Gelegentlich verläuft eine Modenschau anders als geplant, zumal wenn Personen plötzlich mitwirken, die gar nicht vorgesehen sind. Eine Protestgruppe störte den Ablauf der Veranstaltungsreihe „semaine des créateurs de mode femme printemps été 2015“.
Eigentlich sollte die Modenschau mit der
Marke „YDE“ am 1. Oktober 2014 einen ruhigen Abschluß unter den
im Kalender der Fédération Française de la
Couture, du Prêt-à-Porter des Couturiers et des
Créateurs de Mode verzeichneten Defilees bilden. Doch es kam
anders, als es sich die Veranstalter gedacht hatten. In der
École Nationale Supérieure des Beaux-Arts gab es eine
Demonstration im allgemeinen gegen die Austeritätspolitik der aktuellen Regierung
der Französischen Republik und im besonderen gegen die Praxis, Räume öffentlicher Einrichtungen ohne Beteiligung der Mitarbeiter für kommerzielle Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Während ein Teil der aus Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen bestehenden
Protestgruppe im Hofe und in den Gängen Informationsmaterial
verteilte, hielt der andere Teil den für die Modenschau
vorgesehenen Laufsteg besetzt. Die Wortführer der Protestgruppe
bestanden darauf, eine Kundgebung abzuhalten. Die Verhandlungen mit den
Veranstaltern der Modenschau zogen sich hin. Sogar der Einsatz der
Polizei vermochte die Blockade nicht zu beenden.
Drinnen warteten die bereits
eingetroffenen Gäste voller Anspannung auf den Beginn der
Modenschau. Draußen harrten die Photographen aus, weil sie
vorgeblich aus Sicherheitsgründen vorübergehend nicht in den
Saal eingelassen wurden. Das Sicherheitspersonal setzte derweil auf
Deeskalation und diskutierte mit wenigen Demonstranten über den
Sinn beziehungsweise Unsinn, gerade eine Modepräsentation als
Protestplattform zu nutzen. Endlich einigten sich die Parteien auf eine
knappe Ansprache vor der Modenschau, so daß Bewegung in die
festgefahrene Lage kam. Nachdem sich die Photographen auf der
Medientribüne eingerichtet hatten, legten die Wortführer mit
dem Vortrage ihres Manifestes los. Nach ein paar Minuten war der „Spuk“
vorbei; die Protestgruppe zog ab und die Modenschau begann. Doch es
drohte der Modepräsentation neues Ungemach, als die
Stromversorgung ausfiel und die Scheinwerfer erloschen. Im Dunkeln
waren die Modelle kaum zu sehen, geschweige denn zu photographieren. Es
kam zu einer unfreiwilligen Pause. Als es behelfsweise wieder
einigermaßen mit der Beleuchtung klappte, ging die Modenschau
weiter.
Immerhin blieben die übrigen,
vorherigen Modenschauen des letzten Defileetages der
Veranstaltungsreihe ohne Zwischenfälle. Es lag wohl an der
Geographie, denn sowohl der indische Modeschöpfer Rahul Mishra als
auch die Modeschöpferin Andrea Karg aus München zeigten ihre
neuen Kollektionen im Palais de Tokyo. Rahul Mishra, ein Neuling in der
Pariser Modewoche, traf auf ein Publikum das nicht abgelenkt war.
Dessen Begeisterung war ihm ob der feinen bodenlangen und knielangen
Kleider in Schwarz, Hellgrau oder Cremeweiß sicher.
Andrea Kargs neue Kollektion „Embracing
Uncertainty“ ihrer Marke „ALLUDE“ ging von der Freiheit des Einzelnen
mit unterschiedlichsten Lebensweisen aus. Für sie war es ein
Zeichen der Zeit, für alles offen zu sein und keinen vorgegebenen
Regeln zu folgen. Die Experimentierfreude der Modeschöpferin wurde
gleichzeitig auf mehreren Ebenen sichtbar. Unterschiedliche Texturen
wurden mit höchster Handwerkskunst zu für die Marke
typischen, fein ausgearbeiteten Strukturen verarbeitet. Minimalistische
und klare Silhouetten garantierten durch Applikationen und Ausschnitte
ein feines, feminines Aussehen. Daneben kamen exakte geometrische
Formen und Muster vor, die durch transparente Trägermaterialien,
Strass-Steine oder rohes, unbehandelte Kaschmirwolle und Fransen leicht
und luftig wirkten. Das gezielte Spiel mit Strickvarianten führte
zu einer Neuinterpretation von Jacquard-, Vichy- und Pepita-Mustern.
Zur Abrundung trugen die Mannequins flache, offene Sandalen. Die
opulent gearbeiteten Plaids aus Kaschmirwolle wurden an einem
Ledergeschirr getragen. Andrea Kargs Resümee lautete: „Ich kann
die Welt nicht verändern, aber etwas angenehmer machen.“