Im Garten der Lüste

Die Sinnlichkeit der Couture

Modeschöpfer Yassen V. Samouilov vor Mannequins – Erleichterung nach dem Defilee (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 4. August 2014

Sommerliche Temperaturen locken die Menschen nach draußen. Was liegt da näher, als eine Modenschau unter freiem Himmel zu veranstalten?

So geschah es wieder mit der Marke „on aura tout vu“. Der Jardin du Palais Royal ist nicht bloß ein reizvoller Ort. Die Pariser Modeschöpfer Livia S. Stoianova und Yassen V. Samouilov aus Bulgarien haben es nicht weit zu dieser Präsentationsstätte, denn ihr Atelier liegt um die Ecke. Ein Zelt dient dem Zurechtmachen der Mannequins und dem Umkleiden; ein davor ausgerollter roter Teppich ist der Laufsteg. Davon abgesehen, verstehen sie es mit ihrer schier grenzenlosen Phantasie jedesmal aufs neue, Lust auf Mode zu machen. Diesmal, und zwar am 7. Juli 2014, war das Element Wasser ihr Thema. Sie zeigten einen scharf geschnittenen, fest mit hellblauen „Wasser“-Flecken gegürteten Trenchcoat. Bikerjacken, gleichviel ob geschmückt oder nicht geschmückt, tauchten zusammen mit Kleidchen als Ensembles auf. Plissierte Chiffonkleider verkörperten den Fluß. Gepolsterte Blätter an einigen Kleidern ließen ans Flußufer denken. Die wie Eiskristalle oder Eiszapfen aussehenden Verzierungen auch an Brillen vervollständigten das eisige Landschaftsbild.

Der Pariser Modeschöpfer Alexis Mabille präsentierte seine Kollektion „Le grand frisson“ in den Salons des Hôtel d’Evreux. Inspirationsquelle war erstaunlicherweise diesmal die Herrenmode. Zugrunde lag ein Zitat der amerikanischen Autorin und Regisseurin Susan Sontag: „Was am schönsten in virilen Männern ist, ist etwas Weibliches; was am schönsten in femininen Frauen ist, ist etwas Männliches.“ In jedes Kleid integrierte Alexis Mabille einige Elemente männlicher Bekleidung. Beispielsweise erinnerten Revers und Knöpfe in zweien Reihen an Herrenjacketts. Trotz männlicher Note nahmen die opulenten Abendroben ihren Trägerinnen nicht die Weiblichkeit.

Der aus Syrien stammende und in Dubai tätige Modeschöpfer Rami Al Ali veranstaltete eine Modeinstallation auf der Eingangstreppe des Museums „Les arts décoratifs“. Es war seine sechste Saison in Paris. In der für ihn neuen Spielstätte brachte er dem Publikum mit seiner zwanzigsten Kollektion die Vision eines versteckten Regenwaldes nahe. Waldgrün, Beige und Gelb gaben die Exotik eines idyllischen Dschungels wieder. Königsblau, Purpurrot, Rubinrot, Smaragdgrün und Gold symbolisierten das Naturjuwel. Die Stoffe paßten zu den ungezähmten Bewohnern in Rami Al Alis wilder Welt. Es handelte sich um eine Mischung aus Spitze, Seidenorganza, Seidengaze, Taft und Chiffonlamé. Aufwendig verzierte matte Pailletten und Kristalle traten hinzu. Die aufwendigen Stickereien und das dreidimensionale Weben ermöglichten einen Gang in die Tiefe unterhalb der Oberfläche, einen „Durchgang in den innersten Baldachin des Regenwaldes“. Die Silhouetten ergaben sich aus Kurven und Linien, die flüssig am Körper entlang glitten. Die klassische A-Linie erfuhr eine moderne Umarbeitung mit kupierten Fronten der voluminösen, vielschichtigen Röcke, die spontane Einblicke in das Innenleben der aufblühenden Natur gewährten.


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