Wenngleich die Pariser Prêt-à-porter-Woche neun Tage mit Modenschauen umfaßt, ist die Modewoche nach dem neunten Tage nicht vorbei. Viele Schauräume sind für einen Tag oder gar für mehrere Tage darüber hinaus dem Fachpublikum weiterhin zugänglich. Ein Teil der Modeschöpfer verfügt über eigene Schauräume; der andere Teil unterhält gemeinschaftliche Räume.
Ein solcher Gemeinschaftsraum war der
Schauraum „Autrement SHOWROOM“, welcher noch am 2. Oktober 2014
offenstand. Einer der beteiligten Modeschöpfer war der
Franko-Chilene Octavio Pizarro. Nach dem Studium an der École de
la Chambre Syndicale de la Couture Parisienne trat Octavio Pizarro im
Jahre 1997 als Assistent in das Modehaus „Jean-Louis Sherrer“ ein. Vom
Jahre 1998 bis zum Jahre 2003 war er als künstlerischer Leiter
für die Marke „Jacques Fath“ verantwortlich. Danach war er bis zur
Gründung der eigenen Marke im Jahre 2011 der kreative Kopf der
Prêt-à-porter-Linie der Marke „Guy Laroche“. Für den
Entwurf seiner Prêt-à-porter-Kollektion für den
Frühling und Sommer 2015 stellte sich Octavio Pizarro, der die
Mischung von Materialien und Techniken mag, den Ankleideraum einer
Pariserin mit einer bevorstehenden Reise nach Miami vor. Seine
femininen und eleganten Silhouetten waren die „Osmose“ des Pariser
Chics und des Art-Deco-Stiles, der in den 1930er Jahren in Florida
starken Einfluß hatte. Die Beschäftigung mit Strickwaren
sowie eine genaue Kenntnis der Jacquard- und Intersia-Technik
ermöglichten ihm das Herausarbeiten von Art-Deco-Mustern, die den
weiblichen Körper dank einer Abfolge von Gewebe und Transparenz
formen und betonen sollten. Die Schnitte waren klar und scharf. Die
Einfachheit der kurzen Kleider, der Glamour der langen Kleider und die
Volumen der Jacken machten diese Strickkollektion nach der Intention
des Modeschöpfers zur idealen Bekleidung für die moderne,
stolze, charakterstarke Frau. Die Materialien Viskose und Leder waren
in den Farben Schwarz, Weiß, Grau und karmesinrot gehalten.
Der ungarische Modeschöpfer Sandor
Lakatos, dem eine hohe Qualität und ein
außergewöhnlicher Stil wichtig sind, präsentierte seine
Herrenkollektion für den Frühling und Sommer 2015 am gleichen
Orte. Für die Freunde der „Casual“-Kleidung hatte er gute
Nachrichten, denn die Kollektion drehte sich, von den für ihn
typischen Couturejacken einmal abgesehen, ums lichte, flotte und
mühelose Aussehen in der Kategorie „Streetwear“. Der zentrale
Punkt der Kollektion lautete Funktionalität, mit welcher der
„dunkle“ Minimalismus des Modeschöpfers Hand in Hand ging. Als
Modell für die Werbekampagne nahm Sandor Lakatos kein
professionelles Mannequin, sondern eine Person des öffentlichen
Lebens. Er gewann den Ballettänzer und Prinzipal der Ungarischen
Nationaloper Levente Bajári mit dessen vibrierendem Charakter
und scharfen Posen. Nach Sandor Lakatos’ Ansicht schafft Ballett eine
Atmosphäre der Eleganz, Schönheit, Klasse und
Flexibilität in einem.
Ebenfalls dort zu sehen war die Kollektion
„RUMORE BIANCO“ des italienischen Modeschöpfers Sylvio Giardina,
der sich die Aufgabe vorgenommen hatte, dem Thema Weiß eine neue
Facette hinzuzufügen. Unterschiedliche Weißschattierungen
ergaben sich aus der Verwendung verschiedener Strukturen und
Materialien wie lumineszierender Seide und 3D-Brokates. Weiß, mit
malerischen, unerwartete Schatten andeutenden Spritzern angereichert,
gab den Kleidern und Röcken eine Grundordnung. Demgegenüber
kamen Schwarz, Fleischrosa, Säuregrün und Meergrün bei
den verschieden langen Ausschmückungen in Folge der asymmetrisch
geschnittenen Volants vor. Eigens polierte Stoffe, beispielsweise mit
Nylonfäden verwobene Seide oder schwarzer, mit lumineszierenden
Lacken behandelter Raffiatweed, verstärkten die visuelle
Wahrnehmung des Lichtes. Weitere Materialien für die
Kleidungsstücke waren Seidenorganza, Baumwolltwill und Tüll.
Eine geschickte händige Durchbruchsarbeit erleuchtete den
Körper und filterte das Licht, um neuartige Schattierungen
hervorzubringen. Seidenfransen flossen von den Kleidern und schienen
selbige in die Töne des sichtbaren Spektrums zu färben.
Eingewickelte elastische Bänder, durch ausladende
Ausschmückungen unterscheidbar, führten zu einer Silhouette,
die als Sylvio Giardinas Leitmotiv den „Neuen Klassizismus“ neu
interpretieren sollte.
Inspiration zur Kollektion „SOLTAR“ der
Marke „Maydi“ war ein Moment der Trennung und Vertreibung. Jedes
Stück der Kollektion stand für pure Handwerkskunst und
beinhaltete eine Mischung aus Gefühlen, Leichtigkeit, Formen und
Beweglichkeit, die über Herkömmliches hinausging.
Großen Wert für die Modeschöpferin Marķa Abdala-Zolezzi aus
Argentinien hatte die Begeisterung für natürliche Fasern.
Baumwollgarn in unterschiedlichen Stärken und Bindungen traf so
auf peruanische und einfache Seide. Für die mit der Hand gewebten
Stoffe eignete sich am besten die „Crochet“-Technik.
In der Galerie „RTR“ war vom 26. September 2014 bis zum 3. Oktober 2014 der Schauraum „Pre Helsinki“ untergebracht. Das Projekt „Pre Helsinki“ ist eine Plattform, um Mode und Modeschöpfer aus Finnland international bekanntzumachen. Dahinter steht die im Jahre 1871 in Helsinki gegründete Aalto University School of Arts, Design and Architecture. Das Modehaus „SILOΛ&MOOK“ in Helsinki steht mit seinen hochwertigen Kleidern für die Gegensatzpaare weich und hart, sanft und rauh, hell und dunkel. In den Kollektionen kommen klassische Linien mit ausgewählten Materialien, üppigen Strukturen und lebhaften Drucken zusammen. Die auch in Helsinki ansässige Modeschöpferin Satu Maaranen, die im Jahre 2013 den berühmten Modewettbewerb in Hyéres gewann, konzentriert sich bei ihrer Wertschätzung alter Couture auf Natur und Kunst. Der stärkste Einfluß kommt noch immer aus ihrer Jugendzeit im familiären Sommerhause, vorzugsweise bei den Erinnerungen ans Wandern durch die Wälder und Schwimmen in den Seen. Thema ihrer aktuellen Kollektion „Geometry of futufolk“ waren die Volkskorruption, die Raumfahrt der 1960er Jahre und die Ornamentik der Barockzeit. So erklären sich die natürlichen Materialien und die mit der Hand gemachten Landschaftsdrucke. Im April 2014 brachte sie überdies zusammen mit der französischen Marke „Petit Bateau“ die Kollektion „SATU MAARANEN X PETIT BATEAU“ heraus. Diese Zusammenarbeit soll nun fortgesetzt werden.
Die von der Modeschöpferin Julia Lundsten aus Finnland im Jahre 2004 in London gegründete Marke „FINSK“ steht für avantgardistische und gleichwohl tragbare Schuhe. Kennzeichen an den in einem brasilianischen Atelier handwerklich gefertigten Schuhen ist der Kontrast zwischen den Materialien Leder und Holz. Die Verbindung traditioneller Schuhherstellung und moderner ästhetischer Konzepte reicht von den handbemalten hölzernen Absätzen bis zum Beschreiten neuer Wege in der Lederverarbeitung zusammen mit örtlichen Gerbereien. Hinter der in Helsinki beheimateten Marke „ONAR“, was im Altgriechischen Traum bedeutet und welche sich durch einen modernen Einsatz „ethischen“ Pelzes, Leders und Strickes definiert, steht die Modeschöpferin Irene Kostas, für die Nachhaltigkeit ein hoher Wert ist. Konsequenterweise werden nur bereits existierende Materialien zu Kleidern verarbeitet; nichts wird eigens produziert. Ressourcen für die mit der Hand auszusuchenden Felle und Leder sind Wildspielhäute, industrieller Überschuß und Nebenprodukte bei der Nahrungsherstellung in Italien. Die Kleider und Accessoires entstehen in Handarbeit bei Handwerkern in Finnland und Griechenland, und zwar in Gegenden mit einer langjährigen Spezialisierung auf die traditionelle Verarbeitung von Fellen und Ledern. Inspirationsquelle für Irene Kostas sind Finnland und Griechenland als ihre Heimatländer; skandinavischer Minimalismus und byzantinische Pracht prallen somit aufeinander. Die einfachen, weiten Silhouetten lassen zusätzlich an klösterliches Leben denken. Raffinierte Wickelkrägen, weiche, rabenschwarze Mäntel und plüschige Stolen in Regenbogenfarben runden die Kollektionen ab.
Bei der im Jahre 2012 von der
Modeschöpferin Saara Lepokorpi, einer Absolventin der besagten
Modeschule und Siegerin des Modewettbewerbes „Copenhagen Fashion
Summit“, und ihrem Partner Karri Lehtovuori gegründeten Marke
„Lepokorpi“ erscheinen Elemente der Sportkleidung und Ideen der
„Casual“-Kleidung nebeneinander, während starke Männlichkeit
und warme, intelligente Weiblichkeit bei ausgefallenen Mustern und
Schnitten miteinander kollidieren.