In der Prêt-à-porter-Woche treten nicht alleine die etablierten Modeschöpfer mit ihren Kollektionen in die Öffentlichkeit. Auch die Nachwuchstalente wagen sich aus den Ateliers heraus, um ihre Gestalt gewordenen Ideen in Paris zu präsentieren. So fanden sich Studenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg am 23. September 2014 vor dem Palais de Tokyo ein, um selbst als Mannequins ihre Projektkollektion „#WEISS11“ mit weißen Kleidern den Besuchern der Modenschau mit der Marke „PASCAL MILLET“ wie auch den Passanten vorzustellen.
Zu den etablierten Modeschöpfern darf
sich mittlerweile die Pariserin Christine Phung zählen. Die
Tochter eines kambodschanischen Vaters und einer französischen
Mutter verdankt ihrer bikulturellen Herkunft die Wertschätzung
für bedruckte Materialien. Hinzu kommt ihr Sinn für
Feingliedrigkeit und Architektur. Die Entwürfe bewegen sich
zwischen strengen und fließenden Linien. Nach dem Studium an der
École Duperré und dem Institut Français de la Mode
arbeitete sie für bekannte Marken wie „LEMAIRE“, „Chloé“,
„vanessabruno“, „Lacoste“ und „Baby Dior“. Im Jahre 2008 gab es im
Museum der Modernen Kunst in Lüttich eine Ausstellung mit ihren
Kleidern für die Internationale Design Biennale. Es folgten im
Jahre 2011 der Preis „Grand Prix de Création de la Ville de
Paris“ und im Jahre 2013 der Preis „ANDAM Prix des Premières
Collections“. Dazwischen, im Jahre 2012, wurde sie noch Finalistin des
Wettbewerbes „MANGO FASHION AWARDS“.
Daraus entstand für den Frühling
und Sommer 2015 eine Kollektion, die sich zart verführerisch und
zugleich betont modern gab. Bei dieser Kollektion ging es um die
Geschichte einer Frau, die es mag, über einen Vulkan radzufahren.
sowie die Unergründlichkeit und Gefährlichkeit der Natur
liebt; es ist ein Zustand, in dem sich der Fels verflüssigt, sich
das Erdinnere nach außen kehrt und sich das Land verschmelzt,
während das Blut unter der Haut beim Rasen durch die Krater in
Wallung gerät. Die radfahrende Christine Phung mag zwar ebenso
Vulkane, zieht es aber vor, Formen zu gestalten. In dieser Saison
interessierte sie sich für „Eruptionen von Farben“, die in einer
Fusion mündeten. So wie der Fels zu Lava schmilzt und sich dann zu
neuen Schichten anlagert, verarbeitete sie Fasern und Stoffe zu
Cocktailkleidern, verformte sie elastische Rahmen zu Strukturen von
Tageskleidern, verwandelte sie Kraterfarben in Muster für Blusen
und Hemden. Christine Phungs Faible für Unendlichkeit
verwirklichte sich in ihrer sechsten Kollektion „IT’S ABOUT A GIRL WHO
RIDES HER BIKE ON A VOLCANO“, die sie im Institut du Monde Arabe zeigte.
In liebevoller Erinnerung an ihre am 2.
August 2014 verstorbene Mutter gestaltete die britische
Modeschöpferin Corrie Nielsen die Kollektion „The Single Girl“.
Die achte Kollektion spiegelte die gesellschaftliche Transformation der
1960er Jahre wieder, als die weibliche Stärke und
Unabhängigkeit in körperlicher, emotionaler, sozialer und
ökonomischer Hinsicht einen Durchbruch erlebt hatte. Es war auch
eine Zeit gewesen, in der sich die weibliche Mode von Konventionen und
äußeren Zwängen zur Kontrolle des weiblichen
Körpers endgültig befreit hatte. Die Kollektion
veranschaulichte die Faszination der Absolventin des Central Saint
Martins College of Art and Design für die Art und Weise, wie sich
Formen einsetzen lassen, um die Weiblichkeit abseits patriarchaler
Traditionen zu definieren. Die Linien und Silhouetten mit den
skulpturalen, frei fließenden Formen lehnten sich an die
Möbel- und Tapetengestaltung der 1960er Jahre an. Auch die
futuristischen Kurven und Windungen der „THE Jetsons“-Cartoons und der
Perspex-Möbel blieben nicht ohne Einfluß auf die
Entwürfe.
Die Fortschrittlichkeit der
Befreiungsbewegung in den 1960er Jahren steckte in den Materialien und
Farben: dunkelbrauner Satin über Latex, beigefarbene Duchesseseide
und grauweißer Tüll, subtil mit Perlen ausgeschmückt.
Die bei aller weiblicher Stärke für Corrie Nielsen
charakteristische Akzentuierung einer kindlichen Weiblichkeit zeigte
sich sowohl am Spielen mit blaßgelber Seide und grauweißem
Mohair als auch an der Feinheit und Schlankheit der Formen. In den
Kleidern sollten sich die Frauen mit Grazie, Leichtigkeit und
Zuversicht bewegen. Um die Kleider tragbar und vergnüglich zu
gestalten, hielt sich die Gewinnerin des Preises „FASHION FRINGE“ im
Jahre 2010 an zwei Stilikonen der 1960er Jahre; Brigitte Bardot und
Jane Birkin hatten das Publikum ihrerzeit mit einer überaus
starken körperlichen und emotionalen Präsenz beeindruckt. Die
Kollektion war als Verkörperung von Unabhängigkeit und
Selbstgenügsamkeit letztendlich eine Verbeugung vor den Frauen in
den 1960er Jahren, die mit ihren Veränderungen das heutige
Frauenbild erst ermöglicht hatten. Leider war das Licht bei der
Modenschau in der Veranstaltungsstätte „Salons du Louvre“ am 23.
September 2014 ebenso mäßig wie bei der letzten Modenschau
am 25. Februar 2014.