Der libanesische Modeschöpfer Zuhair Murad präsentierte die Kollektion „Polar Princess“ für den Frühling und Sommer 2015 im Palais de Tokyo. In dieser Saison wurde er von der unberührten Reinheit der Gletscher angetrieben. In der arktischen Landschaft, die sich vor seinen Augen erstreckte, kamen polare Druckgraphik, Satinseide, glatt wie frisch gefallener Schnee, Schneewehen aus Seidenorganza, Schneeschauer aus Tüllschichten sowie Schneestürme aus Diamanten, Perlen und Pailletten vor. Sinnlichkeit und Eleganz fielen als Schneeflocken vom Himmel. Alles gipfelte in einer eisgekühlten Spitze leuchtenden Charmes. Für den kühlen Tag ergab sich daraus eine Kaskade von Anzügen, knackigen Jacken, Miniröcken, Zweite-Haut-Jumpsuits und Tunika-Kleidern in geometrischen Figuren.
Für die Cocktailzeit standen Skaterröcke und Leotardtops zur Verfügung, die mit ihrer verführerischen Sinnlichkeit abseits der Skipiste für eine Erhöhung der Temperatur sorgen könnten. Für die abendliche Party boten sich eng anliegende Mäntel mit verhüllenden Linien sowie mit Stickereien oder Spitzeneinsätzen hier und da an, was eine sternenklare Silhouette gewährleistete. Eisbrecher waren sicherlich die sexy asymmetrischen Capes und Basques, die majestätisch über den weiblichen Körper glitten. Die Farben waren kühl wie das Polarlicht namens Aurora Borealis: Mitternachtsblau, Smaragdgrün, Amethyst. Die Gletscherfarben Eisblau, Wolke, Silber, Violett, Rosa verliehen den Kleidern hingegen eine boreale Transparenz. Diese märchenhafte Winterwelt mit schlanken, klaren Profilen verbreitete eine funkelnde Frische. Wer wollte dort nicht gerne einmal eine Eisprinzessin sein?
Einen drastischen Klimawandel bewirkten der Franzose Arnaud Maillard und der Spanier Álvaro Castejón, die seit dem Jahre 2013 für die in Paris beheimatete Marke „LORIS AZZARO“ schöpferisch tätig sind. Für die aktuelle Kollektion holten sie sich die Inspiration aus der Sahara, der afrikanischen Wendekreiswüste. In Sandfarbe kam ein kurz geschnittenes Kleid daher, dessen Straußenfedern die zarten Bewegungen des Windes erkennen ließen. Straußenfedern zierten auch ein marineblaues Bustier, zu dem eine Beutelhose getragen wurde, wozu eine gleichfarbige Handtasche mit Straußenfedern paßte. Seidenjersey, der für die Modemarke typische Stoff, fand Verwendung bei den sehr femininen Haremshosen, die sich den Körperbewegungen fließend anpaßten. Zu einer solchen Hose, die wie ein Geldbeutel geschnitten und gedreht war, gab es ein gestricktes ponchoartiges Top in Pechschwarz. Andere Hosen aus Baumwollpiqué mit Abschnitten rundherum wie Origami hatten ihre eigene Bewegungscharakteristik. Ein Ensemble setzte sich aus reichlich geschnittener Hose und bodenlangem Umhange in Sandfarbe zusammen; zur Abrundung diente ein Wust aus Goldketten.
Weiß war ebenfalls eine Farbe für bodenlange Umhänge. Zitronengelb war bei langen, glatten Kleidern anzutreffen. Lange Kleider, die aus mehreren geriffelten Chiffonsegmenten bestanden, wurden manchmal von Seidenorganza überlagert. Gelegentlich tauchten Wüstenblumen auf wie Farbspritzer auf einer Leinwand. Auf den Cocktail- und Abendkleidern breitete sich Helligkeit aus. Silikon auf einem Kleide aus Spitze nährte die Illusion einer Perlenstickerei und zeichnete eindrucksvolle Formen von Wildpflanzen. Federn waren das Bindeglied zwischen Tradition und Innovation. Bei der Ausschmückung setzten die Modeschöpfer auf experimentelle Techniken, um ihre exotischen Ideen zu verwirklichen. Unzählige Silikonpunkte waren für ein florales Motiv nötig. Blattgold wurde in Mustern zurechtgelegt und dann an dieser Stelle durch Hitze fixiert. Diese gold-verzierten weißen Roben waren ein Blickfang in der Kollektion. Die dreidimensionalen hügeligen Muster auf einigen bodenlangen Roben konnten als Anspielung auf den sich in Dünen fortbewegenden Wüstensand verstanden werden.
Die letzte Modenschau bestritt die Pariser Modeschöpferin Axelle Migé für die Marke „COPPÉLIA PIQUE“. Die Kollektion zollte der aus den Vereinigten Staaten von Amerika stammenden, in Frankreich tätigen und später in die Schweiz eingebürgerten bildenden Künstlerin Niki de Saint Phalle Tribut. Für Axelle Migé war Niki de Saint Phalles Werk ein Universum voller Weiblichkeit, Liebe und Leidenschaft. Die Modeschöpferin bezog die Inspiration sowohl aus den berühmten Nanas als auch aus der Buntstiftzeichnung „My Love“, welche Niki de Saint Phalles Gefühle für Jean Tinguely, den Schweizer Maler und Bildhauer des Neuen Realismus hegte. Zwischen diesen beiden Werken steckte die weibliche Freiheit und Stärke der Liebe.
In Richtung auf eine fettsteißige Venus mit üppiger Figur hatte die Kollektion einen skulpturalen Charakter. Auf den Kleidern vibrierte die Farbe in einem Spiele aus Mosaiken und Malereien, vom Künstlerduo Toxic Twins handgemacht. Sie verbreitete eine brillante Heiterkeit und Frische des Sommers. Die graphische Symmetrie stand der Leichtigkeit verschmierter Teile gegenüber und wurde durch feine Details aufgewertet. Axelle Migé enthüllte die strukturierenden Elemente im Leben und Werke der bildenden Künstlerin, indem sie edle Materialien wie Seidenorganza, Seidenkrepp und Leinen auf der einen Seite und Materialien aus der plastischen Kunst wie Mosaiken, Blattgold, Silber und Holz auf der anderen Seite miteinander mischte. Diese Elemente führten letztlich zu einer androgynen Figur mit ungewöhnlichem Volumen.