Es bedarf schon der richtigen Dosierung der Beleuchtung, um eine Kleiderkollektion ins rechte Licht zu setzen. Zuweilen ist es ratsam, das Licht sparsam einzusetzen, beispielsweise um die Hell-Dunkel-Kontraste zu betonen. Manchmal kommt ein zusätzliches Licht in Betracht, um Details hervorzuheben.
Der indische Modeschöpfer Manish
Arora stattete fürs Finale seiner Modenschau im Palais de Tokyo am
27. Februar 2014 die Turnschuhe mit LED-Leuchtkörpern aus, die bei
jedem Schritte aufblinkten, auf daß die derart illuminierten
Mannequins im Dunkeln am Publikum vorbeiliefen. Die Kollektion war
insgesamt eine Bonbonniere mit „Naschkatzen-Nomaden“ und
„Gummibärchen-Zigeunern“. Übergroße Eisdrucke und
zuckerhaltige Landschaften schmückten peruanische Tellerröcke
und nur bis zur Hüfte reichende altchinesische Arbeiterhosen, die
über Thermoleggings aus Lurexgarnen und langen Unterhosen getragen
wurden. Messerfalten kamen in bodenlangen Zigeunerröcken und
geschichteten Anzügen mit Drucken vor. Eine sportliche
Jugendlichkeit zeigte sich besonders bei den Ponchos mit Kapuzen aus
bedrucktem, wasserdichtem Hochtechnologiegewebe. Sportliche
Rucksäcke aus Nylon wurden wie Kleinkinder auf den Rücken
geschlungen oder vor die Brust gewickelt.
Winzige Heißwasserflaschen und
Flachmänner hielten die nomadischen Wanderer warm auf ihren Reisen
durchs Publikum. Manish Arora führte dem Publikum eine bunte Schar
Charaktere vor; seine „Saccharin-Heldinnen“ waren „futuristische
Galaxiemädel, verliebte Blumenmädchen, süßlich
gestreifte Babymütter, jungenhafte Dienstmägde, den Weltraum
bereisende Tomboys, samtene Witwen und optimistische Bräute“.
Seine typische Stickerei kam als kleine Kuchen und Donuts sowie als
Speiseeis und Lutscher auf gestreiften Strickpullovern und Tank-Tops,
auf Paillettentops und Umhängen wie auch auf samtenen Röcken
und Kleidern vor. Lappländische Bommelhüte waren mit
vielfarbigen Kirschen, Herzen, Monden und Gummibärchen aus Fellen
gekrönt. Ethnisch beeinflußter Goldschmuck in mehrkettigen
Stücken, welche mit den gleichen bunten Süßelementen
ausgestattet waren, krönte die Köpfe und zierte die
Hände.
Die polnische Modeschöpferin Gosia
Baczyńska griff für ihre Kollektion auf die Geschichte
zurück, und zwar auf ihre eigene als Teil der Geschichte ihrer vom
Osten nach Westen unter widrigen Umständen getriebenen Familie.
Beim Entwerfen hatte sie das Bild eines dreckigen Feldweges vor Augen.
Die kalte Erde sog den Regen auf und verwandelte sich in Schlamm; die
vielen Pfützen waren ein Meer, das die Massenflucht aufnahm. Jeder
war betroffen: Aristokraten, Bürger, Bauern, Arbeiter,
Militärs, Intellektuelle. Gosia Baczyńska fragte sich letztlich,
ob es dabei nicht nur um die europäische Vergangenheit, sondern
auch um dessen Gegenwart gehe. Im Palais des Beaux Arts stellte sie nun
das Ergebnis ihres Ringens mit der schrecklichen Vergangenheit und
Gegenwart vor. Da paßte es, daß der für die Modenschau
ausgewählte Ausstellungssaal ein thematisch entsprechendes
Interieur hatte; das Publikum saß vor spätmittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Sarkophagen französischer Herrscher,
während die Mannequins beim Laufen eine Nachbildung des
berühmten Reiterstandbildes des venezianischen Condottieres
Bartolomeo Colleoni im Rücken hatten. Eindringlicher konnten die
Gedanken der Modeschöpferin an Krieg und Tod dem Publikum kaum
nahegebracht werden. Ein Neuling in der Pariser Modeszene war die
Modemacherin Raphaëlle H’Limi, die ihre jugendliche Kollektion
„Beautiful Chaos“ im Festsaale der Bürgermeisterei des 3.
Arrondissements abseits des offiziellen Trubels präsentierte.