Die Modemetropole Mailand ist ein Ort, wo der internationale Durchbruch eines Modeschöpfers gelingen kann. Einer der Sprungbretter dafür ist der Modewettbewerb „WHO IS ON NEXT?“.
Im Jahre 2011 errang Angelos Bratis,
Absolvent des Modeinstitutes Arnhem in Amsterdam, den ersten Platz des
Wettbewerbes dank einer Jury, zu der unter anderem die amerikanische
Modekritikerin Suzy Menkes gehörte. Noch im Jahre 2014 zeigte sich
Suzy Menkes begeistert, als sie in der Zeitung „The New York Times“ zur
Herbst-Winter-Kollektion des aus Athen stammenden und in Mailand
tätigen Modeschöpfers schrieb: „Angelos Bratis erreichte es,
was oft Jahre der Übung braucht, nämlich so tragbar, so
elegant und so leicht zu erscheinen.“ Da war es nicht verwunderlich,
daß sie bei der Präsentation der Kollektion für den
Frühling und Sommer 2015 in der Veranstaltungsstätte „Teatro
Armani“ am 17. Februar 2014 als kritische Zuschauerin nicht fehlte.
Inspirationsquelle waren für Angelos
Bratis der „beschnittene“ architektonische Modernismus und die letzten
erotischen Bilder des berühmten griechischen Malers Yannis
Moralis, der von den 1950er Jahren bis zu den 1970er Jahren die
kulturelle Debatte in Griechenland mitbestimmt hatte. Auf der Suche
nach der gleichen Spannung zwischen Balance und konzeptorischer
Harmonie wie bei Yannis Moralis übernahm Angelos Bratis aus dessen
Œvre die pure und abstrakte Annäherung an die Mathematik in
Gestalt einer dynamischen Komposition einfacher und grober
geometrischer Formen, um letztlich die gleiche kraftvolle und zugleich
minimalistische graphische Vision zu verwirklichen. So kreierte er
vielseitige Kleider und Kaftans für jeden Frauentyp. Crêpe
de Chine für die Kleider, Seidentwill für die Halstücher
und teilweise dehnbare Gestelle in Schlangenform als Halsschmuck
bildeten das willentlich begrenzte mathematische Vokabular, welches der
Modeschöpfer mit Raffinesse einsetzte, um eine charakteristische
fehlerfreie und lichtvolle Ästhetik zu schaffen. Die Besonderheit
der neuen Kollektion steckte in den meisterlichen Schnitten, der
signifikanten Leichtigkeit und der unabhängig windenden Bewegung
der Materialien am Körper, was die Befreiung von allen
Zwängen und Einschränkungen ohne Verlust der „absoluten
Kontrolle“ verdeutlichen sollte.
Eine Spur eingeschnürter
Sinnlichkeit, stets mit einer stattlichen linearen Substraktion
verfeinert, wirkte distanziert, überaus modern und zeitlos.
Schräge Schnitte und das Spiel mit der Diagonalen waren für
Angelos Bratis die „frischen“ Mittel, mit denen er die Kollektion
leidenschaftlich erschaffen konnte. Die Komposition war so das Ergebnis
einer Beschäftigung mit den „Morphologien“ geometrischer Figuren.
Rechtecke, Halbkreise und Triangeln waren die Ausgangspunkte für
verschiedene Muster. Kaftane mit „rhomboidalen Puzzles“ hatten
höchst komplexe Drapierungen, die rigide und plastische
Konstruktionen in einer runden und schwungvoll flüssigen Dimension
freiließen. Auch die Farbpalette erinnerte an Yannis Moralis’
bevorzugte Töne: Gold, Beige, Pink, sonniges Gelb und Weiß
in unergründlicher Tiefe. Schwarze Tupfer und etliche Blaunuancen,
von Ultramarinblau bis Nachtblau, bannten das Mysteriöse des
nächtlichen Himmels auf die Kleidung. Dazu paßten die von
der Schmuckmacherin Maria Mastori entworfenen skulpturalen Juwelen;
Holz, Blattgold und Messing waren hier die Materialien für die wie
von Meerwasser geglätteten Morphologien. Die Kollektion war somit
ein Ausdruck zeitgenössischer Poesie.
Im Hotel „Sheraton Diana Majestic“ wurde nicht alleine die neue Kollektion der Marke „GUCCI“ gezeigt. Parallel dazu gab es die Kollektion „The Eternal Dichotomy“ der Mailänder Modeschöpferin Fatima Valieva zu sehen. Für Fatima Valieva aus der Schweiz stellte sich das Leben, das gemeinhin Realität genannt werde, als einen steten Kampf von Gegensätzen dar. Helligkeit und Dunkelheit, gut und böse, Vergangenheit und Zukunft seien die wechselseitigen Antriebskräfte, welche die Welt in Bewegung hielten, während die Harmonie der Energien für das nötige Gleichgewicht in der Umwelt sorge. Jeder Mensch trage letztendlich einen Januskopf in sich. Die Kollektion war in Fatima Valievas Lieblingsfarben gehalten: Giftgrün als Farbe des Alarms vor Gefahren und der Wiedergeburt, Schwarz als Farbe der Abspaltung von der realen Welt und des Nichts, Puderrosa als Farbe der Zärtlichkeit und unendlichen Liebe sowie Beige als Farbe der schönen Welt und der Wiege anmutiger Ideen. Die Kollektion verkörperte nach der Intention der Modeschöpferin die modische Vision für eine moderne, streitbare, sich ihrer Weiblichkeit und Fragilität bewußte Frau, um jeden Tag aufs neue wie Phönix aus der Asche aufzusteigen. Zartheit und Stärke in der Kollektion bildeten in ihrer Ausgewogenheit dafür den perfekten Widerpart.
In der neuen, im Palazzo Clerici gezeigten
Kollektion der Marke „Chicca Lualdi BeeQueen“ der Mailänder
Modeschöpferin Chicca Lualdi nahmen „Kontaminationen“ in
harmonischen Farben, Drucken und Grafiken, die von geometrischen
Mustern bis zu modernen Paisleys reichten, Gestalt an. Die strengen
Linien der 1960er Jahre spiegelte sich in den Kleidern und Mänteln
wider, während die Westen, Röcke – mit ihren konkreten
Längen –, Jacken und Schlaghosen das Flair der 1970er Jahre
wiederaufleben ließen. Eine zeitgemäße Mischung aus
überarbeiteten Formen und Volumen sorgte für Frische,
Natürlichkeit, Nüchternheit und Weiblichkeit. Die Farbpalette
umfaßte reines Weiß, Kalkweiß, Ocker und
Salbeigrün. Jacquard-Duchesseseide mit geometrische Mustern,
Paisleys auf Baumwolleinen, Organzastreifen, geschorener und dicker
Taft als Materialmix, Leder sowie Matten aus Baumwolleinen fanden
Verwendung.
Die Kleider im Stile der 1960er Jahre
hatten gefranste Reißverschlüsse und bestachen durch ihren
farblichen und materiellen Kontrast. Übertriebene Röcke in
Kalbslänge, in voller Farbe oder bedruckt, wurden mit modernen
Hemden und Blazern kombiniert. Ballonröcke reichten bis an die
Gürtellinie. Männlich anmutende Hemden mit Kontrastkragen
sollten Shorts zeitgenössischer machen. Auch Hosen mit einer
Mischung aus männlicher und weiblicher Note kamen vor. Den
Abschluß bildeten lange, lineare Baumwollkleider für einen
glamourösen Auftritt am Tage. Die Botschaft der Kollektion
lautete, daß Mode das Instrument der Kreativität sei, um
täglich zu faszinieren in der Gewißheit, daß die
harmonischen Elemente und die Qualität einer frischen Strenge, die
Weiblichkeit durch Farbe ausmachten, attraktiver seien als ein
vorhersehbarer, nicht mehr zeitgemäßer Kontrast.