Sterne und Streifen

Ein modischer Rückgriff auf die 1970er Jahre

Finale der Modenschau „VALENTIN YUDASHKIN“  (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 9. April 2014

Das Rad muß nicht immer neu erfunden werden, lautet eine Binsenweisheit unter Ingenieuren und Technikern. Dies gilt ebenso für die Modebranche. Auch hier ist Altbewährtes nicht wegzudenken, so wenn sich Modeschöpfer für ihre Entwürfe aus früheren Stilepochen bedienen. Die geläufige Bezeichnung dafür lautet: „Retro-Look“.

Der englische Modeschöpfer Matthew Williamson griff für seine Kollektion für den Herbst und Winter 2014 in den reichhaltigen Fundus der 1970er Jahre. Mit den Schlaghosen und knappen Jacken, bunt und glitzernd, ließ er die Glam-Rock-Ära wiederaufleben. Mit den Schlaghosen wollte er zugleich an den Tramp erinnern, der vom legendären Schauspieler Charles Chaplin so eindringlich verkörpert worden war. Die Sterne und Streifen in Verbindung mit den Farben Blau, Weiß und Rot auf manchen Kleidungsstücken ähnelten zwar sehr der Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika, der Modeschöpfer gab aber zu verstehen, daß darin keine politische Anspielung, geschweige denn eine politische Botschaft, stecke.

Für die Kollektion „Ink Stone“ der Marke „SHIATZY CHEN“ reichte der Griff weiter in die Vergangenheit zurück. Pinsel, Tusche, Papier und Tintenstein, als die „vier Schätze der Gelehrtenstudie“ bekannt, waren als Bestandteile der chinesischen Kultur und Geschichte über Generationen hinweg weitergegeben worden. So blicken die Chinesen auf fünftausend Jahre zurück, denn bereits in der Jungsteinzeit hatten sie sich damit befaßt, Steine zu schleifen und Materialien zu mischen, um der Nachwelt Graphiken oder Texte zu hinterlassen. Der Tintenstein war zur Zeit der Streitenden Reiche aufgekommen und diente mit seiner Form sowie seinen Materialien und Farben nun als Inspiration für die neue Kollektion; er gab ihr mit den Nuancen seiner Intensität, Leichtigkeit und Feinheit gleichsam den Rhythmus vor. Die Oberflächen waren seidig glatt und glänzend, während die Schichten metallischer Körner durchschimmerten.

Die Silhouetten waren nach Maßgabe der taiwanesischen Modeschöpferin Wang Chen Tsai-Hsia mit der Box-Linie oder H-Linie schlank und fließend. Pastellrosa als heller Farbton war lieblich und „lebendig wie Pfingstrosen“; Moosgrün als dunkler Farbton wirkte dagegen geheimnisvoll. Schwarz stand für den stolzen schwarzen Schwan, der so elegant wie eine Seenlandschaft und so ruhig wie ein Berg in den Wolken ist; Schwarz konnte geheimnisvoll wie eine tiefe Schlucht oder transparent wie ein flacher Teich sein. Die Farbpalette umfaßte überdies Magentarot, Aquamarinblau, Kalkweiß, Cremeweiß, Steingrau und Tuscheschwarz. Bei den Materialien fanden sich Doppelwolle, Satinwolle, zweitönige mit Wolle besetzte Spitze und Organzastickerei. Blumenmotive sowie Satindrucke und Drucke auf elastischen Stoffen kamen hinzu. Die Oberseiten der Schuhe waren bestickt. Die Pumps hatten sportlich und elegant ausgeschnittene Absätze; die Biker-Boots waren kniehoch. Bei den Handtaschen galt das Formprinzip der Geometrie; Griffe und Schnallen waren aus Jade. Geometrische Ausschnitte tauchten wieder bei Halsketten, Armbändern und Broschen auf.


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