Wenn es in Paris darum geht, eine Veranstaltungsstätte für eine Modepräsentation zu finden, halten sich ausländische Modeschöpfer gerne an diplomatischen Einrichtungen ihres Heimatlandes. Für die Diplomaten ist es wiederum eine Gelegenheit nationaler Repräsentation, nämlich mit der Mode die kulturelle Bedeutung des eigenen Landes zu bekräftigen. Die Räumlichkeiten einiger Botschaftsgebäude waren schon solche Orte des Geschehens, wie es Belgien, Brasilien, Kanada, die Niederlande und Spanien zeigen. Nunmehr war Polen an der Reihe.
Am 25. September 2014 präsentierte
die polnische Modeschöpferin Gosia Baczyńska ihre Kollektion
„Black Spring“ in den Sälen der Botschaft der Republik Polen. Die
Kollektion rührte aus ihrer Faszination für Henry Millers
Werk „11 Commandments“ her. Der vom Autor entwickelte „Work Schedule“
ist nach Ansicht der Modeschöpferin in seiner Natur so universell,
daß er von jedem Künstler leicht verinnerlicht werden kann.
Henry Millers Text veranlaßte Gosia Baczyńska, den kreativen
Prozeß zu überdenken. Zur gleichen Zeit gewann der Kontext
der künstlerischen Bohème der 1930er Jahre an
Einfluß, und zwar mit der charakteristischen glühenden
Stimmung der intellektuellen Provokation, die in individuellen
Anzügen wahnehmbar werden sollte. Die Kollektion erhielt so zwar
eine schelmische Note, blieb aber zugleich ruhig und ausgeglichen. Die
Modeschöpferin stellte sich ein gehorsames, schlecht werdendes
Mädel vor, wenn die scheinbar bescheidene Kleidung ihren
rebellische Natur offenbart..
Gosia Baczyńskas Lieblingszitate „Bleibe
menschlich! Gehe auf die Plätze, siehe die Leute, trinke, wenn dir
danach ist!“ und „Sei kein Zugpferd! Arbeite nur mit Vergnügen!“
übertrug sie als Stellungnahme beziehungsweise Botschaft auf
Blusen, Röcke, Kleider und Schuhe. Dort erschienen sie, in
Begleitung von Schülerkritzeleien, entweder als gedruckte
Inschriften oder als Schriftzüge aus der Hand der
Modeschöpferin. Mal waren sie deutlich sichtbar, mal waren sie
eher versteckt. Die Schriften waren ein ornamentales Detail, wenn sie
mit Goldfolie auf einem einfachen schwarzen Kleide gedruckt waren.
Demgegenüber wirkten sie wie ein mysteriöser Code, wenn sie
aus dem Innern der Falten hervorsprangen.
Die Kollektion beinhaltete experimentelle
Falten, von der Satztechnik inspirierte Drucke, mit Folie und
Schwarmmustern bedeckte Borten sowie Jacquard-Strick. Die Lasertechnik
beim Formen und Zuschneiden der Falten führte zu 3D-Texturen, die
bei der Bewegung auf den Kleidern zu tanzen schienen, was einen Blick
auf die nackte Haut darunter ermöglichte. Die meisten Kleider
hatten eine Knielänge oder Midilänge. Die dominierenden
Farben waren Schwarz, Marineblau, Pink, Minzgrün und Weiß.
Bei den Accessoires wiesen silberne Ringe, die Siegelringen glichen,
die besagten satztechnischen Motive auf und enthielten so eine
verschlüsselte Nachricht. Auch bei den Schuhen betätigte sich
Gosia erstmals als Modeschöpferin. Bei den hoch geschnürten
Sandalen waren die oberen Vinylteile mit Henry Millers Zitaten
versehen, während die massiven kastenförmigen Absätze in
mit den satzLeder gehalten waren. Die Schuhkollektion entstand in
Zusammenarbeit mit der Schuhmarke „nunc“, hinter der die polnische
Modeschöpferin Dominika Nowak steht.
Für die neue Kollektion der aus
Nordirland stammenden und in Paris tätigen Modeschöpferin
Sharon Wauchob, die im Oratoire du Louvre gezeigt wurde, waren der
Geist und die Silhouetten der Jugendbewegung der späten 1960er
Jahre die Inspiration. Es war für Sharon Wauchob eine Zeit, in der
sich für einen Moment die Individualität und
Exzentrizität in der Mode, Musik und bildenden Kunst zeigte.
Für sie ergab sich eingedenk dieses kulturellen Paradigmenwechsels
eine Gelegenheit, eine vage „vintage“-Sinnlichkeit in Gestalt von
schräg geschnittenen Miniröcken und fließenden
Seidenkleidern mit von der Lingerie inspirierten, ungekünstelten
Details und mit schlanken, knabenhaften Hosen zu verschmelzen. Die
Farbpalette entsprach nach Einschätzung der Modeschöpferin
sowohl der Realität heutiger Bekleidung als auch den
Sehnsüchten der außergewöhnlichen, kurzlebigen
Ära: Schwarz, reines Weiß, Cremeweiß, Silbergrau und
Sandfarbe.
Für den indischen Modeschöpfer
Manish Arora stellte sich im Palais de Tokyo die Frau der neuen Saison
als freigeistige Reisende durch pastellfarbene Landschaften aus Rosen
und Raumschiffen dar. Halluzinatorische Götter und Astronauten
schwebten demnach durch kaleidoskopische Mondwelten auf gedrucktem
Aertex und auf sportlichen Maschen aus schillerndem Lurex. Drucke waren
in feinen Texturen angelegt, um den verschwommenen Effekt von
Doppelbildern und Traumzuständen hervorzubringen, während die
schillernde Stickerei an die schimmernde Sonne langer Sommertage denken
ließ. 3-D-bestickte Rosen sowie Augen aus graphischem Vinyl und
Chiffon hatten neben holographischen Platten eine hypnotische Wirkung.
Die Kollektion war ein Wechselspiel zwischen Innerem und
Äußeren. Abgeschnittene Details auf Drucken enthüllten
verborgene Stickereien und gestreifter Strick berührte alles mit
einer hauchdünnen Leichtigkeit, während Schmuck hinter
transluzentem Glasnylon glänzte. Perlglanz, reflektierende
Stickereien und gefaltete Pailletten standen für spielerische
Selbstreflexion.
Lange, träge Silhouetten ergaben sich
aus einfachen T-Shirts. Sportliche Radlerhosen und glitzernde
Röhrentops waren mit Sonnenkappen gepaart. Eine euphorische
Positivität durchdrang nach der Empfindung des Modeschöpfers
die Kollektion, die von Farbtönen natürlicher Vorgänge
geprägt war. Rosa und Pfirsichrot waren die Töne des
Sonnenunterganges; Blau und frisches Weiß waren die Töne des
schimmernden frühen Morgens. Manish Aroras Heldinnen schritten in
Cyber-Gladiatorsandalen aus holographischem PVC über den Laufsteg.
Für die nötige Bewußtseinserweiterung auf der Reise
sorgten Pastellspritzer, Prismenhalsketten und Ringe aus
lasergeschnittenem Plexiglase. Am Ende der Reise stand ein luftiges
Gefühl der Erleuchtung. Das Ziel war das Manish-Arora-Universum,
das nunmehr, das heißt seit der Eröffnung des eigenen Ladens
in Paris, leibhaftig zu erleben.