Geiz ist nicht geil

Demonstranten besetzen den Laufsteg

Proteste vor der Modenschau „YDE“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 19. November 2014

Gelegentlich verläuft eine Modenschau anders als geplant, zumal wenn Personen plötzlich mitwirken, die gar nicht vorgesehen sind. Eine Protestgruppe störte den Ablauf der Veranstaltungsreihe „semaine des créateurs de mode femme printemps été 2015“.

Eigentlich sollte die Modenschau mit der Marke „YDE“ am 1. Oktober 2014 einen ruhigen Abschluß unter den im Kalender der Fédération Française de la Couture, du Prêt-à-Porter des Couturiers et des Créateurs de Mode verzeichneten Defilees bilden. Doch es kam anders, als es sich die Veranstalter gedacht hatten. In der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts gab es eine Demonstration im allgemeinen gegen die Austeritätspolitik der aktuellen Regierung der Französischen Republik und im besonderen gegen die Praxis, Räume öffentlicher Einrichtungen ohne Beteiligung der Mitarbeiter für kommerzielle Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Während ein Teil der aus Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen bestehenden Protestgruppe im Hofe und in den Gängen Informationsmaterial verteilte, hielt der andere Teil den für die Modenschau vorgesehenen Laufsteg besetzt. Die Wortführer der Protestgruppe bestanden darauf, eine Kundgebung abzuhalten. Die Verhandlungen mit den Veranstaltern der Modenschau zogen sich hin. Sogar der Einsatz der Polizei vermochte die Blockade nicht zu beenden.

Drinnen warteten die bereits eingetroffenen Gäste voller Anspannung auf den Beginn der Modenschau. Draußen harrten die Photographen aus, weil sie vorgeblich aus Sicherheitsgründen vorübergehend nicht in den Saal eingelassen wurden. Das Sicherheitspersonal setzte derweil auf Deeskalation und diskutierte mit wenigen Demonstranten über den Sinn beziehungsweise Unsinn, gerade eine Modepräsentation als Protestplattform zu nutzen. Endlich einigten sich die Parteien auf eine knappe Ansprache vor der Modenschau, so daß Bewegung in die festgefahrene Lage kam. Nachdem sich die Photographen auf der Medientribüne eingerichtet hatten, legten die Wortführer mit dem Vortrage ihres Manifestes los. Nach ein paar Minuten war der „Spuk“ vorbei; die Protestgruppe zog ab und die Modenschau begann. Doch es drohte der Modepräsentation neues Ungemach, als die Stromversorgung ausfiel und die Scheinwerfer erloschen. Im Dunkeln waren die Modelle kaum zu sehen, geschweige denn zu photographieren. Es kam zu einer unfreiwilligen Pause. Als es behelfsweise wieder einigermaßen mit der Beleuchtung klappte, ging die Modenschau weiter.

Immerhin blieben die übrigen, vorherigen Modenschauen des letzten Defileetages der Veranstaltungsreihe ohne Zwischenfälle. Es lag wohl an der Geographie, denn sowohl der indische Modeschöpfer Rahul Mishra als auch die Modeschöpferin Andrea Karg aus München zeigten ihre neuen Kollektionen im Palais de Tokyo. Rahul Mishra, ein Neuling in der Pariser Modewoche, traf auf ein Publikum das nicht abgelenkt war. Dessen Begeisterung war ihm ob der feinen bodenlangen und knielangen Kleider in Schwarz, Hellgrau oder Cremeweiß sicher.

Andrea Kargs neue Kollektion „Embracing Uncertainty“ ihrer Marke „ALLUDE“ ging von der Freiheit des Einzelnen mit unterschiedlichsten Lebensweisen aus. Für sie war es ein Zeichen der Zeit, für alles offen zu sein und keinen vorgegebenen Regeln zu folgen. Die Experimentierfreude der Modeschöpferin wurde gleichzeitig auf mehreren Ebenen sichtbar. Unterschiedliche Texturen wurden mit höchster Handwerkskunst zu für die Marke typischen, fein ausgearbeiteten Strukturen verarbeitet. Minimalistische und klare Silhouetten garantierten durch Applikationen und Ausschnitte ein feines, feminines Aussehen. Daneben kamen exakte geometrische Formen und Muster vor, die durch transparente Trägermaterialien, Strass-Steine oder rohes, unbehandelte Kaschmirwolle und Fransen leicht und luftig wirkten. Das gezielte Spiel mit Strickvarianten führte zu einer Neuinterpretation von Jacquard-, Vichy- und Pepita-Mustern. Zur Abrundung trugen die Mannequins flache, offene Sandalen. Die opulent gearbeiteten Plaids aus Kaschmirwolle wurden an einem Ledergeschirr getragen. Andrea Kargs Resümee lautete: „Ich kann die Welt nicht verändern, aber etwas angenehmer machen.“


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