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Mode in Berlin – dritter Teil

Die zweite Hälfte des Jahres 2009 in der Retrospektive

Das Warenhaus „GALERIES Lafayette“ – Stätte der Veranstaltung „VOGUE FASHION’S NIGHT OUT“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen und Christiane Leonhardt — 1. Juli 2015
Vom Anfange der menschlichen Zivilisation an besteht eine Wechselwirkung zwischen den gesellschaftlichen Zuständen einerseits und dem kulturellen Schaffen andererseits, wobei sich von der Kultur das, was man heutzutage Mode nennt, nicht trennen läßt. Die nunmehr fest zum Veranstaltungskalender der Modebranche gehörende Berliner Modewoche im Sommer vereint erstens die traditionellen Absolventenmodenschauen der Berliner Hochschulen und Modeschulen, zweitens die Modenschauen etablierter Modeschöpfer sowie drittens mehrere Modemessen. Anlaufpunkt für die meisten Modenschauen war wieder das Veranstaltungszelt auf dem Bebelplatze neben der Staatsoper Unter den Linden. Diesmal verteilte sich das Geschehen rund um die Mode auf einen Veranstaltungsmarathon vom 30. Juni 2009 bis zum 5. Juli 2009 und eine abschließende Einzelveranstaltung am 10. Juli 2009.

Die Ausbildungseinrichtungen bestätigten mit ihrer Experimentierfreudigkeit einmal mehr ihren Ruf als Talentschmiede für den innovativen Nachwuchs unter den Modeschöpfern. Die Kunsthochschule Berlin-Weißensee präsentierte sich gleich zweimal. In einer Ausstellung für die Presse waren lebendige Laufstegmodelle als leblose Schaufensterpuppen einen abgesteckten, schmalen Gang entlang aufgestellt. Diese Anordnung bedeutete eine Herausforderung für beide Seiten. Um sich in der vorgegebenen knappen Zeit einen fundierten Eindruck zu verschaffen, mußten sich die Journalisten wie vor zweitausend Jahren der dünne Heerwurm unter Publius Quinctilius Varus durch den Gang von Puppe zu Puppe vorarbeiten. Demgegenüber wurden Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen der Modelle auf eine harte Probe gestellt. Sie standen wie Eichen bis auf ein Modell, das die Wucht des hier verdichteten schöpferischen Potentials buchstäblich umhaute. Nachwirkungen zeigten sich insoweit, als auf der nachfolgenden Laufstegmodenschau zu beobachten war, daß einige Modelle in einer Art Befreiungsaktion noch vor dem Ende des Laufsteges die Schuhe von ihren lädierten Füßen kickten und den Rest humpelnd zurücklegten.

Obdachlose als Mannequins
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin verband erneut schlicht-elegantes Design mit hoher Praxistauglichkeit. Die Modenschau der Berliner Modeschule ESMOD stand unter dem Motto „I am different but I love you“. Die sonst übliche Auszeichnung einiger Absolventen als letzter Teil der Modenschau der Universität der Künste Berlin entfiel, weil die Hochschule das Zelt auf Geheiß der Hausherrin pünktlich um 23.00 Uhr räumen mußte, womit die Hausherrin die Chance vertat, sich als gute Gastgeberin zu zeigen. Dies trübte jedoch nicht die Erinnerung an die regelrechten Kunstwerke, welche auf der Modenschau zuweilen aufgetaucht waren. Beispielsweise hatte ein Kleid die Gestalt eines Wohnzimmersessels, dessen Rückenteil und Armlehnen den Oberkörper bequem umhüllten; durch die Bewegung über den Laufsteg fand dieses Möbel zu seiner Bestimmung: es wurde mobil.

Der Gedanke der Mobilmachung stand auch hinter einer anderen Modenschau. Der Münchner Patrick Mohr, der im Jahre 2007 an der Modeschule ESMOD den Preis „Prix Créateur“ erhalten hatte und nun wie andere etablierte Modeschöpfer seine neue, für den Frühling und Sommer 2010 konzipierte Kollektion vorstellte, ging es nicht alleine um den Kommerz, sondern er verfolgte auch ein soziales Anliegen. Neben gewöhnlichen Modellen wollte er seine erste große Modenschau mit Modellen bestreiten, deren Gesichter Lebenserfahrung widerspiegelten und nicht glatt und ausdruckslos waren. Er dachte an Obdachlose und Arme, weshalb er die Verkäufer der Berliner Zeitung „strassen|feger“ nach ihrer Bereitschaft fragte, zur Abwechslung einmal über den Laufsteg zu schreiten. Die Resonanz war groß. Dreißig Interessenten teilten Patrick Mohr ihre Körpermaße und Konfektionsgröße mit. Das „Casting“ sei nicht einfach gewesen, machten Gerald Denkler, Verkäuferkoordinator, und Dan-Christian Ghattas, Vorsitzender des mob – obdachlose machen mobil e. V., klar, denn das Leben eines Obdachlosen unterliege zu festen Strukturen. Die Unterkünfte, Suppenküchen, Kleiderkammern und medizinischen Einrichtungen haben nur zu bestimmten Zeiten geöffnet; die zu verkaufenden Zeitungsexemplare müssen bei den Vertriebsstellen zu festgelegten Zeiten abgeholt werden. Dabei werden die meisten Wege zu Fuße zurückgelegt, was viel Zeit und Kraft in Anspruch nimmt, so daß der Tag schnell vorbeigeht. Nichtsdestotrotz durften sich achtzehn Verkäufer auf den Laufsteg freuen; die übrigen sollten im Hintergrunde bereitstehen, um notfalls als Ersatz einzuspringen. Lampenfieber und Mineralwasser waren dann reichlich vorhanden. Die für ihren Einsatz versprochene „Aufwandsentschädigung“ in Gestalt von Jeanshosen, T-Shirts und Sportschuhen erreichte bislang noch nicht alle Modelle, so daß es aus deren Kreise verlautete: „Wir bleiben dran und pochen darauf!“ Übrigens wird am 5. September 2009 ab 9.00 Uhr das Pressefest der Zeitung „strassen|feger“ auf dem Helmholtzplatze in Berlin-Prenzlauer Berg jedem Interessierten die Gelegenheit geben, selbst die Modelle nach ihren Erlebnissen zu befragen.

Einen ähnlichen Ansatz hatten die Macher der Marke „EASTPAK“, die in Zusammenarbeit mit den „Streetworkern“ des Gangway e. V. auf Mobilität setzten und Berliner Jugendliche aus verschiedenen sozialen Brennpunkten in „Streetwear“ über den Laufsteg radeln und laufen ließen. Neben der Präsentation der eigenen neuen Kollektion übernahm die Münchnerin Susanne Wiebe als ehemalige Absolventin der Berliner Modeschule „Lette-Verein“ die Schirmherrschaft über die Modenschau der diesjährigen Abschlußklasse. Den Umweltschutz berücksichtigten die Berlinerinnen Christine Pluess und Livia Ximénez Carillo, die für die Kollektion ihrer Marke „mongrels in common“ auf vegetabiler Basis veredelte, also chromfrei gegerbte, Lachshaut verwendeten.

Im übrigen darf bei der großen Präsenz der Berliner Modeschöpfer nicht übersehen werden, daß jeder dort erfolgreiche Modeschöpfer zur Besserung der wirtschaftlichen Lage beiträgt, was für eine Erholung des hiesigen Arbeitsmarktes unerläßlich ist. Insofern offenbarte die dargebotene Vielseitigkeit, daß das Lebens- und Arbeitsumfeld in Berlin eine unerschöpfliche Inspirationsquelle gewesen war und die Modeschöpfer Neues zu wagen ermuntert hatte. So überraschten Klaus Unrath und Ivan Strano das Publikum mit einer Premiere, und zwar mit ihrer ersten Couture-Brautkleiderkollektion. „Bridal Couture“ war ebenso das Stichwort für Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl mit ihrer Marke „kaviar gauche“. Selbstverständlich dominierte in beiden Fällen die Farbe Weiß. Ein lebensbejahendes Feuerwerk an Farben entsprach genau der Parole „Vive la fête“, die Mischa Woeste für die Kollektion ihrer Marke „Smeilinener“ ausgegeben hatte. Mit edlen französischen und italienischen Stoffen verfeinerte Gregor Clemens die Marke „LAC ET MEL“. Kilian Kerner legte seinen neuen Entwürfen anonym zugespielte Tagebucheinträge zugrunde.

Die Bedeutung Berlins wurde dadurch unterstrichen, daß sich abermals auswärtige Modeschöpfer wie der Münsteraner Guido Maria Kretschmer und die bereits erwähnte Susanne Wiebe den Standortvorteil, nämlich zur Präsentation neuer Kollektionen eine Plattform mit überregionaler Ausstrahlung zu sein, zunutze machten. Unter dem Motto „SUMMER SHIVER“ reichte Guido Maria Kretschmers erfrischende Palette von luftigen Abendkleidern bis gesellschaftstauglichen Badeanzügen. Susanne Wiebe ging pragmatisch vor und nutzte das chinesische Ambiente der Modenschau, um ihre Kollektion „Black Orchid“ sogleich für ihr neues „Lookbook“ ablichten zu lassen. Die Modelle, darunter die Schauspielerinnen Anja Kruse, Anna Loos und Sophie Schütt, fühlten sich in den Kleidern und Hosenanzügen, die einen „abenteuerlichen Grenzgang zwischen Classic und Provokantem“ darstellten, sichtlich wohl. Seitdem der Berliner Senat die Wichtigkeit der Modebranche für die Entwicklung der Stadt Berlin erkannt hatte, fördert er die Veranstaltungsreihen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Bernd Neumann hatte zwar auf der Vortragsveranstaltung „Kultur in Berlin – Kultur für Deutschland“ am 04.03.2008 angekündigt, bei der Förderung künftig auch die Mode zu berücksichtigen, eine Umsetzung ist aber noch nicht zu erkennen.

Trotz der insgesamt erfreulichen Entwicklung blieb wachsamen Augen nicht verborgen, daß einiges einer Verbesserung bedurfte. Für eine Modenschau waren mehr Einlaßkarten ausgegeben worden, als Plätze vorhanden waren, so daß ein plötzlicher „Einlaßstop“ dazu führte, daß sich rund fünfzig Personen die Modenschau nur aus der Ferne anhören konnten. Manche Modenschauen liefen nach einer eigenartigen Choreographie ab, falls man überhaupt von einer solchen reden konnte. So liefen Modelle ohne erkennbares System teils bis an das Ende des Laufsteges, teils erreichten sie nur die Hälfte desselben. Wenn ein Modell dann noch ohne Pose sogleich ängstlich umkehrte und die Photographen um eine Aufnahme brachte, wurde der Unmut der Photographen, der sich in einem deutlichen Raunen ausdrückte, um so verständlicher. Immerhin hatte die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin zur Sicherheit eine deutliche Markierung als Haltepunkt auf dem Boden angebracht, die ihre Wirkung zur Freude der Zuschauer und Photographen nicht verfehlte.

Die Lichtverhältnisse waren mancherorts nicht optimal, was einen Photographen von einer Mailänder Modenschau erzählen ließ, wo mit einer Beleuchtung von 450.000 Watt ideale Bedingungen geherrscht hätten. Obendrein verlief die Zusammenarbeit zwischen den Veranstaltern und der Presse nicht immer reibungslos. Vor einer ungarischen Modenschau wurde uns Journalisten der inakzeptable Vorschlag gemacht, die Vorführung von der Straße aus zu verfolgen. Zu einer anderen Modenschau verwehrte man uns den Zutritt mit der barschen Bemerkung: „Wir haben schon genug Berichterstattung!“ Hier paarte sich mangelnde Professionalität mit fehlendem Charme; aus der „Berliner Schnauze mit Herz“ war längst eine „Berliner Schnauze“ geworden. In weiteren Fällen schien eine kritische Hintergrundberichterstattung nicht gewünscht zu sein, da uns die förmliche Akkreditierung für das zentrale Zelt verweigert wurde.

Alles in allem setzte Berlin seinen Weg als aufstrebendes Zentrum der Modeszene konsequent fort, um den Abstand zu den Modemetropolen Paris, London, Mailand und New York zu verringern und an die eigenen „guten alten Zeiten“ anzuknüpfen.

AIDS-Gala mit Modenschau in Berlin
Das Berliner Rathaus war am 12. September 2009 der Schauplatz der Benefizveranstaltung „REMINDERS DAY AIDS GALA 09“ nach dem Ende des zweitägigen Kongresses „HIV im Dialog“ unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit. Wie in früheren Jahren wollten die Berliner Agenturen „Bplus“ und „Etwas Neues Entsteht“ als Initiatoren mit der Veranstaltung im Rahmen ihrer gemeinnützigen Aktion „Vergessen ist ansteckend“ auf die nicht abnehmende Brisanz der noch immer tödlichen Immunschwächekrankheit aufmerksam machen.

Während der eine Teil der Gäste das „Charity Dinner“ genoß, erlebte der andere Teil ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm mit der Kunstfigur Gloria Viagra und dem Schauspieler Georg Uecker als Moderatoren. Bei der Begrüßungsansprache ließ sich Klaus Wowereit von der Bürgermeisterin und Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer vertreten. Neben den musikalischen Einlagen, für die Andrew Roachford, Mor La Peach, Kirk Smith und DJ van Tell sorgten, waren die Vergabe des Preises „Red Award“ und die Modenschau „Red Walk“ die programmatischen Höhepunkte. Für ihr Engagement im Kampfe gegen die Krankheit wurden Anna Beisse-Munemo, die seit einigen Jahren unter anderem Hilfstransporte nach Zimbabwe organisiert und sich unermüdlich für unterschiedliche, auch weltweite Hilfsprojekte eingesetzt hatte, sowie Prof. Dr. Alfred Biolek, der mit einer nach ihm benannten Stiftung Jugendlichen in Afrika geholfen hatte, sich vor ungewollten Schwangerschaften und AIDS zu schützen, ausgezeichnet. Die Laudatio hielten Prof. Dr. Rita Süssmuth und die Filmproduzentin Regina Ziegler.

Der für die Choreographie der Modenschau verantwortliche Nikolas Gleber hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen: „Der Joker ist von einzigartiger Pathetik und unvergleichlichem Stil. Er tanzt auf Messers Schneide und hat gegen seinen Willen einen abstrakten Status erreicht. Wir greifen diese Symbolhaftigkeit auf und wollen daran erinnern, dass die Betroffenen – HIV-Infizierte und an AIDS Erkrankte – Teil unserer Gesellschaft sind und dazugehören.“ So trugen die Modelle einheitliche Jokermasken zu den Kreationen der Marken „arrey kono“, „GERMAN GARMENT“, „HI-DEE“, „hüftgold“, „KILIAN KERNER“ und „mo faerie“; hinter der Marke „GERMAN GARMENT“ stehen übrigens der Schauspieler Matthias Schweighöfer und der Fernsehmoderator Joko Winterscheidt sowie der Musikverleger Sebastian Radlmeier und der Modeschöpfer Kilian Kerner. Überdies wurden die Kollektionen nicht voneinander getrennt gezeigt, sondern gemischt wie ein Kartenspiel. Daneben stellten die Finalisten des Modewettbewerbes „USEDOM BALTIC FASHION AWARD“ ihre Kreationen vor. Die Veranstaltung mündete in die bis zum frühen Morgen dauernde Party.

Mode verbindet
Daß die Völkerverständigung nicht alleine durch internationale Verträge und politische Gesten bewirkt werden kann, zeigten zwei Modenschauen in Berlin. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ASIEN-PAZIFIK-WOCHEN 2009“ war am 18. Oktober 2009 das Haus der Kulturen der Welt eine Begegnungsstätte für die deutsche und die ostasiatische Kultur in Gestalt der Modenschau „INFASHION“, die unter dem Motto „4 Designer | 3 Länder | 2 Kontinente | 1 Show“ stand. Die für den Dialog zwischen Europa und Asien stehenden Schlüsselwörter „Mobilität“ und „Energie“ waren Inspiration für das Konzept dieser außergewöhnlichen Modenschau. Die Atmosphäre eines Kaffeehauses als Sinnbild für den kulturellen und ökonomischen Austausch verdrängte den üblichen Laufsteg zugunsten einer illustren Tafelrunde mit wechselnden Akteuren in vier Akten. Hierzu äußerten die Veranstalter: „Die Kollektionsdarbietungen werden flankiert von vier Szenarien, die sich auf künstlerisch-verstörende Weise mit der Mode als sozio-kulturelles Phänomen durch die Linse der Missstände in der Branche beschäftigt. Brisante Themen wie der radikale Körperkult, der auf medialer Ebene gerne in einer stark homogenisierten Ästhetik endet und auf der anderen Seite zu Magermodels und Diätenwahn führt, die Gier nach Luxus und Status sowie das sich abwechselnde Auflösen und Festigen von Geschlechterrollen, werden in den Szenarien behandelt.“

Für den japanischen Modeschöpfer Ryota Shiga sangen fünf Mädchen das Lied „Strangers in the Night“, während sie von „Kleinwüchsigen entlarvt“ wurden. Die koreanische Modeschöpferin Nami Miyung ließ einen Pantomimen, andere Straßenkünstler und Mannequins eine „redundante Diskussion über den Anspruch ihrer Kunstfertigkeiten“ führen. Für die deutsche Modeschöpferin Fay Alice beschäftigte sich ein in die Jahre gekommener Kellner mit der Neuinterpretation der Geschlechterrollen. Die Modelle der deutschen Modeschöpferin Tarané Hoock ließen den „Hunger vom Haken“ und kämpften gegen den „unschönen Wahnsinn“.

Eine andere völkerverbindende Einrichtung ist der Modewettbewerb „createurope: THE FASHION DESIGN AWARD“. Dieser im Jahre 2008 auf Initiative des Goethe-Institut e. V. als Projekt des aus den europäischen Kulturinstituten in Berlin bestehenden Arbeitskreises „EUNIC Berlin“ ins Leben gerufene Wettbewerb richtet sich an Nachwuchstalente sowie Ausbildungsstätten und bezweckt, die Modeszene europaweit zu fördern und zu vernetzen. Diesmal bewarben sich mehr als 1000 Modeschöpfer aus 59 europäischen Ländern und reichten ihre Kollektionsmappen ein. Daneben wurden erstmals auch Teilnehmer aus dem Nahen Osten und Nordafrika eingeladen, sich zu beteiligen. Die Fachjury, zu der die Modeschöpfer An Vandevorst und Filip Arickx sowie der Direktor des Hauses der Kunst in München Chris Dercon, die Direktorin des Village des Créateurs Lyon Isabelle Gleize, die Direktorin des Institut Français de la Mode Paris Francine Pairon wie auch der Modeschöpfer Philip Stephens gehörten, wählte im Sommer anhand der eingereichten Unterlagen die Finalisten für die abschließende Modenschau in Berlin aus. Der Wettbewerb stand wieder unter der Schirmherrschaft des Modeschöpfers und „JOOP!“-Kreativdirektors Dirk Schönberger, der zugleich den Juryvorsitz innehatte.

Am 23. Oktober 2009 waren die ausgewählten Kollektionsstücke auf einer Modenschau in den sogenannten Uferhallen zu sehen. Der Preis in der Kategorie „Best Upcoming Designer“ wurde an die Absolventin der Hochschule für Technik und Wirtschaft Antonia Funmi Bello für ihre erfindungsreiche und vielseitige, aber gleichwohl tragbare Kollektion vergeben. Den Preis in der Kategorie „Best Avantgarde Designer“ erhielt die Absolventin der Moskauer Staatsuniversität für Design und Technologie Lisa Shanho. Insgeheim wurde zugleich die russische, präsowjetische Avantgardekunst vor 100 Jahren ausgezeichnet. Lisa Shahno hatte das die damaligen Bühnenbilder, Kostüme und Stoffe prägende Zusammenspiel von Diagonalen, Dreiecken, Vierecken und Trapezen weiterentwickelt. In der Kategorie „Best Student“ überzeugte die Studentin der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg Christine Krüger die Jury. Es war ihr gelungen, das Modell von den Haaren bis zur Fußsohle in verrückter Weise zu stylen. In der Kategorie „Audience“ konnte der Marokkaner Amine Bendriouich, ein Schüler der Modeschule „ESMOD Tunis“, das Publikum bei einer „Internet“-Abstimmung für sich gewinnen. Seine Anzüge und Kostüme waren vor allem für die Jugend gedacht.

Neben Amine Bendriouich sprach die Jury auch eine Empfehlung für die Absolventin der Fachhochschule Bielefeld Katrin Switala aus. Ihre Stücke versteiften den Körper der Trägerin durch gerollte, aneinander genähte Bindfäden, die kunstvoll zu Kleidern gesteckt waren; glänzender Thermostoff und durchsichtiges Wachstuch waren damit kombiniert. Hervorzuheben ist noch die Kollektion der aus Japan stammenden Absolventin der Londoner Modeschule „St. Martins“ Tamaki Fujie. Die Farbvielfalt ihrer Kleider und Schuhe holten die grellen, harten, knalligen Farben mittelalterlicher Kirchenfenster auf den Laufsteg. Es waren auch die Farben der Schüler des Bauhauses – man denke an Ida Kerkovius und Adolf Hoelzels –, die sich hier widerspiegelten: kräftiges ungemischtes Plakatblau, hart abgesetzt gegen dichtes Weiß sowie gemischtes Rot und Grün.

Eine Verbindung anderer Art stellte das Projekt „CUBE“ dar, zu dem sich mehrere Berliner Modemacher zusammengefunden hatten, um ihr kreatives Potential einer breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen. Nach einer Präsentation in der letzten Berliner Modewoche zeigten sie am 8. November 2009 die neuen Kollektionen der Marken „HYPNOSIS berlin“, „Cultivate“, „Aspique“, „LIAN“, „Widda“, „Velibor“, „NL Natascha Loch“ und „B. Weiss“ auf einer Modenschau in einem Berliner Einkaufszentrum, bei der die Modelle in einer langen Schlangenlinie, vom Projektladen ausgehend, zur Begeisterung der sonntäglichen Besucher durch die Arkaden liefen. Es waren unter anderem Strickkleider zu sehen.


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