Der Couturier und seine Muse

Modepräsentation nebst Filmvorführung

Der Modeschöpfer Stéphane Rolland zwischen Gästen und das Mannequin Nieves Álvarez an der Seite Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. August 2014

Es gibt viele Arten und Formen, Kleidungsmode zu präsentieren. Es muß nicht immer die klassische Laufstegvorführung sein. Das Publikum kann auch mit besonderen Inszenierungen oder bestimmten Medien beeindruckt werden.

Der Pariser Modeschöpfer Stéphane Rolland verzichtete in dieser Saison auf ein Modedefilee. Statt dessen stellte er am 8. Juli 2014 seine neue Kollektion an Schneiderpuppen aus dem Hause „Siegel & Stockman“ in Form einer Modeinstallation vor. Zu den Puppen gesellte sich seine Muse, das spanische Mannequin Nieves Álvarez, das ein knallrotes sexy Hosenkleid aus der neuen Kollektion trug. Die bodenlangen Roben an den Puppen, manchmal mit Schleppe, waren vornehmlich schwarz, weiß, krapprot oder rostbraun. Zusätzlich zur Installation konnten sich die Gäste in einem separaten Saale einen kurzen Modefilm mit eben diesem Mannequin als Hauptdarstellerin anschauen.

Bei seiner elften Kollektion „Première Pulsion“ stand der Pariser Modeschöpfer Julien Fournié vor der radikalen Entscheidung, die Essenz seines Stiles zu definieren. Er dachte viel über die präzise Eleganz der Schauspielerin Maria Casarès nach, welche der Spielfilm Robert Bressons „Les Dames du Bois de Boulogne“ aus dem Jahre 1945 gezeigt hatte. Wie sollte Julien Fournié bloß den Charme der Schwarz-weiß-Verfilmung in die Farbvielfalt des wirklichen Lebens übertragen? Die Antwort fand er in der Kunst des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit, insbesondere beim Maler Otto Dix, und zwar in dessen Weise, wie er Farben nebeneinander gesetzt hatte, um Emotionen hervorzurufen. Der ästhetische Impuls der Kollektion, die dann in der Kirche Oratoire du Louvre gezeigt wurde, lag in den schwarzen Schattierungen, die zu wenigen Farben in Kontrast traten. Sich deutlich von den geheimnisvollen schwarzen Flächen abhebend, illustrierten flache Bereiche heller Farben, Brokateinlagen und Bakelitstickerei nach dem Willen des Modeschöpfers den ewigen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen; Geheimnis und Schimmer, Unschuld und Unheil standen sich unversöhnlich gegenüber.

„Ohne Licht kein Schatten“, hätten Julien Fourniés schlanke Heldinnen in die Ohren ihrer reifen Betrachter flüstern können. Scharfe Schnitte formten sie zu so zauberhaften Wesen wie die Tänzerin Anita Berber und hielten deren Köpfe bei jeder Körperbewegung in ihrer aristokratische Haltung. In dichtem Jersey ausgeschnitten oder von einem Wirbel aus Musselin umhüllt, tanzten die Kurven des weiblichen Körpers, ohne jemals die aristokratische Würde preiszugeben. Wie in der Filmwelt des Regisseurs David Lynch trugen Julien Fourniés „Verführerinnen“ dornige Drucke oder stachelige Halsketten wie Talismane. Sie bevorzugten gesplitterte Ornamente und Colorama-Derbies. Die Silhouetten gingen auf die Modelle der ersten Prêt-à-porter-Kollektion zurück. Dies alles rief eine Faszination für den „totalen Couture-Look“ hervor, die es möglich machte, sich für eine Persönlichkeit zu entscheiden, die es wagt, sich zu verwandeln.

Die Kollektion „RETOUR AUX SOURCES“ der russischen Modeschöpferin Yulia Yanina war eine Hommage an die Kunst traditioneller Stickerei und zugleich eine „zauberhafte Meditation“ in der Welt der Haute Couture. In der neuen Kollektion kamen Tradition und Moderne harmonisch zusammen. Deren „jugendliche Glut“ strahlte zurück auf die hergebrachte Schneiderkunst. Die Kleider waren der ganze Stolz der Näherinnen und Stickerinnen des Modehauses. Die feinen Stickereien, stattlichen Linien und herrschaftlichen Silhouetten gingen auf die galanten Kleider des 18. Jahrhunderts zurück, so daß die vorgeführten Kleider Teil einer Hoftracht zu sein schienen. Nichtsdestotrotz war mitunter ein Hauch russischer Folklore zu spüren. Es war „ohne Zweifel“ ein Spiel mit Brillanz, Luxus und Exklusivität. Tragbarkeit war dennoch Yulia Yaninas Anliegen. Sie setzte überdies auf Einfarbigkeit, wobei Schwarz am häufigsten vorkam, denn kein farblicher Akzent sollte die Trägerin und die Betrachter von der Schönheit der Form ablenken. Das Publikum im Hôtel le Marois war entzückt.


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