Schattenspiele und leuchtende Flächen

Mode und ihre szenische Umgebung

Innige Freude – ein Mannequin und der Modeschöpfer Jean Paul Lespagnard (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 15. November 2014

Für das Gelingen einer Modepräsentation kommt es nicht bloß auf die Choreographie und die Musik an. Die Kulisse, genauer gesagt die Beschaffenheit und Herrichtung der Veranstaltungsstätte, ist desgleichen von Bedeutung. Die Inszenierung überzeugt das Publikum dann, wenn alles aufeinander abgestimmt ist und in Wechselwirkung steht. Bestenfalls kommt ein Gesamtkunstwerk heraus.

Der Pariser Modeschöpfer Maxime Simoëns veranstaltete am 28. September 2014 zum zweiten Male ein Modedefilee in der Veranstaltungsstätte „Serre de l’Orangerie du Parc André Citroën“. Die Räumlichkeit fiel durch drei riesige Fensterfronten und eine aus verschieden farbigen, Licht durchlässigen Rechtecken bestehende vierte Front auf. So ließ das durch alle Seiten einfallende Sonnenlicht die vorgeführten farbigen Kleider in idealer Weise erstrahlen. Die Kollektion „Pixel“ war für Maxime Simoëns eine „Reise ins Herz der Bilder, ein Eintauchen in die Tiefen der Farbe“ und ein Spiel mit der Farbe. Die „retro-futuristische“ Silhouette, die A-Linie, das Rockende schon am Oberschenkel sorgten für gute Laune, die für den Modeschöpfer an erster Stelle stand. Die Kleider waren perfekt für ein Wochenende am Meere. Populärer Optimismus und die Sorglosigkeit der 1960er Jahre waren die dazu passenden Stichworte für den Modeschöpfer. Nach seiner Intention waren die Kleidungsstücke sanft graphisch und bekleideten unter Vermeidung glamouröser Klischees den Körper ohne Einschränkung.

Um so mehr lag der Fokus auf dem Vergnügen, sich einfach nur auf sich selbst zu konzentrieren: feminin, fröhlich, kultiviert, spaßig und brillant, mit all der Freude und Leichtigkeit als Begleiter des Sommers. Lust komme durch Farbe, konstatierte Maxime Simoëns. Die Farbe mochte sich ergeben durch Einfärbung und Verwischung in der Art des lettisch-amerikanischen Malers Mark Rothko russisch-jüdischer Herkunft. In Betracht kamen auch vom französischen Maler Nicolas de Staël russisch-baltischer Herkunft inspirierte Farbkombinationen in exklusiven Drucken. Eine Vielzahl bestickter Quadrate erinnerten an die Werke des französischen Malers und Bildhauers Daniel Buren. Maxime Simoëns’ Farbpalette sollte somit ein Gefühl von Freiheit und Schaffenskraft vermitteln. Strickwaren hatten unregelmäßige Strukturen, wobei Mattigkeit und Glanz miteinander kontrastierten. Stickerei aus Baumwollfäden war nahezu unsichtbar für das bloße Auge. Wie Gemälde erschlossen sich die Kleider nach der Ansicht des Modeschöpfers am besten durch eine Nahaufnahme. Ein Pinselstrich setzte sich aus Hunderten von Perlen zusammen. Ein Laserschnitt-Kleid wies eine spinnenartige Textur auf.

Seladongrün, Pink, Kobaltblau und Lagunenblau drückten die Attraktivität eines Cocktailgenusses beim Sonnenuntergange aus. Auf schwarzem Grunde sorgten verzinkte Metallösen für eine unverzichtbaren Hauch von oranger, gelber und azurblauer Farbe. Bei den Materialien galt das Prinzip der Leichtigkeit. Federleichter Chiffon sollte die Stoffe in der Abendbrise schweben lassen. Das Cape sollte mit der Bewegung schwanken. Minikleider hatten graphische Origami-Falten. Bei Maxime Simoëns gab es keinen Zusammenprall der Kulturen, sondern einen „Zusammenprall der Materialien und des Glanzes“, und zwar eine Mischung aus Lackleder, Stickerei und Gürtel. Von Jelly inspirierte Schuhe wurden mit farbigen Ledersocken getragen. Alles in allem war die Kollektion der Ausdruck einer in ornamentale Motive übersetzten Geisteshaltung, für welche Maxime Simoëns die Begriffe Energie, Bewegung, Vergrößerung und Unendlichkeit nannte.

Der indonesische Modeschöpfer Tex Saverio, Absolvent der Designschule in Jakarta, gründete seine Marke im Jahre 2010. Seine zwischen der Haute Couture und der Prêt-à-porter-Mode angesiedelte Kleidung wird gewöhnlich mit den Begriffen „dramatisch“, „theatralisch“ und „spektakulär“ beschrieben. Im Palais de Tokyo präsentierte er in Form einer mit Lichtern und Schatten arbeitenden Modeinstallation die zehnteilige Kollektion „PARAMETRIC“. Das Konzept der Kollektion bestand im Halten der vorgegebenen Struktur sogar in der Bewegung, weshalb die Silhouette einen starken geometrischen Charakter hatte. Die Silhouette ergab sich aus den Kleideroberteilen mit ihren unterschiedlichen Formen und Ausschnitten. Hinzu kamen knielange Röcke, der typische Tellerrock, Bustierkleider und ausgestellte Kleider.

Bei den Materialien war das PU-Hologram eine Besonderheit. Bedruckter Seidenorganza und bedruckte Duchesseseide verstärkten die futuristische Note der Kollektion. Der Textur stand einer transparenten und matten Oberfläche gegenüber. Farbtöne wie Schneeweiß, Aquablau, Silbergrau und Tiefschwarz sollten in Abkehr zu den Tönen der letzten Kollektion - feuriges Blau, Champagnerfarbe, Platin, Gold - zum Träumen anregen. Verschiedene Techniken wie edle Drucke sowie Terrakotta-, Mosaik- und Zitadellen-Laserschnitte wurden eingesetzt, um die Idee der symmetrischen Reflexion des Lebens durch das Schaffen von 3D-Kunstwerken in dieser Kollektion zu verwirklichen.

Eine Modeinstallation der besonderen Art erlebte das Publikum noch beim belgischen Modeschöpfer Jean Paul Lespagnard. Seine Mannequins gruppierten sich um ein sich durch zwei Räume in endloser Runde bewegendes Fließband, auf dem Plastikflaschen in Endlosschleife transportiert wurden. Die Mannequins in den Kleidern der Kollektion „LE SAVOIR-FAIRE“ waren übrigens auch auf den Flaschen, die Senf enthielten, abgebildet.


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