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Die neue Norm

Mehr als modische Planerfüllung in Mailand

Spieglein, Spieglein … – das Mannequin Lena Lomako vor der Modenschau „CRISTIANO BURANI“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 3. April 2015
Meistens bewegen sich Modeschöpfer in dem von ihnen selbst gesetzten kreativen Rahmen. Doch starres Festhalten an allen Vorgaben führt zur Perpetuierung ein und desselben Modekonzeptes und läuft letztlich der Kreativität zuwider. Gerade bei der Mode liegt es in der Natur der Sache, nach gewisser Zeit etwas Neues zu wagen und mitunter auch die Regeln, Maßstäbe und Leitlinien den geänderten Verhältnissen oder neu gewonnenen Erkenntnissen anzupassen.

Für den Modeschöpfer Cristiano Burani aus Carpi bei Modena kam Strick wieder in Mode. Mit der Kollektion „THE NEW NORM“ definierte er am 26. Februar 2015 im Palazzo Clerici eben eine neue Norm. Graphische Muster und 3D-Wollstoffe gingen Hand in Hand mit Pastellfarben und reinen Farben sowie mehrfarbigen Streifen in die neue Norm ein, um tragbare, für die Straße taugliche und gleichwohl hochwertige Kleidung zu erschaffen. Übergroße Mäntel aus Kaschmirwolle, ausgestellte Röcke, einteilige Suits aus Leder und Miniröcke mit übergroßen Taschen und Farben blockenden Falten ermöglichten eine urbane und gelassene Attitüde. Pullover aus handgestrickter Alpakawolle, gestreifte Rollkragenpullover aus Kaschmirwolle und lange Kleider wurden mit Denim und Leder für eine entspannte, lockere Stimmung gemischt. Das wenige Funkeln von „Swarovski“-Kristallen auf plissiertem Leder durchbrach die Gleichmäßigkeit schwarzer Kleidungsstücke.

Die Energie der mit Lederpailletten händig bestickten Minikleider elektrifizierte die Schwarz-Weiß-Graphik aller Tattoo-Drucke. Die Geometrie diente einer modernen, schlichten Schönheit. Neue Proportionen aus Tops, Röcken und flachen Creeper-Stiefeletten erzeugten eine unerwartete Sexiness und neue Romantik. Pastellhellblau, helles Biskuitbraun, Passionsrot, reines Weiß und absolutes Schwarz waren die angesagten Farben, während 3D-Wollstoff wie auch glattes und mit der Hand gefaltetes Lackleder, bedruckte Duchesseseide, Strickwerk in Streifenrippen, Viskose-Cady, Kaschmir-Lammfell, Fell des arktischen Marmorfuchses sowie mehrfarbig gestreiftes Nerzfell die weiteren bevorzugten Materialien waren. Bei den Accessoires galt die Aufmerksamkeit noch den Slippern aus Glanzleder und den eine niedrige Taille formenden Ledergürteln.

Mit der neuen Kollektion setzte die chinesische Modeschöpferin Uma Wang am 27. Februar 2015 die Erforschung der Verschiebung des Raumes und der Zeit fort. Orient und Okzident trafen im Palazzo Reale aufeinander. So konnte ein Druck auf eine französische Tapete des vorletzten Jahrhundertes oder auf einen Teppich aus dem Nahen Osten verweisen, während ein Strukturdetail japanischen Origamis erinnerte. Die voluminösen Formen der vergangenen Saisons hatte eine neue Form der Weiblichkeit in der strukturierten Taille und in den rückseitigen Details ausgebildet. Die Kollektion durfte nach der Intention der Modeschöpferin ebenfalls im Lichte des Werkes „Only Lovers Left Alive“ des amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Jim Jarmusch gesehen werden. Für Vampire haben räumliche und zeitliche Grenzen keinerlei Bedeutung. Der trockene blutrote Ton in der Kollektion war das Zeugnis von dem Wunsche nach ewigem Leben, während ein edler Pyjama die Verachtung der Sterblichkeit ausdrückte. Für Uma Wang bedeutete die Transformation auf der Erde nur einen weiteren Tag in den Augen der Ewigkeit. Mit dieser Kollektion tauchte sie letztlich tief in die Sphäre der Liebe ein, wobei sich der Schatten der Romantik, die Zeit und Raum transzendiert, gerade dort zeigte, wo sich Osten und Westen farblich kreuzten.


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