Mode im Spiegel der Zeit

Couture von der Insel

Hochzeitskleid der Marke „RALPH & RUSSO“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 9. August 2014

Couture muß nicht zwangsläufig aus Frankreich, Italien oder dem Nahen Osten kommen. Auch Großbritannien verfügt über kreatives Potential auf hohem Niveau.

Nach der Premiere am 23. Januar 2014 präsentierten die Londoner Modeschöpfer Tamara Ralph und Michael Russo am 10. Juli 2014 wieder eine Kollektion in Paris. Anregungen zur neuen Kollektion hatten sie sich beim Photographen Massimo Listri geholt. Dessen Sinn für Perspektive und Hingabe an Details waren für den Entwurf der opulenten Kollektion ebenso grundlegend gewesen wie dessen einzigartige Stärke, Interieurs in den Bildern so lebendig wirken zu lassen und den Geist vergangener Zeiten festzuhalten. Das Wesen dieser räumlichen Intimität fingen Tamara Ralph und Michael Russo mit ihrer romantischen Kollektion ein. Zwar hatten sie die barocke Pracht des Spiegelsaales im Schlosse zu Versailles vor Augen gehabt, die Kollektion sollte sich bei all dem ancien grandeur aber nicht in Nostalgie erschöpfen. Vielmehr galt es ihnen, die Verbindungen zwischen Tradition und Moderne offenzulegen und für die romantische Frau der Gegenwart eine ewig gültige Form von Eleganz und Komfort zu finden.

Voluminöse Roben aus Duchesseseide oder Seidengaze trafen auf fließenden, über den Boden gleitenden Chiffon und auf Seidenkrepp, welche in ausladenden Falten gipfelten. Wolkige Schößchen flossen zart unter der Taille. Mehrlagige Rüschen drehten sich um Säulenkleider. Dramatisch anmutende Röcke formten perfekt gemeißelte Marmorbögen. Jede Kurve schien die mysteriöse Tiefe in Massimo Listris Bildern wiederzugeben. Als Hommage an die außergewöhnlichen Bilddetails tauchten erstaunlich feine und sorgfältige Ausschmückungen, die mit den sichersten „kleinen Händen“ in die ohnehin handgearbeitete Kleider eingebettet worden waren, auf. Federn zitterten zu wunderlich durchgescheuerten Organzaapplikationen. Kristallklar entkrustete Jumpsuits schlugen in Flammen aus. Das Publikum in der Veranstaltungsstätte „PAVILLON CAMBON CAPUCINES“ war voller Begeisterung entflammt.

Im Palais des Beaux Arts führte der libanesische Modeschöpfer Zuhair Murad seine Heldinnen mit der Kollektion „Glam’ Futurisme“ in eine neue Dimension. Im Gedanken an eine auf perspektivischen Weitblick ausgerichtete Weiblichkeit markierte er mit der Kollektion einen „Wendepunkt“, um Luxus und Verführung für die moderne Frau neu zu definieren. Kühne Schnitte sowie asymmetrische Drapierungen und Plisseefalten brachten einen neuen Silhouettentyp hervor, was die Vereinigung einer traditionelle Hand mit einer vorwärts denkenden Methode erkennen ließ. Schräg geschnittene, gertenschlanke Ballkleider und Smokinghosen prägten die Kollektion. Turnüren, Ausschnitte, Stickereien und reflektierende Arabesken kamen in variablen Formen vor.

Über die greifbare Transparenz hinaus äußerte sich die Sinnlichkeit in weiten, rückenfreien Roben. Das Ausscheren einer lockeren Taille verstärkte den Effekt, während erhöhte Schultern für eine prächtige Haltung sorgten. Kaskaden sich kreuzender markiger Streifen und Nuancen unvergleichlicher Texturen zogen unermüdlich das Licht an und lenkten die Blicke auf sich. Chiffon und Seidenkrepp gewährleisteten einen makellosen majestätischen Gang. Tüll, Seidenorganza, Dupionseide und Spitze unterstrichen den femininen Charakter der zwischen Strenge und Vergnügen verorteten Kollektion. Die erwünschte Heiterkeit sollte jedoch nicht an der Oberfläche haften bleiben, sondern in die Tiefe gehen. Steinige Farbtöne wie Diamantschwarz, Saphirblau, Smaragdgrün sowie Topaz, Turmalin und Mondstein in ihrer Vielfarbigkeit wiesen ebenso wie Silber zu guter Letzt den Weg in die Ewigkeit.

Die gleichnamige Marke der aus Kasachstan stammenden Modeschöpferin Svetlana Kushnerova ist in Rußland und Deutschland schon weitverbreitet. In Paris lagen nunmehr bereits drei Saisons mit Defilees hinter ihr. Durch die ganze, in der Veranstaltungsstätte „Espace Hoche“ gezeigte Kollektion für den Herbst und Winter 2014 zog sich der Gedanke, Couturekleider für den täglichen Gebrauch zu machen. Das Leder, ihr Lieblingsmaterial, machte wieder einen bedeutenden Teil ihrer Kollektion aus. Daneben schätzte sie den Tweed mit seinem rohen Wesen ebenso wie zurückhaltende Stickereien, die sich mit riesigen Netzen mischten. Bei den Farben galt der Grundsatz der Natürlichkeit. Beige, Braun und Schwarz bildeten eine Melange. Eine angenehme Begleiterscheinung fürs Publikum war der Umstand, daß sich auch ein paar Mannequins unter den Gästen befanden, was sich nach der Salonmodenschau, dem letzten Defilee dieser Haute-Couture-Woche, für die Gespräche an der Bar als Bereicherung erwies.


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