Kleider und Schmuck

Haute Couture trifft Haute Jouaillerie

Finale der Modenschau „Serkan Cura Couture“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 6. Februar 2014
Mit der Haute Couture und der Haute Coiffure ist es nicht genug. Die modische Dreifaltigkeit ist erst vollkommen mit der Haute Jouaillerie. So sind in Paris zur Zeit der Haute-Couture-Woche nicht nur Kleider und Frisuren, sondern auch Schmuckstücke zu sehen. Sie warten bloß darauf, als neuer Trend aufgespürt zu werden.

Am 23. Januar 2014 präsentierte in einem Appartement, das sich in einem vom Architekten und Bauunternehmer Jacques Mazière im Jahre 1703 konstruierten Gebäude nahe der Place Vendôme befindet, die Schmuckgestalterin Fréderique Dessemond die neue Kollektion ihrer Marke „GINETTE NY“. Die Französin hatte Kunstgeschichte studiert, hinterher als Innenarchitektin und in der Modebranche gearbeitet und danach in New York die eigene Schmuckmarke gegründet. Hatte sie sich einst vom Architekten Le Corbusier inspirieren lassen, so waren es in der schillernden Weltstadt New York die vielen Stunden in den Ateliers von Schmuckherstellern und die sich daraus ergebende Erkenntnis des künstlerischen Anspruches hinter den Schmuckstücken gewesen. Fréderique Dessemond verarbeitet nun in ihren Schmuckkollektionen zahlreiche Erfahrungen aus ihrem Leben. Diamanten und Keramik waren das aktuelle Motto. In der Tat fand Keramik als Material eine Verwendung in der neuen Kollektion. Ein Hingucker waren ebenso die Ketten mit vielen bunten Steinen.

Am gleichen Tage zeigte der libanesische Modeschöpfer Zuhair Murad seine Kleiderkollektion für den Frühling und Sommer 2014 im Palais des Beaux Arts. Er bewies mit seinen schlicht eleganten Stücken einmal mehr, wie schaffensfreudig die Modeschöpfer aus dem Libanon sind: Abendkleider in Weiß oder Blaßgrün oder gar transparent mit blauen Blumenmotiven, Tageskleider in Blaßrosa oder Fliederfarbe sowie ein Hosenanzug in Schwarz. Der indonesische Modeschöpfer Didit Hediprasetyo empfing seine Gäste im Hôtel Salomon de Rothschild zur Präsentation einer Kleider- und Brillenkollektion. Schwarze und weiße Abendkleider, bodenlange und wadenlange Tageskleider mit Rautenmuster in verschiedenen Farben sowie ganz graue Hosen und Hosen mit Rautenmuster nebst teils tief dekolletierten Lederbustiers wechselten einander auf dem Laufstege ab. In einem alten Theater nahe der Place de la République brachte der aus Belgien stammende und in Paris tätige Modeschöpfer Serkan Cura seine neuen Kleider auf die Bühne. Inszeniert wie ein Kammerspiel hatten die Mannequins nacheinander einen Einzelauftritt. In der für Serkan Cura typischen Art waren die Kleider wieder sehr wuschelig. Die theatralischen Posen der Mannequins verstärkten die Wirkung der aus dem Alltage entrückten Kleider. Das Schlußbild mit allen Darstellerinnen löste beim Publikum Begeisterungsstürme aus.

In der Veranstaltungsstätte „Espace Vendôme“ erinnerten die Modeschöpferin Tamara Ralph und der Geschäftsführer Michael Russo aus Australien mit ihrer neuen Kollektion für das gemeinsame Modehaus „RALPH & RUSSO“ in London der glorreichen 1940er und 1950er Jahre, als Höhepunkte der Mode von den Photographen Lillian Bassman, Henry Clarke, Walde Huth, Willy Maywald und Irving Penn eingefangen worden waren. Jedes Modell ihrer Kollektion hätte nach eigenem Bekunden mühelos von einem dieser ikonischen Porträts stammen können. Die Dramatik der Schwarz-weiß-Bilder jener Ära spiegelte sich in den gegürteten Taillen, graphischen Silhouetten und großzügigen Ausmaßen der klassischen Ballkleider aus Seidengaze und Seidenorganza wider. Solche Kleider für „Göttinnen“ hätten in der Vorstellung der Modeschöpfer gewiß auch die Herzen der Schauspielerinnen Ava Gardner und Rita Hayworth schneller schlagen lassen. Seidenkrepp und Chantillyspitze in Lachsrot und Rosenrot wurden per Hand mit Ornamentmustern kunstvoll bestickt. Georgetteseide und Tüll in Graublau, Perlgrau, schimmerndem Silbergrau erweiterten die Material- und Farbauswahl. Halstücher aus Chiffon flatterten zart über „messerscharf“ geschneiderte Träger. Schleifengürtel hielten blütenblattartige Schößchen fest, welche die Bleistiftröcke im Stile der 1950er Jahr formten. Blumige Korsagen bedeckten die Schultern. Drapierungen aus Georgetteseide wanden sich in „knackige“ Rosen, wovon einige an den Hüften in herabfallenden Schleppen aufbarsten.

Von dem zum Schwärmen und Träumen verleitenden Charakter eines Französischen Gartens inspiriert, wollten Tamara Ralph und Michael Russo mit ihrer Kollektion die Blütezeit der Haute Couture, eine „Welt, in der Glamour weit verbreitet und die Wirklichkeit offen für Phantasie“ gewesen war, wiederaufleben lassen. Die Zielstrebigkeit, mit der sie sich der Couturetradition bei ihrer Arbeit zuwenden, war der Grund, warum sie seit langem als erste britische Modeschöpfer von der Chambre syndicale de la Haute Couture nach Paris eingeladen und in den offiziellen Veranstaltungskalender aufgenommen wurden. Dafür standen eintausendsechshundert Stunden Handstickerei, achthunderttausend Perlen und Kristalle sowie einhundertzwanzig handgemachte Stoffknöpfe. Tamara Ralph und Michael Russo wollten insofern das Finale ihrer Modenschau, bei dem sie mit üppigen, geschwungenen Kleidern in Himbeerrot, Königsblau und Weiß den „Union Jack für Großbritannien“ schwangen, als Meilenstein in der Modegeschichte verstanden wissen. Ohne Präsenz mit einer Haute-Couture-Schau schien dagegen die Modewoche für den Pariser Modeschöpfer Christophe Josse weniger erfolgreich verlaufen zu sein. Nebenher machte das Gerücht die Runde, er sei pleite. Dies wird noch zu klären sein.


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