Manchmal haben Modeschöpfer bei der Auswahl einer Veranstaltungsstätte für eine Modepräsentation keine glückliche Hand. So erging es diesmal dem Potsdamer Modeschöpfer Wolfgang Joop, der am 29. September 2014 seine neue „WUNDERKIND“-Kollektion in Paris präsentierte.
Schauplatz war die ansonsten jedem frei
zugängliche Promenade unterhalb der Cité de la Mode et du
Design nahe dem Seineufer. Was dort einer Besucherin, der sehenswerten
und tragbaren farbenfrohen, jugendlich wirkenden Kleider ungeachtet, in
Erinnerung an die Modenschau blieb, war der ihren Sitzplatz umgebende penetrante Uringeruch
während der Vorführung. Insofern erwies sich Wolgang Joops
Wahl der Veranstaltungsstätte zumindest für diese Besucherin
als sprichwörtlicher Griff in die WC-Schüssel. Da traf die
portugiesische Modeschöpferin Fatima Lopes mit dem Revuetheater
„LIDO“ schon eine bessere Wahl. In gediegener Umgebung setzte sie
hauptsächlich auf sehr kurze Röcke.
Erik Frenken, der niederländische
Modeschöpfer hinter der Marke „AVELON“, hatte durch Weltreisen den
Horizont der Marke erweitert. Auf dem Wege der Fortentwicklung seiner
kreativen Handschrift fand er nunmehr Parallelen in den
persönlichen Beweggründen eines anderen Künstlers. Das
Buch „Bevor sie aussterben“ des britischen Bildjournalisten und
Photographen Jimmy Nelson war eine Hommage an Stammeskulturen auf der
ganzen Welt sowie deren eigene Identität, Kunst und Traditionen.
Auf der Suche nach der eigenen Identität und Selbstverwirklichung
blieben auch Jimmy Nelsons Bilder sowie seine Fertigkeit, komplizierte
Details und feine Nuancen zu erfassen, nicht ohne Einfluß auf
Erik Frenken. Für Erik Frenken machten Authentizität und
Identität die idyllischen Porträts der Kulturhüter aus.
Stammesornamente wie bei der Nutzung des
Grases, des Mooses und der Plisseestoffe wurden für die Verwendung
neuer Materialien wie des Bastes und des geprägten Leders
übernommen. Demgegenüber gaben luxuriöse Stoffe wie
Crêpe de Chine nach Sandwaschung und Smokarbeit aus
Georgetteseide der Kollektion Tiefe und Textur. Die Farbpalette
umfaßte gedämpfte Pastelltöne wie Elfenbein, Terra und
Rosa sowie weitere Töne wie rauhes Rot und anspruchsvolles Grau
für ein dezentes modernes Aussehen. Saure Blau- und
Grüntöne sowie Lindgrün und Aschblau wiesen als Mischung
hingegen auf den Futurismus in der Neuinterpretation der
Authentizität und kulturellen Identität der Stämme hin.
Alles diente einer perfekten Harmonie. Die Modenschau war im
Hôtel d’Avaray beziehungsweise in der Botschaft des
Königreiches der Niederlande zu sehen.
Auch in den Pariser Schauräumen tat
sich etwas. Das Pariser Modehaus „jitrois“ plante für die Zukunft.
Die für den Modeschöpfer Jean Claude Jitrois typischen
Silhouetten im Stile der 1980er Jahre wurden mit neuen Techniken und
Formen überarbeitet. In seinem Pariser Appartement erlebten die
Modelle eine „Weltraumodyssee“. Strukturierte Jacken und weite
Röcke schufen Silhouetten wie Kokons. Der nahe mathematische
Rhythmus ergonomischer Bänder führte das Auge durch eine
Landschaft der Moderne, die farblich folgendermaßen geprägt
war: glänzendes Weiß, tiefes Blau, Gelb, Orange, Schwarz,
Champagnerfarbe und lodernde Rottöne. Ein erstes Versprechen
für den kommenden Frühling bestand in den gestickten,
ausgeschnittenen Lederrosen. Die von Hand gestickten Blumen zogen sich,
mit einer Vielzahl von Stoffen und Stücken gemischt, durch die
gesamte Kollektion.
Als Weiterentwicklung der letzten
Kollektion wurde eine Technologie eingeführt, um ein
Höchstmaß an Perfektion bei den digitalen Laserschnitten zu
erreichen und um verklebte Stücke als gewebte Illusionsmalerei
erscheinen zu lassen. Eine dicke Linie aus reicher Fluidität
kennzeichnete die neue Kollektion. Der Schriftzug „minoray technique“
wurde zum Leichteren hin überarbeitet. Die Verwendung von
Lederbändern im venezianischen Stile, mit der Aufschrift „jour
échelle“ versehen, und von fadenförmigen Schleifen sollte
Blicke durch die Kleidungsstücke auf die Haut ermöglichen.
Die Frau erhielt mit der Kollektion eine neue Fassung; die
Männlichkeit hielt Einzug in ihre Geschichte durch Anleihen bei
der Herrenbekleidung. Kraft der Ausschmückung mit goldenen
Ösen und der kühnen, maskulinen Silhouetten gewann die
Kollektion ein Mehr an Sexiness und Sinnlichkeit. Es ließ sich
mit den Worten des Modehauses sagen: „Jitrois hat eine moderne Harmonie
zwischen Nacht und Tage geschaffen.“