Mit weißer Weste

Der modische Nachwuchs als Intermezzo

Finale der Modenschau „CHRISTINE PHUNG“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 9. November 2014

In der Prêt-à-porter-Woche treten nicht alleine die etablierten Modeschöpfer mit ihren Kollektionen in die Öffentlichkeit. Auch die Nachwuchstalente wagen sich aus den Ateliers heraus, um ihre Gestalt gewordenen Ideen in Paris zu präsentieren. So fanden sich Studenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg am 23. September 2014 vor dem Palais de Tokyo ein, um selbst als Mannequins ihre Projektkollektion „#WEISS11“ mit weißen Kleidern den Besuchern der Modenschau mit der Marke „PASCAL MILLET“ wie auch den Passanten vorzustellen.

Zu den etablierten Modeschöpfern darf sich mittlerweile die Pariserin Christine Phung zählen. Die Tochter eines kambodschanischen Vaters und einer französischen Mutter verdankt ihrer bikulturellen Herkunft die Wertschätzung für bedruckte Materialien. Hinzu kommt ihr Sinn für Feingliedrigkeit und Architektur. Die Entwürfe bewegen sich zwischen strengen und fließenden Linien. Nach dem Studium an der École Duperré und dem Institut Français de la Mode arbeitete sie für bekannte Marken wie „LEMAIRE“, „Chloé“, „vanessabruno“, „Lacoste“ und „Baby Dior“. Im Jahre 2008 gab es im Museum der Modernen Kunst in Lüttich eine Ausstellung mit ihren Kleidern für die Internationale Design Biennale. Es folgten im Jahre 2011 der Preis „Grand Prix de Création de la Ville de Paris“ und im Jahre 2013 der Preis „ANDAM Prix des Premières Collections“. Dazwischen, im Jahre 2012, wurde sie noch Finalistin des Wettbewerbes „MANGO FASHION AWARDS“.

Daraus entstand für den Frühling und Sommer 2015 eine Kollektion, die sich zart verführerisch und zugleich betont modern gab. Bei dieser Kollektion ging es um die Geschichte einer Frau, die es mag, über einen Vulkan radzufahren. sowie die Unergründlichkeit und Gefährlichkeit der Natur liebt; es ist ein Zustand, in dem sich der Fels verflüssigt, sich das Erdinnere nach außen kehrt und sich das Land verschmelzt, während das Blut unter der Haut beim Rasen durch die Krater in Wallung gerät. Die radfahrende Christine Phung mag zwar ebenso Vulkane, zieht es aber vor, Formen zu gestalten. In dieser Saison interessierte sie sich für „Eruptionen von Farben“, die in einer Fusion mündeten. So wie der Fels zu Lava schmilzt und sich dann zu neuen Schichten anlagert, verarbeitete sie Fasern und Stoffe zu Cocktailkleidern, verformte sie elastische Rahmen zu Strukturen von Tageskleidern, verwandelte sie Kraterfarben in Muster für Blusen und Hemden. Christine Phungs Faible für Unendlichkeit verwirklichte sich in ihrer sechsten Kollektion „IT’S ABOUT A GIRL WHO RIDES HER BIKE ON A VOLCANO“, die sie im Institut du Monde Arabe zeigte.

In liebevoller Erinnerung an ihre am 2. August 2014 verstorbene Mutter gestaltete die britische Modeschöpferin Corrie Nielsen die Kollektion „The Single Girl“. Die achte Kollektion spiegelte die gesellschaftliche Transformation der 1960er Jahre wieder, als die weibliche Stärke und Unabhängigkeit in körperlicher, emotionaler, sozialer und ökonomischer Hinsicht einen Durchbruch erlebt hatte. Es war auch eine Zeit gewesen, in der sich die weibliche Mode von Konventionen und äußeren Zwängen zur Kontrolle des weiblichen Körpers endgültig befreit hatte. Die Kollektion veranschaulichte die Faszination der Absolventin des Central Saint Martins College of Art and Design für die Art und Weise, wie sich Formen einsetzen lassen, um die Weiblichkeit abseits patriarchaler Traditionen zu definieren. Die Linien und Silhouetten mit den skulpturalen, frei fließenden Formen lehnten sich an die Möbel- und Tapetengestaltung der 1960er Jahre an. Auch die futuristischen Kurven und Windungen der „THE Jetsons“-Cartoons und der Perspex-Möbel blieben nicht ohne Einfluß auf die Entwürfe.

Die Fortschrittlichkeit der Befreiungsbewegung in den 1960er Jahren steckte in den Materialien und Farben: dunkelbrauner Satin über Latex, beigefarbene Duchesseseide und grauweißer Tüll, subtil mit Perlen ausgeschmückt. Die bei aller weiblicher Stärke für Corrie Nielsen charakteristische Akzentuierung einer kindlichen Weiblichkeit zeigte sich sowohl am Spielen mit blaßgelber Seide und grauweißem Mohair als auch an der Feinheit und Schlankheit der Formen. In den Kleidern sollten sich die Frauen mit Grazie, Leichtigkeit und Zuversicht bewegen. Um die Kleider tragbar und vergnüglich zu gestalten, hielt sich die Gewinnerin des Preises „FASHION FRINGE“ im Jahre 2010 an zwei Stilikonen der 1960er Jahre; Brigitte Bardot und Jane Birkin hatten das Publikum ihrerzeit mit einer überaus starken körperlichen und emotionalen Präsenz beeindruckt. Die Kollektion war als Verkörperung von Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit letztendlich eine Verbeugung vor den Frauen in den 1960er Jahren, die mit ihren Veränderungen das heutige Frauenbild erst ermöglicht hatten. Leider war das Licht bei der Modenschau in der Veranstaltungsstätte „Salons du Louvre“ am 23. September 2014 ebenso mäßig wie bei der letzten Modenschau am 25. Februar 2014.


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