Die Mailänder Damenmodewoche endete am 22. September 2014 im Sinne der Nachwuchsförderung. Im Palazzo Reale stellten sich auf verschiedenen Modenschauen Nachwuchstalente unter dem Motto „N-U-D-E: NEW UPCOMING DESIGNERS“ vor. Zum einen handelte es sich um die Bologneser Modeschöpfer Juan Caro und Fabio Sasso mit ihrer Marke „Leitmotiv“, zum anderen um den zwischen Mailand, Tokio und Schanghai pendelden Modeschöpfer Alberto Zambelli. Dazwischen kam im Palazzo Clerici noch ein etablierter Modeschöpfer zum Zuge. Der Mailänder Modeschöpfer Sergeij Grinko aus Rußland schickte Mannequins in Wildwest-Manier mit Cowboyhüten über den Laufsteg.
Einen anderen Ansatz verfolgte der aus
Wien stammende und in Mailand tätige Modeschöpfer Arthur
Arbesser. Arthur Arbesser studierte am Central Saint Martins College in
London, wo er sich mit der eigenwilligen britischen Kunstszene
befaßte und so eine eigene Ästhetik entwickelte. Danach ging
er nach Mailand, um sieben Jahre lang für den Modeschöpfer
Giorgio Armani zu arbeiten. Im Februar 2013 machte Arthur Arbesser in
der Mailänder Damenmodewoche mit seiner neu gegründeten
Damenmodemarke gleichen Namens auf sich aufmerksam. Schon im September
2013 gewann er den renommierten Wettbewerb „WHO IS ON NEXT?“. Mit der
mittlerweile vierten Kollektion, die er am 21. September 2014 in der
Veranstaltungsstätte „Garage Sanremo“ präsentierte, gelang
ihm ein weiterer beachtenswerter Wurf.
Für die Entwürfe setzte Arthur
Arbesser seine Suche nach einer modernen Ästhetik fort. Es galt
unter Einbindung der bildenden Kunst und der Architektur eine „radikale
Eleganz“ zu finden. Dabei wandte er sich zweien deutschen
Künstlern als Inspirationsquellen zu, nämlich Blinky Palermo
und Isa Genzken. Die Farbpalette ging auf Blinky Palermo zurück;
daneben wurde in Arthur Arbesser der grundsätzliche Wunsch nach
einem „sauberen Dessin“ erweckt. Demgegenüber brachte ihn die
Beschäftigung mit Isa Genzken dazu, ungewöhnliche Paarungen
von Materialien auszuprobieren, beispielsweise mit Schwämmen,
Honigwaben und gewachstem Nylon. Ein besonders interessanter Aspekt der
Kollektion war die Strickkleidung mit Garnen aus transparentem Nylon
und 3D-Viskose-Jacquard. Ferner griff er das Polohemd und die
Jeansjacke als Thema wieder auf und führte sie neuen Lösungen
zu. Die Entwürfe waren androgyn, verloren jedoch nicht die
für Arthur Arbesser typische Spannung zwischen Männlichkeit
und Weiblichkeit. Die Silhouetten verkörperten ein Spiel zwischen
Räumlichkeit und Raumlosigkeit, Farbe und Transparenz, Stärke
und Zerbrechlichkeit. So beschrieb Arthur Arbesser die Unvollkommenheit
des Menschen und kommentierte zugleich das Bild, das Menschen
gewöhnlich von sich haben.
Für die aktuelle Modeinstallation
arbeitete Arthur Arbesser wieder mit dem Mailänder Architekten und
Gründer des interdisziplinären Studios „AR.CH.IT“ Luca
Cipelletti zusammen. Anstelle des privaten Ambientes bei der letzten
Kollektionspräsentation gab es mit der Garage diesmal ein
industriell geprägtes Umfeld. Die Garage war überdies ein
Teil des Areales „5 VIE“, das als Gebiet zwischen den
Untergrundbahnhöfen Cordusio und Sant’Ambrogio eigens für die
Modewoche zu einer Oase der Künste und des traditionellen
Handwerkes umfunktioniert worden war. Ziel des zugrundeliegenden
Projektes „5 VIE art+design“ war es, dieses historische und kulturell
bedeutsame Viertel Mailands in der öffentlichen Wahrnehmung
aufzuwerten.
Um die Modeinstallation zu gestalten,
setzten sich Arthur Arbesser und Luca Cipelletti mit dem aus Brescia
stammenden und in Mailand tätigen Künstler Carlo Valsecchi
auseinander, obwohl dessen Werke nicht als Inspiration für die
Kleiderentwürfe dienten, wenngleich bei den Verwandten im Geiste
eine fruchtbare Wechselwirkung zwischen bildender Kunst und Mode nicht
auszuschließen war. Heraus kam in Hommage an den schweizerischen
Journalisten, Verleger und Galeristen Walter Keller eine Ausstellung
für die Dauer der eintägigen Modepräsentation. In
mehreren Zimmern posierten Mannequins vor den Bildern. Arthur Arbessers
Hang zu ungewöhnlichen und ausgefallenen Präsentationsweisen
gipfelte hier in der Verwirrung des Publikums bei der Frage, ob die
Mannequins lediglich Kleider vorführten oder eher chic gekleidete
Besucher der Bilderausstellung waren.
In der Halle, am Ende des Rundganges durch
die Garage, hingen weitere Kleider in strenger Formation von der Decke
herab. Dieser Teil der Modeinstallation sollte die klassische Form der
Modepräsentation auf den Kopf stellen, um das Publikum dazu
anzuregen, mit dem Modeschöpfer in Dialog zu treten. Zur
Modeinstallation steuerte die Photographin und Videokünstlerin
Samantha Casolari aus New York noch einen Kurzfilm mit dem
österreichischen Mannequin Cordula Reyer bei. Darin ging es wie in
der Kollektion um das Spiel mit Gegensätzen und Kontrasten. So
traf in einer traumhaften Atmosphäre die pure Natur auf ein
urbanes Panorama. Die Filmmusik stammte vom amerikanischen Musiker
Patrick Wimberly, der als eine Hälfte des Synthypop-Duos
„Chairlift“ bekannt ist.