Ein Hauch der 1970er Jahre umwehte die Mäntel, Röcke, aufgeweiteten Hochbundhosen und zarten Chiffonhemden, doch führte eine Überarbeitung der Linearität dieser Zeit zu mehr Frische und Weiblichkeit. Es war das Ziel, eine Mode mit sauberen Schnitten zu schaffen, einfach zwar, aber weder banal noch langweilig noch unterkühlt. Es sollte sich zum anspruchsvollen, femininen Kleidungsstücke eine „lange Liebesgeschichte“ entwickeln. Die Farben Marineblau, Jeansblau, Beaujolaisrot, Salbeigelb und Puderweiß trafen auf die Materialien Zobelfell, Wildleder, Wollkrepp, Mohairwolle, Doppelkaschmirwolle, Jersey, Twillseide, Seidenchiffon, Duchesseseide in Jacquard-Webart mit Mustern wie Pinselstrichen eines Aquarellgemäldes und Seidenorganza mit Details aus Hirschleder. Die Materialkompositionen ließen die Kleidungsstücke anspruchsvoll und weniger lässig aussehen. Nerz, Astrachan und Chinchilla kamen als Pelz leicht und farblich vielfältig daher; der Flor ermöglichte zusätzliche 3D-Effekte. Fuchsfell für Einsätze in Mänteln und kurzen Jeansjacken vermittelte Charme. Die Kollektion hatte als Antwort auf das Phänomen der schnellen Billigmode („Bulimiekauf“) eine klare Botschaft: Ästhetik, kreatives Genie und handwerkliche Geschick, so wie bei den Meistern der Vergangenheit. Daneben wurde Chicca Lualdi für das Fürstentum Monaco als Modeschöpfer zur Ausstellung „EXPO 2015“ nominiert.
Die Modeschöpferin Simonetta Ravizza aus Pavia präsentierte im Teatro Alcione beziehungsweise Teatro Versace ihre neue Kollektion. Pate für ihren urbanen Boho-Stil (Bohémien und Hippie) stand der starke, selbstbewußte Stil der Soft-Rock-Sängerin Carly Simon, der mit zeitgenössischer Ultrafemininität, Leichtigkeit und Mühelosigkeit angereichert wurde. Verlängerte Schnitte brachten minimale und zugleich luxuriöse Silhouetten hervor. Anspruchsvolle Materialmischungen und unterschiedliche Volumenschichten waren mit Einlegearbeiten, funkelnden Stickereien und Lederbesätzen verziert. Eine fast strenge Art von Eleganz wurde mit weichen und sinnlichen Stoffen – Spitze, Devorésamt und gewaschene Seide – in fließenden Blusen, Hemdkleidern und breiten, bequemen Hosen in Zartheit überführt. Unter langen Westen, Parkas und Herrenmäntel getragen, ergab sich so ein Astrachan-Effekt. Ungefütterte Nerzfelle und Nappafelle gaben zusammen mit bunten Fuchsfellen den Bomberjacken die Form.
Die Neuinterpretation der Nachthemdmäntel brachte eine Reduktion der Linien des traditionellen Kimonos, wobei sich bei den neuen Stücken aus Schafwolle und Kaschmirwolle abfallende, asymmetrische Pelzkrägen mit bunten Capes aus Chinchillafellen abwechselten. Leder umgab Sweatshirts in Maxigröße, hoch taillierte Röcke, lange Kleider in A-Linie mit Einlegearbeiten und leuchtenden Stickereien auf den Taschen oder Seitenbändern; es gab sogar Jogginghosen für den abendlichen Anlaß. In dieser Saison war die Kollektion auch der Piste gewidmet, beinhaltete also die komplette Skikleidung, Handschuhe und Helme inbegriffen. Bei der Kombination von technischen Materialien und Fellen waren die weißen und schwarzen Kleidungsstücke mit Graphiken in Gestalt von Schneeflocken bedruckt. Keinesfalls durfte die für die Marke typische und unverwechselbare „Bubble“-Graphik fehlen. Bei den Accessoires umhüllten Fuchsfell, persisches Lammfell und Schaffell die Holzschuhe, während die Schnürschuhe etwas Pelz auf der Oberseite hatten; Hobo-Beutel hatten passende Streifenschnüre.
Die italienisch-haitianische Modeschöpferin Stella Jean wählte als Anknüpfungspunkt für ihre neue Kollektion den indischen Himalaya, einen Ort, wo kulturelle Referenzen oft Zumutungen und Unterordnung einen Weg weisen. Dies forderte nach Ansicht der Modeschöpferin geradezu einen stilistischen Ungehorsam heraus, der sich als Respektlosigkeit derart offenbarte, daß sich die Frau „Momente männlicher Routine“ aneignete und interpretierte, beispielsweise auf dem Territorium eines „barber’s shop“ oder eines „gentleman’s club“. Diese „invasive“ Begegnung der Geschlechter führte zu extrem femininen Formen, die mit „potenten“ maskulinen Formen überlappten, und zwar ohne Rücksicht auf die Höflichkeit einer angenehme Silhouette. Diese Begegnung war „direkt, sogar gewalttätig“; jeder Kompromiß als Mittelweg, als Auflösung der Extreme, war schlichtweg undenkbar. Stella Jean verstand dies zwar nicht als Spiel mit Identitäten, aber als ein Bewußtsein für die veränderliche Natur der Dinge.
Die Stilbotschaft, die den Begriff „Luxus“ zur Umschreibung der Einzigartigkeit mied, fand hier Zuflucht in den Worten „Qualität und Wesen“ sowie ihre Ausprägung in reinen Materialien, harmonischen Schnitten, feinen Schneidertechniken und raffinierten Kombinationen, was ein sorgfältig tarierter Sitz der Kleidungsstücke vervollständigte. Es ergab sich eine Richtung, welche die zwanghaften, nach der Ansicht der Modeschöpferin nicht mehr zeitgemäßen Kontraste nach der Devise „Over-the-top“ scheute, um Platz zu machen für ein Gleichgewicht der Kreativität mit der alltäglichen Funktionalität. Es galt, das Publikum im Palazzo Reale zu faszinieren, nicht bloß zu überraschen. Der Grunzochse (Yak) als lebenswichtige Ressource für eine ganze Himalayagemeinde verwandelte sich durch Stella Jeans kreative Hände in ein Pop-Symbol für die gesamte Kollektion von den Mänteln bis zu den Socken. Die unwirtlichen Höhenlandschaften fanden sich in der heterogenen Schichtung von Stoffen und Formen wieder. Die freie Nomadenkultur spiegelte sich in der stilistischen Anarchie der plötzlichen Anhäufung von Volumen und verknoteten Bändern wieder. Ursprünglich über festliche Kleider plaziert, wurden die Bänder nunmehr zum Passepartout in verschiedenen Stoffen und Farben, um auf Pullovern oder Mänteln getragen zu werden. Überdies gab es wollene Stücke, die über den Schultern getragen werden konnten.
Handbemalte Metallarmbänder, von den Handgelenken weg, wurden auf den Armen und über den Jackenärmeln getragen. Der letzten Schliff verpaßte Stella Jean der Kollektion, indem sie gleichsam zur Krönung der Frau für den Kopf einen wollenen, mit ausgezeichneten Stickereien verzierten und mit Schmuckstücken in Mogultradition versehenen Turban – wie für einen Maharadscha geschaffen – entwarf. Um die die Schönheit, Geschicklichkeit und Handfertigkeit künstlerischer und handwerklicher Werke von Völkern aus der ganzen Welt zu betonen, setzte Stella Jean die Zusammenarbeit mit der Initiative „Ethical Fashion“ des International Trade Centre, einer Agentur der UNO und der WTO, fort. In der Tat hatte die Verwendung handgewebter Stoffe aus Burkina Faso und Mali sowie der Einsatz des Schmuckes aus Haiti etwas Völkerverbindendes. Eine beispielhafte ästhetische, ethische und ethnische Begegnung, an der alles in allem Indien, England, Italien, Burkina Faso, Mali und Haiti beteiligt waren.
Die von den italienischen Modeschöpfern Tomaso Anfossi und Francesco Ferrari gegründete Marke „CO|TE“ steht für ein nüchternen und noblen Stil. Die neue, in der Veranstaltungsstätte „SPAZIO ANNILUCE“ gezeigte Kollektion bewegte sich mit Fortentwicklung binärer Themen in einem Universum, das von Botanik und Mineralien geprägt war. Drucke spielten eine Hauptrolle, denn sie blühten regelrecht auf den Kleidern, Röcken, Hosen und Hemden aus Cady und Duchesseseide. Der fossile Blumendruck gab echte Blumen wieder und erschien, graphisch überarbeitet, in allen farblichen Nuancen: Blau, Lila, Weiß, Orange und Rosa. Ein letzter Druck verband die Leichtigkeit zarter Blüten mit der Solidität von Mineralien. Sportlichkeit drückte sich bei den verschmierten Goldeffekten der Jerseystoffe aus, einer weiteren Anspielung auf die mineralische Welt, welche die Sweatshirts und Plisseeröcke glänzen ließen. Stickereien mit 3D-Pailletten bildeten eine unübersehbare Dekoration, während der Cadystoff den Denim in etwas wirklich Weibliches transformierte.
Die Kollektion vereinte Volumina und Tragbarkeit auf eine überaus komfortable und wendungsreiche Weise entweder für eiförmige Lammfellmäntel, mal mit kontrastierenden, mal mit gleichfarbigen Tülltaschen, oder für Perfectos aus lila Leder oder schwarzer Wolle, deren kontrastreiche Details für einen echten Glam-Rock-Effekt sorgten. Die Strickwaren spielten mit sperrigen Farben auf ein- und zweifarbigen Elementen, deren Nuancen von phantasievollen horizontalen Linien gegliedert wurden, um den Kontrast zu betonen. Das Spiel mit Materialien und Farben setzte sich bei den Accessoires fort. Akzente setzten die Boxy-Tasche und die lederne Freitags-Clutch-Tasche mit seinen funkelnden glitterartigen Stoffeinlagen sowohl in weißer als auch in lila Tönung. Glitzernder Jacquard-Stoff formte die Kleider, Röcke und Mäntel so, daß sie einen festen Sitz hatten. Die verwandten Stoffe bestätigten die Experimentierfreudigkeit der beiden Modeschöpfer.