Es gibt viele Arten und Formen, Kleidungsmode zu präsentieren. Es muß nicht immer die klassische Laufstegvorführung sein. Das Publikum kann auch mit besonderen Inszenierungen oder bestimmten Medien beeindruckt werden.
Der Pariser Modeschöpfer
Stéphane Rolland verzichtete in dieser Saison auf ein
Modedefilee. Statt dessen stellte er am 8. Juli 2014 seine neue
Kollektion an Schneiderpuppen aus dem Hause „Siegel & Stockman“ in
Form einer Modeinstallation vor. Zu den Puppen gesellte sich seine
Muse, das spanische Mannequin Nieves Álvarez, das ein knallrotes
sexy Hosenkleid aus der neuen Kollektion trug. Die bodenlangen Roben an
den Puppen, manchmal mit Schleppe, waren vornehmlich schwarz,
weiß, krapprot oder rostbraun. Zusätzlich zur Installation
konnten sich die Gäste in einem separaten Saale einen kurzen
Modefilm mit eben diesem Mannequin als Hauptdarstellerin anschauen.
Bei seiner elften Kollektion
„Première Pulsion“ stand der Pariser Modeschöpfer Julien
Fournié vor der radikalen Entscheidung, die Essenz seines Stiles
zu definieren. Er dachte viel über die präzise Eleganz der
Schauspielerin Maria Casarès nach, welche der Spielfilm Robert
Bressons „Les Dames du Bois de Boulogne“ aus dem Jahre 1945 gezeigt
hatte. Wie sollte Julien Fournié bloß den Charme der
Schwarz-weiß-Verfilmung in die Farbvielfalt des wirklichen Lebens
übertragen? Die Antwort fand er in der Kunst des deutschen
Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit, insbesondere beim Maler
Otto Dix, und zwar in dessen Weise, wie er Farben nebeneinander gesetzt
hatte, um Emotionen hervorzurufen. Der ästhetische Impuls der
Kollektion, die dann in der Kirche Oratoire du Louvre gezeigt wurde,
lag in den schwarzen Schattierungen, die zu wenigen Farben in Kontrast
traten. Sich deutlich von den geheimnisvollen schwarzen Flächen
abhebend, illustrierten flache Bereiche heller Farben, Brokateinlagen
und Bakelitstickerei nach dem Willen des Modeschöpfers den ewigen
Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen; Geheimnis und Schimmer,
Unschuld und Unheil standen sich unversöhnlich gegenüber.
„Ohne Licht kein Schatten“, hätten
Julien Fourniés schlanke Heldinnen in die Ohren ihrer reifen
Betrachter flüstern können. Scharfe Schnitte formten sie zu
so zauberhaften Wesen wie die Tänzerin Anita Berber und hielten
deren Köpfe bei jeder Körperbewegung in ihrer aristokratische
Haltung. In dichtem Jersey ausgeschnitten oder von einem Wirbel aus
Musselin umhüllt, tanzten die Kurven des weiblichen Körpers,
ohne jemals die aristokratische Würde preiszugeben. Wie in der
Filmwelt des Regisseurs David Lynch trugen Julien Fourniés
„Verführerinnen“ dornige Drucke oder stachelige Halsketten wie
Talismane. Sie bevorzugten gesplitterte Ornamente und Colorama-Derbies.
Die Silhouetten gingen auf die Modelle der ersten
Prêt-à-porter-Kollektion zurück. Dies alles rief eine
Faszination für den „totalen Couture-Look“ hervor, die es
möglich machte, sich für eine Persönlichkeit zu
entscheiden, die es wagt, sich zu verwandeln.
Die Kollektion „RETOUR AUX SOURCES“ der
russischen Modeschöpferin Yulia Yanina war eine Hommage an die
Kunst traditioneller Stickerei und zugleich eine „zauberhafte
Meditation“ in der Welt der Haute Couture. In der neuen Kollektion
kamen Tradition und Moderne harmonisch zusammen. Deren „jugendliche
Glut“ strahlte zurück auf die hergebrachte Schneiderkunst. Die
Kleider waren der ganze Stolz der Näherinnen und Stickerinnen des
Modehauses. Die feinen Stickereien, stattlichen Linien und
herrschaftlichen Silhouetten gingen auf die galanten Kleider des 18.
Jahrhunderts zurück, so daß die vorgeführten Kleider
Teil einer Hoftracht zu sein schienen. Nichtsdestotrotz war mitunter
ein Hauch russischer Folklore zu spüren. Es war „ohne Zweifel“ ein
Spiel mit Brillanz, Luxus und Exklusivität. Tragbarkeit war
dennoch Yulia Yaninas Anliegen. Sie setzte überdies auf
Einfarbigkeit, wobei Schwarz am häufigsten vorkam, denn kein
farblicher Akzent sollte die Trägerin und die Betrachter von der
Schönheit der Form ablenken. Das Publikum im Hôtel le Marois
war entzückt.