Couture muß nicht zwangsläufig aus Frankreich, Italien oder dem Nahen Osten kommen. Auch Großbritannien verfügt über kreatives Potential auf hohem Niveau.
Nach der Premiere am 23. Januar 2014
präsentierten die Londoner Modeschöpfer Tamara Ralph und
Michael Russo am 10. Juli 2014 wieder eine Kollektion in Paris.
Anregungen zur neuen Kollektion hatten sie sich beim Photographen
Massimo Listri geholt. Dessen Sinn für Perspektive und Hingabe an
Details waren für den Entwurf der opulenten Kollektion ebenso
grundlegend gewesen wie dessen einzigartige Stärke, Interieurs in
den Bildern so lebendig wirken zu lassen und den Geist vergangener
Zeiten festzuhalten. Das Wesen dieser räumlichen Intimität
fingen Tamara Ralph und Michael Russo mit ihrer romantischen Kollektion
ein. Zwar hatten sie die barocke Pracht des Spiegelsaales im Schlosse
zu Versailles vor Augen gehabt, die Kollektion sollte sich bei all dem
ancien grandeur aber nicht in Nostalgie erschöpfen. Vielmehr galt
es ihnen, die Verbindungen zwischen Tradition und Moderne offenzulegen
und für die romantische Frau der Gegenwart eine ewig gültige
Form von Eleganz und Komfort zu finden.
Voluminöse Roben aus Duchesseseide
oder Seidengaze trafen auf fließenden, über den Boden
gleitenden Chiffon und auf Seidenkrepp, welche in ausladenden Falten
gipfelten. Wolkige Schößchen flossen zart unter der Taille.
Mehrlagige Rüschen drehten sich um Säulenkleider. Dramatisch
anmutende Röcke formten perfekt gemeißelte Marmorbögen.
Jede Kurve schien die mysteriöse Tiefe in Massimo Listris Bildern
wiederzugeben. Als Hommage an die außergewöhnlichen
Bilddetails tauchten erstaunlich feine und sorgfältige
Ausschmückungen, die mit den sichersten „kleinen Händen“ in
die ohnehin handgearbeitete Kleider eingebettet worden waren, auf.
Federn zitterten zu wunderlich durchgescheuerten Organzaapplikationen.
Kristallklar entkrustete Jumpsuits schlugen in Flammen aus. Das
Publikum in der Veranstaltungsstätte „PAVILLON CAMBON CAPUCINES“
war voller Begeisterung entflammt.
Im Palais des Beaux Arts führte der
libanesische Modeschöpfer Zuhair Murad seine Heldinnen mit der
Kollektion „Glam’ Futurisme“ in eine neue Dimension. Im Gedanken an
eine auf perspektivischen Weitblick ausgerichtete Weiblichkeit
markierte er mit der Kollektion einen „Wendepunkt“, um Luxus und
Verführung für die moderne Frau neu zu definieren. Kühne
Schnitte sowie asymmetrische Drapierungen und Plisseefalten brachten
einen neuen Silhouettentyp hervor, was die Vereinigung einer
traditionelle Hand mit einer vorwärts denkenden Methode erkennen
ließ. Schräg geschnittene, gertenschlanke Ballkleider und
Smokinghosen prägten die Kollektion. Turnüren, Ausschnitte,
Stickereien und reflektierende Arabesken kamen in variablen Formen vor.
Über die greifbare Transparenz hinaus
äußerte sich die Sinnlichkeit in weiten, rückenfreien
Roben. Das Ausscheren einer lockeren Taille verstärkte den Effekt,
während erhöhte Schultern für eine prächtige
Haltung sorgten. Kaskaden sich kreuzender markiger Streifen und Nuancen
unvergleichlicher Texturen zogen unermüdlich das Licht an und
lenkten die Blicke auf sich. Chiffon und Seidenkrepp
gewährleisteten einen makellosen majestätischen Gang.
Tüll, Seidenorganza, Dupionseide und Spitze unterstrichen den
femininen Charakter der zwischen Strenge und Vergnügen verorteten
Kollektion. Die erwünschte Heiterkeit sollte jedoch nicht an der
Oberfläche haften bleiben, sondern in die Tiefe gehen. Steinige
Farbtöne wie Diamantschwarz, Saphirblau, Smaragdgrün sowie
Topaz, Turmalin und Mondstein in ihrer Vielfarbigkeit wiesen ebenso wie
Silber zu guter Letzt den Weg in die Ewigkeit.
Die gleichnamige Marke der aus Kasachstan
stammenden Modeschöpferin Svetlana Kushnerova ist in Rußland
und Deutschland schon weitverbreitet. In Paris lagen nunmehr bereits
drei Saisons mit Defilees hinter ihr. Durch die ganze, in der
Veranstaltungsstätte „Espace Hoche“ gezeigte Kollektion für
den Herbst und Winter 2014 zog sich der Gedanke, Couturekleider
für den täglichen Gebrauch zu machen. Das Leder, ihr
Lieblingsmaterial, machte wieder einen bedeutenden Teil ihrer
Kollektion aus. Daneben schätzte sie den Tweed mit seinem rohen
Wesen ebenso wie zurückhaltende Stickereien, die sich mit riesigen
Netzen mischten. Bei den Farben galt der Grundsatz der
Natürlichkeit. Beige, Braun und Schwarz bildeten eine Melange.
Eine angenehme Begleiterscheinung fürs Publikum war der Umstand,
daß sich auch ein paar Mannequins unter den Gästen befanden,
was sich nach der Salonmodenschau, dem letzten Defilee dieser
Haute-Couture-Woche, für die Gespräche an der Bar als
Bereicherung erwies.