Wildnis Berlin

Nofretete, Diven und Aliens auf der größten Theaterbühne der Welt

Neue Herausforderung – die Tänzerinnen Laura Matheson, Adriana Bernić und Maria José Baeza Pamies auf der Premierenfeier zur Revueaufführung „THE WYLD“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 2. Dezember 2014
Nach zweien Jahren mit der Revue „SHOW ME“ war es wieder Zeit für eine neue Inszenierung am Revuetheater „FRIEDRICHSTADT-PALAST“ in Berlin. Unter dem Titel „THE WYLD“ inszenierten der ehemalige französische Modeschöpfer Manfred Thierry Mugler und der Regisseur Roland Welke mit einem Produktionsbudget von über zehn Millionen Euro eine kosmische Liebesgeschichte mit über einhundert Tänzern, Akrobaten und Sängern. Eine den Blick fesselnde Choreographie mit vielseitigen Tanzeinlagen – unter anderem Streetdance und Step – und mit ausgefeilter Akrobatik, phantastische Kostüme sowie ein mit Anleihen an Berliner Sehenswürdigkeiten gespicktes Bühnenbild ließen bei der Weltpremiere am 23. Oktober 2014 daran denken, daß die Aufführung gemäß eigenem Motto, fürwahr nicht von dieser Welt sein sollte.

Sofern man von einer Revue überhaupt eine durchgehende Handlung erwarten darf, bestimmte das Hauptlied „Into the Wild we go“ den Handlungsrahmen dieser Inszenierung. BMX-Fahrer, Punker, Hippies und Drag Queens bildeten neben einer rauchenden, befrackten Marlene Dietrich sowie der Girlreihe mit hohen schwarzen Stiefeln und Dominaattitüde das bunte, auf ewige Party versessene Hauptstadtvolk, dessen Anziehungskraft so gewaltig war, daß Nofretete, deren farbige Büste die Staatlichen Museen zu Berlin ihr eigen nennen, leibhaftig einer Ausstellungsvitrine entstieg, um sich ins wilde Geschehen zu stürzen. Während die rauhe Stimme der Sängerin Nina de Lianin als „Zoo Girl“ im Liede „Ich bin ein Berliner“ das für eine verrauchte Atmosphäre passende Timbre hatte – Sally Bowles aus dem Musical „Cabaret“ ließ als Vorlage sozusagen grüßen –, bewegte sich die Tänzerin Nina Makogonova in der Rolle Nofretetes als Königin der Nacht in ihrem futuristischen bronzefarbenen Jumpsuit und silbergrauen Krönungsmantel gebieterisch über die Bühne. Da bei einem derart verruchten Treiben die außerirdischen Lebensformen nicht abseits stehen konnten, schwebten Aliens in illuminierten, weißen Uniformen auf Surfbrettern herab. Auf den umgekehrten Weg hoffte hingegen eine einsame „Turmlady“ auf einer Fernsehturmkugel. Die Gelegenheit ergab sich, als Nofretete sie mit einem in sie verliebten BMX-Fahrer zusammenbrachte. Gemeinsam flogen sie dann mit einer Rakete in Gestalt der Fernsehturmspitze ins Weltall für eine beeindruckende Trapezdarbietung.

Das Kostümbild, das Manfred Thierry Mugler und Stefano Canulli verantworteten, war stimmig und originell, wenngleich eine ideelle, gestalterische Nähe zwischen den Revuealiens und der Werbefigur bei der Parfümsorte „ALIEN“ der Parfüm- und Modemarke „MUGLER“ nicht zu übersehen war. Alles in allem erwartet den Besucher mit der Inszenierung eine in optischer und akustischer Hinsicht sättigende Portion guter Unterhaltung bar jeder politisierenden Provokation und ohne hypermoralischen Fingerzeig. In einer Sendung des Fernsehsenders „arte“ äußerte der Intendant Dr. Bernd Schmidt jüngst dazu, es gehe ihm letztlich um die „Kunst der Schönheit“, wobei er – dies wird die meisten Theaterfreunde freuen – noch anmerkte: „Wir urinieren nicht auf der Bühne.“


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