Der Zauber der Musik

Auf und ab mit Ballonen

Das Mannequin Appoline Rozhdestvenska vor der Modenschau „ISSEY MIYAKE“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 13. November 2014

Bei einer Modepräsentation geht es vorrangig um das Vorführen oder Zeigen von Kleidung. Gleichwohl darf die musikalische Untermalung nicht fehlen, um für das Publikum ein unvergeßliches Erlebnis zu werden. So läßt sich der japanische Modeschöpfer Issey Miyake für jede Modenschau etwas Neues einfallen.

Zur Präsentation der Kollektion „Windscape“ der japanischen Marke „ISSEY MIYAKE“ am 26. September 2014 steuerte der japanische Musiker Ei Wada, ein Mitglied der Gruppe „Open Reel Ensemble“ die Musik bei. Ei Wada erfand auch ein Musikgerät, das er „Flying Records“ nannte. Es umfaßte Heliumballone, die an den Enden magnetischer Bänder hingen, die man von alten Tonbandgeräten kennt. Die Bänder enthielten eine chorale Vermischung einzelner Kinderstimmen. Das neue Musikgerät veränderte harmonisch zur Melodie die Länge der Bänder, so daß die Ballone mal aufstiegen, mal abstiegen. Am Rande des Laufsteges erzeugte Ei Wada die Melodie mit einer elektronischen Orgel, die wiederum in Verbindung mit den Bändern stand. Magnetismus und Auftrieb machten sozusagen Musik.

Die Kollektion des für die Marke tätigen Modeschöpfers Yoshiyuki Miyamae atmete hingegen die kreative Kraft des Windes. Für den Modeschöpfer ergab sich ein Bild, in dem weiche weiße Wolken über den azurblauen Himmel schwebten, Wellen sanft die Oberfläche der Seen und Meere kitzelten sowie majestätische Sanddünen anmutig ihre Konturen veränderten. Die Kollektion stellte eine weitere Stufe in der Technologie „3D Steam Stretch“ dar, die Issey Miyake aus der traditionellen Faltentechnik und aus der Technik der Fertigung aus einem Stücke Tuches (a piece of cloth/A-POC) entwickelt hatte. In dieser Saison nun wirkte der angewandte Dampf derart auf das Tuch ein, daß sich das flache Gewebe sofort in eine 3D-Form mit unzähligen Oberflächen verwandelte, woraufhin die Konturen der entworfenen Falten folgten. Dieses neue Stretch-Material, das weder Strick noch Falte war, hüllte den Körper leicht wie eine Wolke in eine Stromlinienform, was einen glauben ließ, der Wind selbst wäre die Kleidung der Trägerin.

Ein Neuling in der Pariser Modewoche war die dänische Modeschöpferin Anne Sofie Madsen, eine Absolventin der Königlich Dänischen Akademie der Schönen Künste. Ihre in der Residenz des Botschafters des Königreiches Dänemark gezeigte Kollektion „COME UNDONE“ thematisierte das Aufgehen in der Zeit, das Auseinanderfallen und das Ausfließen in den Raum. Sie verkörperte den Kontrast zwischen etwas sehr Privatem und Persönlichen einerseits und etwas Freigelegtem und Aufgedecktem andererseits. Die Modeschöpferin stellte sich ein gemütliches Zimmer in die Unendlichkeit vor; die Frau erschien als Katzendame in einer zerbrochenen Zeitmaschine. Hinter den Silhouetten stand der Gedanke an die Existenz kybernetischer Organismen mit sowohl organischen als auch technologischen Komponenten.

Für Anne Sofie Madsen war es die Erfindung und Neuerfindung der Natur. Dieses Gefühl tauchte wieder auf bei der Neuinterpretation traditioneller Kunsthandwerksmethoden. Devoré-Techniken, Steppen, Rüschen und Smokarbeiten mit einer Haushaltsmaschine aus den 1950er Jahren sollten die weibliche Silhouette verschlechtern. Leder, Leinen, handbemalte Seide und Nerzfell tauchten in komplexen Gegenüberstellungen auf. Die Kombination von Leichtigkeit und Stärke ergab sich aus schweren Schnüren und Rüschen. Es war alles in allem im Sinne der Modeschöpferin ein „Flickenteppich verschmolzener mechanischer Formen, ausgefranster Ränder, auseinanderklaffender Mäntel“.


Weitere Bilder


█ INHALTSVERZEICHNIS █ KALENDER █ IMPRESSUM