Der Duft der großen, weiten Welt

Wunderkinder in Paris

Finale der Modenschau „LEONARD PARIS“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 16. November 2014

Manchmal haben Modeschöpfer bei der Auswahl einer Veranstaltungsstätte für eine Modepräsentation keine glückliche Hand. So erging es diesmal dem Potsdamer Modeschöpfer Wolfgang Joop, der am 29. September 2014 seine neue „WUNDERKIND“-Kollektion in Paris präsentierte.

Schauplatz war die ansonsten jedem frei zugängliche Promenade unterhalb der Cité de la Mode et du Design nahe dem Seineufer. Was dort einer Besucherin, der sehenswerten und tragbaren farbenfrohen, jugendlich wirkenden Kleider ungeachtet, in Erinnerung an die Modenschau blieb, war der ihren Sitzplatz umgebende penetrante Uringeruch während der Vorführung. Insofern erwies sich Wolgang Joops Wahl der Veranstaltungsstätte zumindest für diese Besucherin als sprichwörtlicher Griff in die WC-Schüssel. Da traf die portugiesische Modeschöpferin Fatima Lopes mit dem Revuetheater „LIDO“ schon eine bessere Wahl. In gediegener Umgebung setzte sie hauptsächlich auf sehr kurze Röcke.

Erik Frenken, der niederländische Modeschöpfer hinter der Marke „AVELON“, hatte durch Weltreisen den Horizont der Marke erweitert. Auf dem Wege der Fortentwicklung seiner kreativen Handschrift fand er nunmehr Parallelen in den persönlichen Beweggründen eines anderen Künstlers. Das Buch „Bevor sie aussterben“ des britischen Bildjournalisten und Photographen Jimmy Nelson war eine Hommage an Stammeskulturen auf der ganzen Welt sowie deren eigene Identität, Kunst und Traditionen. Auf der Suche nach der eigenen Identität und Selbstverwirklichung blieben auch Jimmy Nelsons Bilder sowie seine Fertigkeit, komplizierte Details und feine Nuancen zu erfassen, nicht ohne Einfluß auf Erik Frenken. Für Erik Frenken machten Authentizität und Identität die idyllischen Porträts der Kulturhüter aus.

Stammesornamente wie bei der Nutzung des Grases, des Mooses und der Plisseestoffe wurden für die Verwendung neuer Materialien wie des Bastes und des geprägten Leders übernommen. Demgegenüber gaben luxuriöse Stoffe wie Crêpe de Chine nach Sandwaschung und Smokarbeit aus Georgetteseide der Kollektion Tiefe und Textur. Die Farbpalette umfaßte gedämpfte Pastelltöne wie Elfenbein, Terra und Rosa sowie weitere Töne wie rauhes Rot und anspruchsvolles Grau für ein dezentes modernes Aussehen. Saure Blau- und Grüntöne sowie Lindgrün und Aschblau wiesen als Mischung hingegen auf den Futurismus in der Neuinterpretation der Authentizität und kulturellen Identität der Stämme hin. Alles diente einer perfekten Harmonie. Die Modenschau war im Hôtel d’Avaray beziehungsweise in der Botschaft des Königreiches der Niederlande zu sehen.

Auch in den Pariser Schauräumen tat sich etwas. Das Pariser Modehaus „jitrois“ plante für die Zukunft. Die für den Modeschöpfer Jean Claude Jitrois typischen Silhouetten im Stile der 1980er Jahre wurden mit neuen Techniken und Formen überarbeitet. In seinem Pariser Appartement erlebten die Modelle eine „Weltraumodyssee“. Strukturierte Jacken und weite Röcke schufen Silhouetten wie Kokons. Der nahe mathematische Rhythmus ergonomischer Bänder führte das Auge durch eine Landschaft der Moderne, die farblich folgendermaßen geprägt war: glänzendes Weiß, tiefes Blau, Gelb, Orange, Schwarz, Champagnerfarbe und lodernde Rottöne. Ein erstes Versprechen für den kommenden Frühling bestand in den gestickten, ausgeschnittenen Lederrosen. Die von Hand gestickten Blumen zogen sich, mit einer Vielzahl von Stoffen und Stücken gemischt, durch die gesamte Kollektion.

Als Weiterentwicklung der letzten Kollektion wurde eine Technologie eingeführt, um ein Höchstmaß an Perfektion bei den digitalen Laserschnitten zu erreichen und um verklebte Stücke als gewebte Illusionsmalerei erscheinen zu lassen. Eine dicke Linie aus reicher Fluidität kennzeichnete die neue Kollektion. Der Schriftzug „minoray technique“ wurde zum Leichteren hin überarbeitet. Die Verwendung von Lederbändern im venezianischen Stile, mit der Aufschrift „jour échelle“ versehen, und von fadenförmigen Schleifen sollte Blicke durch die Kleidungsstücke auf die Haut ermöglichen. Die Frau erhielt mit der Kollektion eine neue Fassung; die Männlichkeit hielt Einzug in ihre Geschichte durch Anleihen bei der Herrenbekleidung. Kraft der Ausschmückung mit goldenen Ösen und der kühnen, maskulinen Silhouetten gewann die Kollektion ein Mehr an Sexiness und Sinnlichkeit. Es ließ sich mit den Worten des Modehauses sagen: „Jitrois hat eine moderne Harmonie zwischen Nacht und Tage geschaffen.“


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