Mir geht ein Licht auf

Wie man Kleidung ins rechte Licht setzt

Zwei Mannequins vor der Modenschau „CHRISTOPHE GUILLARMÉ“  (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 6. April 2014

Es bedarf schon der richtigen Dosierung der Beleuchtung, um eine Kleiderkollektion ins rechte Licht zu setzen. Zuweilen ist es ratsam, das Licht sparsam einzusetzen, beispielsweise um die Hell-Dunkel-Kontraste zu betonen. Manchmal kommt ein zusätzliches Licht in Betracht, um Details hervorzuheben.

Der indische Modeschöpfer Manish Arora stattete fürs Finale seiner Modenschau im Palais de Tokyo am 27. Februar 2014 die Turnschuhe mit LED-Leuchtkörpern aus, die bei jedem Schritte aufblinkten, auf daß die derart illuminierten Mannequins im Dunkeln am Publikum vorbeiliefen. Die Kollektion war insgesamt eine Bonbonniere mit „Naschkatzen-Nomaden“ und „Gummibärchen-Zigeunern“. Übergroße Eisdrucke und zuckerhaltige Landschaften schmückten peruanische Tellerröcke und nur bis zur Hüfte reichende altchinesische Arbeiterhosen, die über Thermoleggings aus Lurexgarnen und langen Unterhosen getragen wurden. Messerfalten kamen in bodenlangen Zigeunerröcken und geschichteten Anzügen mit Drucken vor. Eine sportliche Jugendlichkeit zeigte sich besonders bei den Ponchos mit Kapuzen aus bedrucktem, wasserdichtem Hochtechnologiegewebe. Sportliche Rucksäcke aus Nylon wurden wie Kleinkinder auf den Rücken geschlungen oder vor die Brust gewickelt.

Winzige Heißwasserflaschen und Flachmänner hielten die nomadischen Wanderer warm auf ihren Reisen durchs Publikum. Manish Arora führte dem Publikum eine bunte Schar Charaktere vor; seine „Saccharin-Heldinnen“ waren „futuristische Galaxiemädel, verliebte Blumenmädchen, süßlich gestreifte Babymütter, jungenhafte Dienstmägde, den Weltraum bereisende Tomboys, samtene Witwen und optimistische Bräute“. Seine typische Stickerei kam als kleine Kuchen und Donuts sowie als Speiseeis und Lutscher auf gestreiften Strickpullovern und Tank-Tops, auf Paillettentops und Umhängen wie auch auf samtenen Röcken und Kleidern vor. Lappländische Bommelhüte waren mit vielfarbigen Kirschen, Herzen, Monden und Gummibärchen aus Fellen gekrönt. Ethnisch beeinflußter Goldschmuck in mehrkettigen Stücken, welche mit den gleichen bunten Süßelementen ausgestattet waren, krönte die Köpfe und zierte die Hände.

Die polnische Modeschöpferin Gosia Baczyńska griff für ihre Kollektion auf die Geschichte zurück, und zwar auf ihre eigene als Teil der Geschichte ihrer vom Osten nach Westen unter widrigen Umständen getriebenen Familie. Beim Entwerfen hatte sie das Bild eines dreckigen Feldweges vor Augen. Die kalte Erde sog den Regen auf und verwandelte sich in Schlamm; die vielen Pfützen waren ein Meer, das die Massenflucht aufnahm. Jeder war betroffen: Aristokraten, Bürger, Bauern, Arbeiter, Militärs, Intellektuelle. Gosia Baczyńska fragte sich letztlich, ob es dabei nicht nur um die europäische Vergangenheit, sondern auch um dessen Gegenwart gehe. Im Palais des Beaux Arts stellte sie nun das Ergebnis ihres Ringens mit der schrecklichen Vergangenheit und Gegenwart vor. Da paßte es, daß der für die Modenschau ausgewählte Ausstellungssaal ein thematisch entsprechendes Interieur hatte; das Publikum saß vor spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Sarkophagen französischer Herrscher, während die Mannequins beim Laufen eine Nachbildung des berühmten Reiterstandbildes des venezianischen Condottieres Bartolomeo Colleoni im Rücken hatten. Eindringlicher konnten die Gedanken der Modeschöpferin an Krieg und Tod dem Publikum kaum nahegebracht werden. Ein Neuling in der Pariser Modeszene war die Modemacherin Raphaëlle H’Limi, die ihre jugendliche Kollektion „Beautiful Chaos“ im Festsaale der Bürgermeisterei des 3. Arrondissements abseits des offiziellen Trubels präsentierte.


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