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Das Erblühen der Blumen

Ein modischer Weckruf für die Göttin der Blüte

Schabernack – die Mannequins Sofia Resing und Hadassa Lima vor der Modenschau „ANTONIO ORTEGA COUTURE“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 10. Februar 2015
In der altrömischen Mythologie ist Flora die Göttin der Blüte. Dem Gemälde Sandro Botticellis „Primavera“ und dem Gemälde Nicolas Poussins „Das Reich der Flora“ gleich brachten die Modeschöpferin Tamara Ralph und der Geschäftsführer Michael Russo aus Australien mit ihrer neuen Kollektion für das gemeinsame Modehaus „RALPH & RUSSO“ in London die Modewelt zum Erblühen.

Die Kollektion „THE AWAKENING OF FLORA“ beziehungsweise „LE RÉVEIL DE FLORE“, welche mit floralen metamorphen Mythen als Allegorien die regenerativen Kräfte der Natur symbolisierte, stellten Tamara Ralph und Michael Russo am 29. Januar 2015 im Pariser Grand Palais vor. Ihre Modepräsentationen sind jedesmal ein Augenschmaus. Die jetzige Modenschau verlief als Prozession, wozu sich die Mannequins sozusagen in Feen und Nymphen verwandelten. Als solche schmückten sie die strukturierten Kragen mit Blüten oder die Falten ihrer durchsichtigen Kleider mit Knospen. Das Blume, so fruchtbar und verführerisch, scheint als Motiv der Haute Couture beziehungsweise Couture sowieso eigen zu sein. Die Farbtöne der Kollektion konnten ihre botanische Herkunft nicht verleugnen: Granatapfelrot, Rosenrot, Minzgrün und Kornblumenblau. Die Kollektion strahlte ohnehin tänzerischen Schwung aus.

Enge Mäntel aus Seidenorganza streichelten den Körper zärtlich, während voluminöse wolkenartige Seidengaze und fließender Chiffon gegeneinander antraten. Daneben hüllten tiefschwarze oder nachtblaue Umhänge den Körper in nyktinastischer Weise ein, um sich der nächtlichen Nektardiebe zu erwehren. Die Kleider waren lebendig und geschmeidig. Übergroße Blütenblätter aus Seidenorganza vereinigten sich zu prächtigen Blüten, um den Körper sinnlich einzuwickeln. Die hervorragende Handwerkskunst zeigte sich auch darin, wie traditionelle Gewindestickerei und metallischer Harzdruck miteinander verwoben waren. Einzelne Blütenblattapplikationen sprossen organisch aus der akribisch feinen geometrischen Perlenstickerei, die wie Tau erstrahlte. Das Finale der Modenschau entpuppte sich als handwerkliches Draufgängertum. Extravagant war der errötende Ombré, der mit Kristallen, Perlen und Silberfäden beladen war. Den Schlußpunkt setzte ein Hybrid aus traditionellem und modernem Schmucke. Tamara Ralph und Michael Russo führten dem Publikum vor, wie grenzenlose Schönheit und ewige Jugend aussehen. Die Göttin Flora erwachte …

Der aus Hong Kong stammende und in Australien tätige Modeschöpfer Bowie Wong zeigte seine Kollektion „Recollection“ am 28. Januar 2015 im Hotel „THE PENINSULA PARIS“. Die Kollektion war Ausdruck seiner Freude an Erinnerungen und seiner Leidenschaft, Geschichten zu erzählen. Dieses „Fest der Kreativität“ manifestierte sich in von der westlichen Welt inspirierten handgewebten Materialien und in für die östliche Welt stehenden Kimonos. Hinzu kam die Manipulation von Stoffen, die in der Modewelt eher selten vorkommen. Festliches Rot machte die Feierlichkeit vollkommen. Auf der Grundlage seiner Arbeit als Kostümbildner und seiner Lebenserfahrungen zeigte sich in der Kollektion Bowie Wongs handwerkliches Fingerspitzengefühl für Kulturlandschaften. Aus der Beobachtung seiner Mutter bei der Handarbeit mit Strickwaren und aus der Beobachtung von Straßenhändlern mit ihren zarten Blumensträußen entwickelte er das richtige Gespür für Mode. Die Beschäftigung mit der Kunst des Drapierens brachte Silhouetten in wunderbarer Freiheit hervor. Das freudige Fließen der Silhouetten versinnbildlichte die Stärke und Schönheit der Kollektion, die Bowie Wong als Hommage an die Mode als Kunstform verstand.


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