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Ein Salon für die Mode

Neue Wege in der Berliner Modewoche

Bereit für den Probelauf – das Mannequin Theresa Schreck vor der Modenschau „WILLIAM FAN“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 2. Februar 2016
Bei der Berliner Modewoche geriet etwas in Bewegung. Hatte das Zelt der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz Fashion Week BERLIN“ bisher als zentrale Anlaufstelle und somit als Mittelpunkt der gesamten Modewoche gegolten, so erwuchs ihm mit dem Kronprinzenpalais eine ernstzunehmende, anspruchsvolle Konkurrenz. Die Modepräsentationen unter dem Motto „DER BERLINER MODE SALON“ hier ließen, was die Bedeutung und das Niveau der Präsentationsweise und des Publikums anbelangt, die Präsentationen dort in einer Gesamtbetrachtung hinter sich.

Das neue Präsentationskonzept ging auf Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Ausgabe der Modezeitschrift „VOGUE“, zurück. Dieses Konzept zeichnete sich für die ernsthaft an Mode interessierten Besucher vor allem durch ein stilvolles Ambiente wohltuend aus. Anders als bei den meisten Zeltspektakeln, wo der Rummel um die wenigen prominenten und vielen semiprominenten Gäste mehr einem Tanze ums Goldene Kalb glich, gab es im Kronprinzenpalais keinen solchen Kult rund um den Roten Teppich. So wie es in einer Modewoche eigentlich sein sollte, stand die entworfene Kleidung im Mittelpunkte des Interesses; es zeigte sich insofern eine deutliche Weiterentwicklung und Verbesserung des Modestandortes Berlin.

Im Kronprinzenpalais stellten am 19. Januar 2016 die Modeschöpfer Nobi Talai sowie Dawid Tomaszewski wie auch am 21. Januar 2016 die Modeschöpfer Marina Hoermanseder, Annelie Augustin und Odély Teboul sowie William Fan ihre Kollektionen für den Herbst und Winter 2016 vor. Das kreative Duo Annelie Augustin und Odély Teboul aus Berlin ist beispielsweise für seine Kleidungsstücke in schwarzer Grundfarbe bekannt. Die neue Kollektion trat in einen Dialog sowohl zwischen der Grundfarbe und der Farbigkeit als auch zwischen dem Chaos und der Geradlinigkeit. Sie stellte sich als eine Reflexion der Gegenwart, in der sich Farbnuancen wie ein „Hauch Optimismus“ über ein schwarzes Gemälde legte, dar. Dazu gestaltete die Berliner Kreativberaterin Leonie von Lieres einen „elegant verzerrten Grunge-Look“, der durch die gekonnte Kombination kurzer Kleider, Bikerjacken, langer Kleider, Grobstrickes und eng anliegender Hosen mit vielfarbigen Stickereien geprägt war. Einige Anzüge erschienen so wie glitzernde Gemälde mit lebendigen, eindringlichen Farben auf unregelmäßigen Netzstrukturen, offenmaschigen Strickarealen und schimmernden Lederflächen, was eine abstrakte Geometrie hervorbrachte.

Zu den modischen Höhepunkten des Veranstaltungszeltes gehörte nach wie vor die Mainzer Modeschöpferin Anja Gockel, die eingedenk der Gründung ihrer Marke in London im Jahre 1996, nun in dieser Saison ihr zwanzigstes Jubiläum unter dem Motto „Ein Fest der Farben“ feierte. Da laut Anja Gockel Frauen „so viele Facetten“ haben, dürfen für die Modeschöpferin Kleider keine Verkleidung sein; insofern sind Freiheit, Ausdrucksstärke, Individualität und Persönlichkeit die Maximen ihrer Marke. Inspirationsquelle für die aktuelle Kollektion war die birmanische Freiheitskämpferin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die sich seit den späten 1980er Jahren als „Mahatma Gandhi der modernen Gegenwart“ für eine gewaltfreie Demokratisierung in ihrer Heimat Myanmar eingesetzt hatte. Starker Geist, unerschütterlicher Mut und bemerkenswerte Beharrlichkeit einerseits und die fernöstliche Lebensphilosophie „mit all ihrer positiven Ausstrahlung und Energie“ andererseits beeindruckten Anja Gockel derart, daß selbige sich in modischer Übersetzung in ihren Entwürfen wiederfanden.

Nach der Intention der Modeschöpferin verschmolzen zur Eröffnung der Modenschau am 20. Januar 2016 fremde, leicht groteske Klänge und Ausschnitte asiatischer Melodien zu einem „dynamischen Beat“, während eine Tänzerin, die einen weit ausgestellten Rock im Themendrucke und ein fließendes Oberteil in Orange trug, den Laufsteg betrat. Deren Darbietung spiegelte die moderne Interpretation des Kollektionsthemas wider. Schlichte Farbtöne wie Nachtblau, Silbergrau und Masalabraun trafen auf wirkungsvolle Akzente in leuchtenden Farbtönen wie Seegrün (Petrol), Limonengrün und Orange. Die Schnitte griffen abstrahierte Elemente fernöstlicher Kleidung auf. Haptische Jacquardstoffe, kuschelige Kaschmirwolle und fließende Seide sorgten im Sinne des Minimalismus für die gewollte schlichte Eleganz der Anzüge. Den Abschluß der Modenschau bildete das asiatisch anmutende Brautkleid, welches der ausgestellte Rock der ausdrucksstarken Tänzerin als „Burmese Beauty“ flankierte.


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