS“ waren die Eigenschaften „mondän, unwiderstehlich und feminin“. Die Farbpalette für die Cocktail- und Abendkleider reichte von Goldtönen über Bronzetöne bis zu sanften Grautönen, die in Kontrast zu Schwarz und Weiß gesetzt waren; ein besonderer Blickfang war das Zitronenfaltergelb in Anspielung auf die flatterhaften Schmetterlinge.

Im Zentrum der neuen Kollektion „SEEN NATURE“ der Marke „arrondissement Aq1“ stand die Natur. Die Münchener Modeschöpferin Christina Arend setzte mit organischen Formen und fließenden Linien den „Kreislauf des Lebens“ um; dabei drehte sich alles um den Mikrokosmos in Abgrenzung zum Makrokosmos der vorherigen Kollektion. Bei den Stoffen waren fließender Jersey, Seide und leichte weiche Baumwolle vorhanden. Helle leise Töne wie Pastell, Nude und Taube dominierten neben kräftigen Tönen wie Rost und Dunkelblau. Die neue Kollektion der Marke „custo BARCELONA“ ließ sich mit den Worten „positive Energie, Frische und Lebendigkeit“ zusammenfassen. Neben den bekannten T-Shirts waren auch Röcke, Kleider, Blusen, Hosen und Mäntel zu sehen. Für die für den Tag gedachte Linie „CUSTO EVERYDAY“ setzte der spanische Modeschöpfer Custo Dalmau auf Leinen, Trikot, Guipure, Viskose und vor allem Denim. Bei der für den Abend bestimmten Linie „LOWXURY“ („LOW“ und „LUXURY“) kamen fließende Chiffons und Seidensatin mit wilden Farbmustern vor. Die Linie „CUSTO LET’S PARTY“ für besondere Anlässe zeichnete sich durch Schulterpolster, großzügige Ausschnitte, knielange Teile und asymmetrische Stücke aus; auch der „Oversized-Look“ war zu finden.

Was kostet einer für die Nacht?
Die auf den Modenschauen der Berliner Modewoche gezeigten Kollektionen führten teils zu Begeisterung, teils zu Langeweile beim Publikum. Für seine Modenschauen läßt sich der Münchener Patrick Mohr, der Exzentriker unter den Modeschöpfern, immer etwas Originelles einfallen. Nach den muskulösen Typen als Sinnbilder beziehungsweise Produkte des Körperkultes im Januar 2010, schickte er diesmal Modelle mit Masken über den Laufsteg. So waren alle Modelle, gleichviel ob weiblich oder männlich, als Glatzen- und Bartträger vereint. Erneut negierten die strengen architektonischen Schnitte seiner Kollektion – das gleichseitige Dreieck für das T-Shirt und das Quadrat für die Jeans – den Unterschied zwischen den Geschlechtern; seine Kleidung ist daher prinzipiell „unisex“. Die Berliner Modeschöpfer Kai Seifried und Katja Schlegel griffen für die Modenschau ihrer Marke „starstyling“ das Konzept einer Modenschau in der letzten Berliner Modewoche auf und schickten ein männliches Modell mit einer Beinprothese über den Laufsteg. Das Motto der neuen Kollektion „ANTI AVANTI“ war unter anderem auf Taschen zu lesen.

Hinter der Marke „BLAAK“ stehen seit dem Jahre 1998 die Modeschöpfer Aaron Scharif und Sachiko Okada, die beide in London studiert hatten. Die gezeigte Hosenkollektion spaltete jedoch die Anwesenden. Zum einen rief aus lauter Langeweile ein italienischer Photograph ins Publikum: „That’s why we have Paris Fashion Week!“ Langeweile breitete sich ebenso an anderer Stelle aus, wenn es in Richtung auf die „prominenten“ Gäste hieß: „Immer die gleichen Gesichter.“ Zum anderen regten die adretten Jungen, welche die Hosen mit nacktem Oberkörper vorführten, die Phantasie einer ältere Dame unter den Zuschauen an; sie hätte ihnen am liebsten nachgerufen: „Was kostet einer für die Nacht?“ Abwechslung war wieder bei der Kollektion des in Paris arbeitenden Modeschöpfers Thomas Engel Hart zu erleben, der dem Publikum eine „rebellische Collage von traditionellen und innovativen Techniken der Schnittmustergestaltung“ vor Augen führte.

Die letzte Modenschau der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz FASHIONWEEK BERLIN spring/summer 2011“ bestritt der aus Mazedonien stammende Modeschöpfer Risto Bimbiloski. Mit der Reflexion des Themas „Blume“ durch abstrakte Digitaldrucke von Blütenblättern auf Seidencrèpe und Jersey versöhnte er das Publikum. Auch der italienische Photograph war beruhigt, indem er zur Verabschiedung ausrief: „Thank you, Berlin, and good-bye!“ Nebenher unterhielt er seine Kollegen mit Gesangseinlagen, indem er zwischendurch die Lieder „Ave Maria“ und „Nessun dorma“ anstimmte. Etwas mehr mediterrane Lockerheit wäre der Atmosphäre in den Berliner Modewochen durchaus nicht abträglich. Schöne Kleider waren nicht nur an den Modellen auf den Laufstegen zu sehen, sondern auch bei den Hostessen wurde Wert auf ein ansprechendes Erscheinungsbild gelegt. Ein Sponsor kleidete seine Mitarbeiterinnen in Petticoatkleider im Stile der 1950er Jahre. Mit der Ausstattung von Hostessen hatte abermals eine weniger bekannte Modeschöpferin, und zwar die Berlinerin Tatjana Masuhr mit ihrer Marke „Charlott Atelier“, die Gelegenheit erhalten, ihre Entwürfe einem größeren Publikum abseits eines Laufsteges zu zeigen.

Berliner Modewoche beflügelt die Phantasie
Von nicht weniger Relevanz als die Kleiderfrage war für den aufmerksamen, kritischen Beobachter das soziokulturelle Umfeld. Bisweilen gesellten sich Modelle unter die Gäste und sprachen über ihren Berufsalltag. Ein weibliches Modell schilderte es als interessant, ihre Kolleginnen, also sozusagen auch sich selbst, von den Zuschauerrängen aus bei der Arbeit beobachten zu können. Es stellte fest, einige Modelle hätten erst vor kurzem das Laufen gelernt, denn sie gingen sehr „staksig“. Laut ihrer Auskunft arbeiteten einige Modelle ohne Vergütung, um so wenigstens die Chance zu haben, über den Laufsteg entdeckt und bekannt zu werden; die übrigen Modelle, sofern es sich nicht um international gefragte Modelle handele, erhielten in der Regel einen Betrag zwischen 50,00 EUR und 100,00 EUR je Modenschau. Davon müßten sie selbst Strümpfe für den Auftritt kaufen und könnten insofern nicht sehr viel ausgeben, zumal da diese nachher meistens kaputt seien; eine Packung aus der Drogerie für den Betrag von 1,50 EUR müßte dann schon reichen. Das besagte Modell – selbst blond und langbeinig – äußerte sich ebenfalls zum Körper ihrer Kolleginnen. Die eine oder andere war für sie zu dünn. Besonders bei Minikleidern könne man an den dürren Beinen das schlechte Bindegewebe erkennen.

Übrigens ließen die ständige Vorführung und Betrachtung von Körpern den Zuschauer unweigerlich vergleichen. Man war allzu sehr versucht, verschiedene Oberschenkel auf ihre Festigkeit hin zu prüfen. Aus dieser Perspektive war es womöglich eine zu große Ablenkung, zugleich weibliche Modelle in Minikleidern und männliche Modelle in Shorts auftreten zu lassen – ein Vorschlag zur Güte: demnächst besser dunkle Strümpfe oder Leggings. Ebenso war das Umfeld der Laufstege ein Ort, um Einblicke in die Modellbranche zu bekommen. Der Berliner Modellagent und -scout „SASHA“ sprach über die Arbeitseinstellung von Modellen. Auf die Frage, warum in der Nähe der Veranstaltungsstätten kaum Modelle anzutreffen seien, obwohl dies doch ein riesiger Arbeitsmarkt für neue Engagements sei, kam die Antwort, Modelle aus Berlin seien oft hochnäsig und hätten keine richtige Lust zu arbeiten; wenn ein Auftritt nicht von vornherein feststehe, blieben sie lieber zu Hause als sich hier zu bewerben. Für eine gute, professionelle Modenschau solle man besser auf polnische oder tschechische Modelle zurückgreifen.

Vielleicht schlug sich die mangelnde Einsatzbereitschaft gerade im lustlosen Laufen und Fehlen von Posen nieder. Aus Sorge, selbst in Passivität zu erstarren, brüllte einmal ein Photograph den regungslosen Modellen entgegen: „Move!“ Bei der Frage der Choreographie und der damit zusammenhängen Einweisung der Modelle in ihre Rolle lag noch einiges im argen. Für die Zukunft des Modestandortes Berlin sind vor allem durchdachte Inszenierungen mit exzellenter choreographischer Umsetzung fernab des üblichen Hin- und Herlaufens zu wünschen, denn Kunstschaffen ist das Streben nach Perfektion. Das Publikum muß von der Art und Weise der Präsentation ergriffen werden; sonst bleibt zu Lasten des Modeschöpfers und seiner Kollektion auf Seiten des Publikums lediglich ein – mit den Worten des Philosophen und Kulturwissenschaftlers Peter Sloterdijk – Ergriffenheitsdefizit. Zu guter Letzt spielte der Streit um den richtigen Umgang mit der Geschichte des Bebelplatzes, auf dem das zentrale Veranstaltungszelt früher gestanden hatte und auch jetzt wieder stand, nach den Kontroversen im Januar 2010 nun keine Rolle mehr.

Mode geht in Berlin-Neukölln vor Anker
Die Berliner Modewoche ist zwar vorbei, aber dennoch brauchen „Fashion Victims“ nicht zu darben. Für einen Augenschmaus sorgten weitere Modenschauen. Die Modenschau der Absolventen des Studienganges Modedesign der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) war einigen Veränderungen unterworfen. Anders als in den Vorjahren gab es sie nicht in der Berliner Modewoche, sondern erst knapp einen Monat später am 2. August 2010 zu sehen. Das Collegium Hungaricum Berlin war als Veranstaltungsstätte zugunsten des Theaters „HEIMATHAFEN NEUKÖLLN“ aufgegeben worden. Auch der Veranstaltungstitel war neu: der Begriff „final Show“ ersetzte das einprägsame Wort „ici“. Der große Saal des Theaters erhielt nun für die Modenschau zusätzlich zur Bühne einen Laufsteg, auf dem Kollektionen unter anderem zu den Schlagworten „Vampirhochzeit“ und „Sprengstoff“ gezeigt wurden, was insoweit wörtlich zu nehmen war, als ein Kleid mit eingearbeiteter Vorrichtung plötzlich vor sich hin knallte. Für das so bekleidete Modell bedurfte es fast eines Waffenscheines.

Leider fielen einige Modelle manchmal aus der Rolle, indem sie beim Posieren mehr zuckten als sich geschmeidig zu bewegen. Ein festbleibender Halte- oder Wendepunkt war ebensowenig erkennbar. Man wird in Berlin nicht umhinkönnen, für eine gute Modenschau gleich einer Theateraufführung der Choreographie der Posen und Schritte sowie der Einweisung der Modelle in ihre Rolle nebst eingehenden Proben mehr Aufmerksamkeit zu schenken; so wird sich an der Stringenz einer Ballettinszenierung ein Beispiel nehmen lassen. Daneben wäre es hier für die Berufsphotographen hilfreicher gewesen, sie räumlich von den Hobbyphotographen zu trennen, um nicht in ihrer Arbeit, beispielsweise durch störendes Blitzlicht, gehindert zu werden. Bereits am 23. Juli 2010 hatten sich die Türen der HTW in Oberschöneweide für einen Tag lang unter dem Motto „Werkschau ’10“ außenstehenden Interessenten geöffnet. Auf mehreren Modenschauen hatten die Studenten ihre in Stoff gebrachten Ideen zu den Themen „Pathos“, „Transformation“, „1-Shirtstile-Hemdkleider“, „Overalls“, „Catch the Wind“ und „At the Seaside“ vorgestellt. Bei der Präsentation der Bademodenkollektion am Spreeufer war es sogar feucht geworden, denn das Regenwasser war auf die Gäste und Photographen niedergeprasselt.

Um eine Kollektion zu präsentieren, gibt es auch andere Wege als den klassischen Laufsteg. Am 31. Juli 2010 feierte der für seine Affinität zur Mode bekannte Berliner Friseurmeister Jens Link das 10jährige Bestehen seines Unternehmens und zugleich die Eröffnung seines neuen Salons in Charlottenburg. Angereichert war die Feier nicht nur mit alkoholischen Getränken, sondern auch mit optischen Leckerbissen. Modelle, die sich unter die Gäste mischten und nebenher kulinarische Häppchen verteilten, führten Kleider aus zusammengenähten Modeetiketten der Berliner Modeschöpferin Pia Fischer vor, die von ihrer derzeitigen Praktikantin Karlijne Opmeer aus den Niederlanden charmant vertreten wurde.

„Created in Germany“
Anders als in der Politik gibt es in der Modeszene kein Sommerloch. In Berlin startete eine neue Initiative zur Förderung junger, talentierter Modeschöpfer. Da hierzulande für junge Modeschöpfer mit einem knappen Budget aller Anfang schwer ist, um sich in der internationalen Modeszene zu etablieren, rief die renommierte Modeexpertin und Journalistin Claudia Carillon den Preis „German Fashion Film Award“ ins Leben. Das Ziel dieser aufgrund eines Beschlusses des Bundestages vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Rahmen der Initiative „Kultur- & Kreativwirtschaft der Bundesregierung“ geförderten Maßnahme ist es, die einheimische Modebranche zu stärken, um künftig nicht mehr nur von „made in Germany“, sondern auch von „created in Germany“ sprechen zu können.

Nun durften sich erstmals alle bundesdeutschen Modeschöpfer bewerben, die seit mindestens zwei Jahren und höchstens acht Jahren im Berufsleben standen sowie eine eigene Kollektion entwarfen und verkauften. Die siebenundsiebzig Teilnehmer hatten die Aufgabe, einen dreiminütigen Videofilm über den Stil und das Sortiment ihrer Marke einzusenden. Wettbewerbskategorien waren die Damenbekleidung, Herrenbekleidung und Accessoires. Die von einer internationalen Jury ausgewählten Sieger erhielten als Preise „Sponsorships“ für freie Stände auf internationalen Messen, Verkaufsmöglichkeiten in Läden sowie Geschenke wie hochwertige Nähmaschinen, Design-Computerprogramme, Schneiderpuppen, Garne und Knöpfe.

Neuer Anschub für die einheimische Modebranche
Der „größte Preis“ war freilich die Zusammenstellung aller prämierten Beiträge auf einer DVD des beteiligten Ministeriums mit 40.000 Kopien, die von Botschaften der Bundesrepublik Deutschland sowie auf Messen und vielen Veranstaltungen in allen Kontinenten gezeigt wie auch an Einkäufer und Medien verteilt werden sollen. Bei der Damenbekleidung siegten die Marken „potipoti“, „peppART“, „annette koelling“, „Julia Starp Modedesign“ und „Alan Han Koca“ in dieser Reihenfolge. Bei der Herrenbekleidung stachen die Marken „geppebba“, „Ucon Acrobatics“, „eva gronbach“, „DANIEL KROH ReCLOTHINGS“ und „CAROLA EULER“ hervor. Bei den Accessoires setzten sich die Marken „ENCORE“, „GRETCHEN“, „Glowybox“, „kvast berlin“ und „Wallrodt“ durch.

Nach der Preisvergabe auf einer festlichen Veranstaltung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 5. Juli 2010 stellten die Sieger dort auf einer Modenschau im Rahmen der Veranstaltung „Einladung zum Staatsbesuch 2010“ am 21. und 22. August 2010 ihre Kollektionen einem breiten Publikum vor. Ein breites Publikum garantierte übrigens auch die Veranstaltung „27. Lange Nacht der Museen“ in Berlin. Am 28. August 2010 war in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg eine Modenschau mit historischen Kostümen zu sehen.

Mode trifft Technik und Musik
So kreativ Modeschöpfer beim Entwerfen neuer Kleider sind, so erfinderisch sind sie beim Auffinden geeigneter Orte für die Präsentation ihrer Kollektionen. Unter dem Motto „Miele trifft Marcel Ostertag“ gingen die Miele & Cie. KG und der Münchener Modeschöpfer Marcel Ostertag eine kreative Beziehung ein. Als Folge entwarf Marcel Ostertag eigens ein rotes Abendkleid für die Herstellerin von Haushaltsgeräten. Dieses Kleid und weitere Stücke seiner neuen Kollektion zeigte er in Berlin auf der Messe „IFA CONSUMER ELECTRONICS UNLIMITED“ vom 3. September bis zum 8. September 2010. Die Modenschauen waren Teil eines kurzweiligen Bühnenprogrammes – nach Meinung mancher Messebesucher das beste Programm auf der diesjährigen Messe –, das auch „Kochshows“ und Tanzdarbietungen umfaßte. Laut Auskunft der Miele & Cie. KG soll das „Miele“-Kleid für einen wohltätigen Zweck versteigert werden.

Am 3. September 2010 stellte der Modeschöpfer Harald Glööckler in Begleitung zweier schriller Modelle seine für die Peter Jäckel Kommunikationsysteme GmbH entwickelte pompöse „Handytaschen“-Kollektion vor. Am 5. September 2010 zog die aus der ehemaligen Sowjetunion stammende und nun in den Niederlanden lebende Modeschöpferin Larisa Katz mit Modellen in ihren Kleidern durch die Messehallen. In deren Gefolge befand sich der bildende Künstler Tinus D aus den Niederlanden, der für den Messestand der X60 USA Inc. eine Frauenskulptur aus hochroten Bändern geschaffen hatte. Sie warben für die Marke „XPAND“ der X60 USA Inc., die in der Unterhaltungselektronik auf die 3D-Technik setzt. Insofern lag es nahe, die Modeschöpferin, den Künstler und die Modelle zusätzlich mit Shutter-Brillen (3D-Brillen) auszustatten. Daneben luden sie Messebesucher zu einer Uraufführung am Ende des Messetages ein: „If you ever wanted to know what it feels like to live, sleep and breathe like Haute Couture models, this provocative 3D experience will ignite your imagination and excite every nerve of your mind and body.“

Utopia ist in der Modeszene unbekannt
Nach einer Modenschau mit leibhaftigen Modellen vor der Leinwand des Lichtspielhauses „KINO INTERNATIONAL“ war auf der Leinwand ein Ausschnitt des Dokumentarfilmes „CATWALK 3D“ über das Geschehen in der Pariser Modewoche zu sehen. Die Modeschöpfer Jean-Paul Gaultier, Christophe Josse und Valentino waren mit je einer Modenschau vertreten. Die Besonderheit bestand in der 3D-Technik, welche die gefilmten Modelle auf den Laufstegen plastisch, sozusagen zum Greifen nahe, und gleichsam lebendig werden ließ; man wähnte sich in Paris am Rande des Laufsteges. Ein beeindruckendes Modeerlebnis!

Am 9. September 2010 schmückte die Modenschau „8 1/2 Wochen presents Fashion Show“ die Messe „POPKOMM“. In der Abfertigungshalle des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof drehten Modelle eine Runde, wobei sie Stücke aus den Kollektionen der Berliner Modeschöpfer Julia Heuse und Benjamin Klunker wie auch Paul Immich, Kilian Kerner, Michael Michalsky sowie Christiane Wingenbach vorführten. Für die musikalische Begleitung sorgte auf der Bühne die Gruppe „The Ape“ aus Hamburg. Im Interview auf der Bühne zeigte sich Kilian Kerner noch erfreut über eine witzige Begebenheit. Ein Mädel, das ihn habe photographieren wollen, habe ihn mit Michael Michalsky verwechselt, indem sie ihn mit der Anrede „Herr Michalsky“ angesprochen habe, obwohl sie sich wirklich nicht ähnlich seien. Wer davon noch nicht genug hatte, konnte sich später auf der Veranstaltung „VOGUE FASHION’S NIGHT OUT“ in Nobelwarenhäusern und Edelboutiquen wie das „Supermodel“ Claudia Schiffer und der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit ins Getümmel der „Fashion Victims“ stürzen. Der umtriebige Michael Michalsky war mit seinem Laden auch bei dieser Veranstaltung präsent.

Der Kampf ist noch nicht zu Ende
Die Problematik der HIV-/AIDS-Erkrankung wird uns leider weiter beschäftigen. Darin waren sich die Teilnehmer der Veranstaltung „REMINDERS DAY AIDS GALA 10“, die das feierliche Finale des zweitägigen Berliner Kongresses „HIV im Dialog“ unter dem diesjährigen Titel „Sieh das mal positiv! Alter. – Älter werden mit HIV“ bildete, einig. Unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit wurden am 18. September 2010 in der Veranstaltungsstätte „ewerk“ im Rahmen der gemeinnützigen Aktion „VERGESSEN IST ANSTECKEND“ erneut Menschen ausgezeichnet, die sich um die Bekämpfung der Immunschwächekrankheit und die Lösung der damit zusammenhängenden sozialen Probleme verdient gemacht hatten.

Der Regisseur Hans Werner Geissendörfer hob den unermüdlichen Einsatz des Schauspielers Georg Uecker für Minderheiten und Randgruppen der Gesellschaft hervor: „Er hat nie seinen Schwanz eingezogen.“ Als störend erwies sich die Unruhe im Publikum, das sich bereits auf der Party wähnte, weshalb sich der Laudator immer wieder Ruhe für seine „pastoralen Worte“ ausbat; nachher ermahnten Jessica Witte-Winter, Rundfunkmoderatorin und Pressesprecherin der Vergessen ist ansteckend gemeinnützige GmbH, sowie – neu an ihrer Seite – der Schauspieler und Fernsehmoderator Ingolf Lück, die ansonsten in lockerer Weise gemeinsam durch den Abend führten, das Publikum, den Preisträgern und Laudatoren doch mehr Respekt entgegenzubringen.

Berliner AIDS-Tagung endet mit Galaveranstaltung
Georg Uecker konnte sich übrigens bei seinen Dankesworten für den an ihn vergebenen Preis „ReD Award 2010“ eine Anspielung auf aktuelle politische Ereignisse nicht verkneifen: „Ich glaube, wenn Erika Steinbach irgendwann die Maske abnimmt, dann steckt dahinter Thilo Sarrazin.“ Die anderen Preisträger Konrad Möckel und Gerd Paul würdigte Klaus Wowereit mit seiner Laudatio für deren langjähriges Engagement als Gründungsmitglieder des Berliner Aids-Hilfe e. V. Sie bedankten sich mit der Hoffnung, die Bekämpfung der Krankheit werde bald erfolgreich sein; dann würden zwar solche Veranstaltungen nicht mehr nötig sein, aber andere, freudigere Ereignisse gefeiert werden können.

Die traditionelle Modeschau „ReD Walk“ war diesmal dreigeteilt. Zuerst waren sechsundzwanzig edle Kleider aus mehreren Kollektionen der Berliner Modeschöpferin Frida Weyer zu sehen. Danach zeigten Waridi Schrobsdorff, Gründerin des i-magine e. V. und ehemaliges Modell, sowie Schüler der Berliner Modeschule „ESMOD“ ausgefallene Accessoires. So trugen die Modelle zu Kleidern des Berliner Warenhauses „GALERIES Lafayette“ bunte Kondome und Kondomverpackungen als Verzierung oder Kopfschmuck, wozu Waridi Schrobsdorff vorab gesagt hatte: „Unser Ziel war es, Kondome und Mode ästhetisch zu verbinden. Die Studenten haben ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und das Thema sehr schön umgesetzt.“ Für „Premium-Streetwear vom Feinsten“ standen zuletzt die Marken „Elbkind HAMBURG“ und „MEK USA DNM“. Zwischendurch gab die Musikgruppe „FOOLS GARDEN“ unter anderem ihren Hit „Lemon Tree“ zum besten, bei dem das Publikum mitsang. Für die weitere musikalische Untermalung sorgten der Sänger Max Herre, ehemals Sänger der Gruppe „Freundeskreis“, und die Gruppe „Public Hearing“.

„Du bist die Mode!“
In Berlin schottet sich die Modeszene nicht von der Öffentlichkeit ab, denn Mode ist nicht nur etwas für einen exklusiven Kreis, sondern sie geht alle an. Am 30. September 2010 verwandelte sich die Friedrichstraße in Berlin-Mitte auf Initiative der Galeries Lafayette (Deutschland) GmbH für die Modenschau „DU BIST DIE MODE!“ in einen Laufsteg, um geladenen Gästen und Passanten zu zeigen, welche „Style-Vielfalt“ Berlin zu bieten hat; ähnliches wurde gleichzeitig in Paris veranstaltet. Dem war vom 16. August 2010 an ein öffentliches „Online-Style-Casting“ vorausgegangen, um unter den Bewerbern die zweihundert besten „Street Styles“ zu finden. Die zweihundert gewählten Personen durften nun als Modelle ihren individuellen Stil einer Jury, zu der unter anderem der Geschäftsführer der Galeries Lafayette (Deutschland) GmbH Alexandre Liot, das Modell Franziska Knuppe, der Berliner Modeschöpfer Michael Michalsky und der Berliner Friseurmeister Udo Walz gehörten, präsentieren. Die „coolsten und individuellsten Styles“ wurden von der Jury mit exklusiven Waren und Dienstleistungen – Gesamtwert nach Angaben der Veranstalterin von mehreren tausend Euro – prämiert. Jeder Teilnehmer erhielt überdies ein Überraschungspaket mit Präsenten. Für die Schau- und Kauflustigen waren die angrenzenden Warenhäuser und Boutiquen noch bis 22 Uhr geöffnet.

Ebenfalls unter freiem Himmel verlief am 5. September 2010 in Berlin-Charlottenburg die Modenschau „walk of fashion“ mit einer bis in das Jahr 1999 reichenden Tradition. Diesmal waren Berliner Modeschöpfer mit den Marken „FROUFROUBERLIN“, „JA!Design“, „Kurvenstolz“, „LEA UHLMANN berlin“, „le·chim Franziska Michael“, „MARYAM NEVISI“, „MY CHILI“ und „SARAH / BAYDON berlin“ beteiligt. Ausgangs- und Endpunkt des Rundganges der Modelle über den Savignyplatz, die Grolmanstraße, den Kurfürstendamm und die Bleibtreustraße war der Laden des Initiators der Veranstaltung, des Friseurmeisters Civan Ucar. Vor dem Laden befand sich ein Laufsteg, auf dem nochmals alle Kollektionen zu sehen waren. Für die beste Kollektion ging der Preis „walk of fashion award“ an die Modeschöpferin Lea Uhlmann; für das kreativste Einzelstück zeichnete die Jury die Modeschöpferin Franziska Michael aus.

Mode macht Schule
Wer einen Beruf in der Modebranche anstrebt, findet zur Vorbereitung in Berlin mehrere Hochschulen und Modeschulen unterschiedlicher Ausrichtung. 500 Berliner Absolventen müssen jedes Jahr den Berufseinstieg schaffen. Um den kreativen Nachwuchs zu fördern, passiert einiges. Dies tut auch not, denn sowohl der Modestandort Berlin als auch der Modestandort Deutschland haben noch viel aufzuholen. Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin bot den Berliner Hochschulen und Modeschulen unter dem Motto „MODE macht SCHULE“ eine Plattform, um ihr Wirken einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Nach der Mediadesign Hochschule für Design und Informatik GmbH (MDH), der Modeschule „ESMOD“ und der Kunsthochschule Berlin-Weißensee stellte sich nun am 5. November 2010 die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) mit der Ausstellung „In Bewegung“ mit Kleidern der Studierenden des Studienganges Modedesign vor. Die Arbeiten beschäftigten sich mit dem immanenten Wandel der Modebranche; es wurden Schaffensprozesse verdeutlicht und Installationssysteme in Bewegung präsentiert. Nebenbei hatten die Gäste die Gelegenheit, Einzelteile älterer Kollektionen der hochschuleigenen Marken „30 paar haende“ und „30 ph“ käuflich zu erwerben. Auf der darauf folgenden Modenschau konnten die Stücke am lebenden Körper bewundert werden, was „Lovely Miss Q“, eine spanische Sängerin und „DJane“, mit ihrer Live-Musik unterstützte. Ein Blickfang wurde die Kollektion auch durch das Ambiente; ein weißer Laufstegboden und ein schwarzer Hintergrund sind eben stets eine gute Wahl!

Am 6. November 2010 thematisierten Elke Giese für den Deutsches Mode-Institut e. V. in Köln, Prof. Ulrich Lehmann für die University of Creative Arts Rochester sowie der Autor und Berater Joachim Schirrmacher bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Die Versportlichung der Gesellschaft – Auswirkungen auf die Mode“ die aktuellen Marktanforderungen und die damit einhergehenden veränderten Ansprüche an die Modeschöpfer. Am 26. November 2010 folgte die Lette-Verein Stiftung des öffentlichen Rechtes mit den angeschlossenen Berufsfachschulen unter anderem für Grafikdesign, Modedesign und Photographie. Beispielsweise kommen auf die achtundzwanzig Plätze für neue Modeschüler jedesmal rund 250 Bewerber. Der Titel der Auftaktveranstaltung „Fashion Battle“ klang zwar kriegerisch, war aber spielerisch gemeint. Vier interdisziplinäre Mannschaften aus Mode-, Photographie- und Grafikschülern traten gegeneinander an, um unter sich die Besten bei der Bewältigung einer gemeinsamen Aufgabe herauszufinden, die darin bestand, ein Kleid am Körper eines Modells zu drapieren, das so bekleidete Modell in Pose abzulichten und das Produkt in einer Filmsequenz zu präsentieren: eine innovative Idee der Modepräsentation. Als Preis lockte unter anderem ein Praktikumsplatz bei der Berliner Modeschöpferin Nanna Kuckuck. Den Sieger durfte das Publikum küren, das sich für das „Team Blau“ entschied.

Modestadt Berlin
Mehr Kleider waren am 27. November 2010 auf der Modenschau „Fashion Walk“ zu sehen. Die Veranstaltungsreihe endete am 28. November 2010 mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Modestadt Berlin?“. Alexander Kölpin als Berater der Berlin Partner GmbH sagte, es sei für Berlin der richtige Anspruch, in der gleichen „Liga“ wie die Modemetropolen Paris und Mailand zu spielen. Dies schränkte Antje Osterburg, Dozentin der MDH, etwas ein, weil Berlin noch nie für Haute Couture gestanden habe. Dennoch zeigte sie sich über die bisherige Entwicklung zufrieden, da die Modeszene in den letzten Jahren von ihren eher „verkunsteten“ Entwürfen weg spürbar professioneller geworden sei. Prof. Petra Skupin, Dozentin der HTW, wies dabei auf neue Technologien als Herausforderung für heutige junge Modeschöpfer hin. Davon, wie schwierig es ist, sich mit der selbst geschaffenen Marke selbständig zu machen, konnten zwei ehemalige, mit Preisen ausgezeichnete Absolventen aus eigener Erfahrung erzählen. Der Berliner Modeschöpfer Michael Sontag räumte ein, es sei als Absolvent sehr schwer, international Fuß zu fassen; in Berlin sei der Beginn noch am leichtesten. Meike Vollmar, die nach der Insolvenz der Icon Fashion Group AG ihre Tätigkeit für die Marke „Macqua“ hatte einstellen müssen und nun an der Berliner Modeschule „ESMOD“ unterrichtet, ergänzte, die Fördermaßnahmen griffen zu kurz, da sie besonders auf Absolventen zugeschnitten seien, ohne die Probleme in den Anfangsjahren der Selbständigkeit zu berücksichtigen; sie sei damals „durch alle Raster“ gefallen.

Nach der den „Lette-Verein“ vertretende Martina Vogt bräuchten junge Modeschöpfer für einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben vor allem kompetente Partner und gute Netzwerke. Allmählich driftete die Diskussion in Richtung auf die Frage ab, wie das Studium beziehungsweise die Ausbildung sinnvoll zu gestalten sei. Aus dem Publikum ergriff der in London arbeitende Photograph Kai Strasser das Wort und machte den Mentalitätsunterschied deutlich, indem er sagte, solche Diskussionen über Selbstverständlichkeiten wie eine solide handwerkliche Basis gebe es in London erst gar nicht. Der anfängliche Mißerfolg liege vielfach an einer falschen Arbeitseinstellung; so erzählte er von seiner Bekannten, die zunächst einfach „keine Lust“ gehabt habe, Schuhe für eine Handelskette zu entwerfen. Die Moderatorin Fredericke Winkler benannte abschließend das größte Hindernis auf dem Wege in die Zukunft: hierzulande sei die Mode noch nicht von allen als Kulturgut erkannt worden. Eine Modeschöpferin, die schon mit beiden Beinen in der Berufspraxis steht, ist die Berlinerin Caroline Kratzsch. Sie kam, frisch inspiriert, aus Paris zurück und zeigte am 19. November 2010 im Berliner Theater „Kleine Nachtrevue“ im Rahmen einer burlesken Inszenierung ihre neue Dessouskollektion „Körpernah“.

Die Mode, der gute Zweck und die Nachhaltigkeit
Die Weihnachtszeit ist die Zeit der guten Taten. Auch die Berliner Modeszene zeigt soziales und ökologisches Engagement. Am 13. Dezember 2010 präsentierten im Konzerthause „NIKOLAISAAL POTSDAM“ die Schüler der Berliner Modeschule „ESMOD“ ihre zu Ehren der Schutzpatronin der Modeschaffenden, der Heiligen Katharina (Sainte Catherine), entworfenen 150 Kleider unter dem Motto „BAROCCO-CODE“. Die gleichnamige Epoche hatte der Kulturphilosoph Egon Friedell einstmals folgendermaßen beschrieben: „Der Barock schreit und plakatiert, das Rokoko flüstert und dämpft.“ Dieses Zitat lag nun dem thematischen Bogen für die Entwürfe der Schüler zugrunde, wobei das Weizenfeld einerseits und das nach Rosenblättern und Lust duftende Federbett der Aristokratie andererseits dessen Enden sein sollten, was unter anderem zu den Themen „Süße Ernte auf dem Lande“ und „Die melancholischen Trümmer eines rauschenden Festes“ führte. In der Tat war mal Rustikales in angesteckten Ackerpflanzen und mitgeführten Wanderstöcken, mal Höfisches in ausladenden Formen, üppigen Details und festlichen Accessoires zu entdecken. Jegliche Erlöse und Spenden des Abends sollen über den i-magine e. V. der HIV-/AIDS-Prävention für Kinder und Jugendliche in Kenia zugute kommen; nach der Modenschau erhielt die Vereinsvorsitzende Waridi Schrobsdorff einen symbolischen Scheck über den Betrag von 2.800,00 EUR.

Schon am 9. Dezember 2010 öffneten die Modeschöpfer Claudia Pfeiffer und Dirk Pfeiffer die Türen ihres neuen Ladens „crusz“ in Berlin-Mitte für eine Modenschau mit eleganter Hochzeits- und Abendkleidung. Anfangs stellte die Fernsehmoderatorin Tanja Bülter die Arbeit der Stiftung KinderHerz Deutschland gGmbH vor, mit der die Lebenschancen und die Lebensqualität herzkranker Kinder verbessert werden sollen. Zu deren Gunsten wurde ein Abendkleid nach amerikanischer Art in 5-Euro-Schritten versteigert, wobei ein Betrag von 190,00 EUR zusammenkam. Die Schauspielerin Janina Uhse gab bekannt, das ersteigerte Kleid für einen weiteren wohltätigen Zweck wieder zu versteigern. So sieht soziale Nachhaltigkeit aus.

Die Berliner Modeszene kurz vor dem Jahresende
Für ökologische Nachhaltigkeit steht die Modeschöpferin Dorothea Becker mit ihrer „grünen Mode“. Nach der Gründung des Unternehmens im Dezember 2009 stellte sie am 3. Dezember 2010 in der Kurt-Tucholsky-Bibliothek ihre Kollektion „cultus naturalis“ vor, bei der nur nach ökologischen Kriterien hergestellte Stoffe mit besonderer Zertifizierung verarbeitet worden waren; so handelte es sich stets um den Standard „Global Organic Textile Standard“ (GOTS) und bisweilen zusätzlich um den Standard „Swiss organic fabrics“. Dorothea Becker hatte sich auch das Ziel gesetzt, mit der Herstellung der Kleider im eigenen Atelier die Weiterverarbeitung nach ökologischen Kriterien und die Einhaltung von Sozialstandards zu gewährleisten. Die Fachmesse „thekey.to“ und die Veranstaltung „Green Showroom“ letztens in der Berliner Modewoche zeigen übrigens die gewachsene Bedeutung der „grünen Mode“ beziehungsweise „Ökomode“.

In den Reigen der vorweihnachtlichen Modenschauen reihten sich noch die Modeschöpferinnen Juliane Binroth und Alicia Losekandt mit der Marke „JULICE EN RÊVE“ am 4. Dezember 2010 im Restaurant „WHITE Spreelounge“ sowie Heike Fischer mit der Marke „Tanzmode Berlin“ am 19. Dezember 2010 im Hotel „AXEL HOTEL“ ein; zur Freude der Gäste gab es bei dieser Modenschau im Rahmen der Veranstaltungsreihe „5TH AVENUE“ eine Bescherung mit Destynee, der als Weihnachtshäslein verkleideten Gastgeberin.


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