Ex oriente lux

Impulse aus dem Nahen Osten für die Haute Couture

Finale der Modenschau „ELIE SAAB“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 5. Februar 2014
Zu den Höhepunkten einer Haute-Couture-Woche zählt zweifelsohne die Präsentation des libanesischen Modeschöpfers Elie Saab. Seine Roben sind Kreationen der Extraklasse.

Die neue Kollektion für den Frühling und Sommer 2014 zeigte Elie Saab am 22. Januar 2014 im Théâtre National de Chaillot. Die prachtvollen Kleider waren in folgenden Farben gehalten: Hochrot, Altrosa, Kobaltblau, Kornblumenblau, helles Himmelblau, Königsgelb, Elfenbein, Schwarz. Ebenfalls im Théâtre National de Chaillot war bereits am Vortage die neue Kollektion des Pariser Modeschöpfers Stéphane Rolland in seiner Trendfarbe Orange zu sehen gewesen.

An der Trendfarbe kam auch die libanesische Modeschöpferin Charlotte Licha nicht vorbei. Sie stellte am 22. Januar 2014 im Grand Salon des Hotels „Shangri-La“ ihre erste Kollektion vor, womit sie ein bestimmtes Lebensgefühl sozusagen auf den Punkt brachte, denn die Kollektion „Point“ war jeder Frau gewidmet, die es wagt, anders als die Masse zu sein. Als kleiner Punkt in der großen Welt sollte sie sich in ihrer Individualität fortentwickeln und ein bedeutender Punkt der Gesellschaft werden. Mit der Premierenpräsentation warb Charlotte Licha nun um das Vertrauen in eine solche Haltung. Glamour und Eleganz kamen auf bei bestickten Jacken, langen romantischen Kleidern in edlen Materialien wie Spitze, Seidengaze, Ziberlineseide, Seidenkrepp und Tüll, sorgfältig gearbeiteten Schultern, raffinierte Stickereien sowie handgemachten Applikationen. Gerade Schnitte, Spiele mit Transparenz auf der Brust, Blütenblätterspitzen, Lasermotive und abstrakte Formen traten hinzu. Über Orange hinaus war das Farbspektrum interessant: Weiß, Gelb, Sandfarbe, Blaßblau, Taubengrau und Brandschopfgrau wie auch Schwarz in Tropfen. Die Silhouetten glichen Skulpturen. Trotz der starken Botschaft bedeutete Einfachheit für Charlotte Licha Schönheit, so wenn sie „Originalität und Grazie“ sowie „Feinheit und Finesse“ in den Mittelpunkt rückte.

Der Libanon als Platz hohen kreativen Potentials ist aus der Modewelt nicht mehr wegzudenken, denn mit Georges Chakra, Georges Hobeika, Zuhair Murad, Tony Ward und Tony Yaacoub waren in der Haute-Couture-Woche fünf weitere Libanesen auf Pariser Laufstegen präsent. Dany Atrache, Pariser Modeschöpfer mit libanesischen Wurzeln, mithin der achte Libanese in Paris, hatte zwölf Jahre lang für namhafte Pariser Couturehäuser gearbeitet. Im Jahre 2000 hatte er in Beirut sein eigenes Modehaus gegründet, um im Jahre 2004 nach Paris zurückzukehren und dort fortan eigene Couturekollektionen zu präsentieren. Sein Stil ist „sexy, feminin und absolut elegant“. Auch er verstand sich aufs Spielen mit der Transparenz, was beispielsweise das aktuelle Hochzeitskleid bewies, welches er neben anderen Kleidern am 22. Januar 2014 vorstellte. Ein Appartement nahe den Champs Élysées diente ihm als Schauraum. Weitere Markenzeichen wie „schwindelerregende“ Dekolletés und dicht am Körper liegende Stoffe waren dort ebenso zu entdecken.

Auch dieser Modetag verging nicht ohne einen Blick in die Zukunft. In der Galerie „RTR“ entführte die Pariser Modeschöpferin Tran Thi Thanh Nga aus Vietnam ihre Gäste in eine von Mathematik, Technik und Psychologie geprägte Welt. Ausgangspunkt der Modeinszenierung der Marke „DEFINED MOMENT“ war der Gedanke „Aussehen ist nur die Spitze des Eisberges“. Die Frau sollte für ihre innere Schönheit, die eine Oberflächenbehandlung wie kosmetische Chirurgie nach Ansicht der Modeschöpferin nicht zu beeinflussen vermag, gefeiert werden. So wie es, um eine Frau ganz zu verstehen, nicht ausreiche, deren Äußeres zu betrachten, genüge die exakte Darstellung des menschlichen Körpers nicht, um eine Frau vollständig abzubilden. Um das komplexe weibliche Innenleben zu erfassen, sollten die wesentlichen Elemente des Lebens zusammengeführt und mit feinen Schrauben in Plexiglasstrukturen verbunden werden: rohes Kunststoff, nacktes Metall, Lederstücke und Baumwollfäden. Dies war die psychologische Seite der Modepräsentation.

Auf der mathematisch-technischen Seite war es der innovative Einsatz von Rechnern für die 3D-Modellierung zum Laserschneiden gewesen, um gar keine Ungenauigkeiten aufkommen zu lassen. Ein solch systematischer Ansatz hatte auch jeder Winkelbestimmung zugrunde gelegen; Geometrie und Asymmetrie gestaltete der Rechner. Die Makrameetechnik war ebenfalls einer Veränderung unterworfen. Die sich überlappenden Schichten der Fäden ließen Licht und Schatten in Harmonie miteinander spielen; die am Plexiglase befestigten Fäden vermittelten einen Eindruck von Leichtigkeit. Nicht zu vernachlässigen waren die mikroskopischen Details; so ermöglichten v-förmige Löcher den Drähten, in den Block zu gelangen, um der gesamten Konstruktion ein starres Aussehen zu geben. Eingedenk der Kunstwerke des konstruktivistischen Bildhauers, Malers und Architekten Naum Gabo aus Rußland konnte man nach der Intention der Modeschöpferin durch das Spiel der Linien im Raume ein Gespür dafür bekommen, wie unsere komplexe Welt Gedanken und Gefühle hervorbringt. Das Ergebnis dieses kreativen Prozesses sah so aus, daß die Mannequins in weißen oder nachtblauen, knapp wie Bodies bemessenen und mit den beschriebenen Konstruktionen ausgestatteten Kleidern entweder in Gerüsten mit Vorhängen oder zwischen Ständern mit Leuchtstoffröhren posierten.

Regelrechtes Pech hatte hingegen der Pariser Modeschöpfer Franck Sorbier, der sich als Vollmitglied der Chambre syndicale de la Haute Couture Grand Couturier nennen darf. Obwohl die Manege Battesti der Republikanischen Garde als prächtige Kulisse für eine würdige Präsentation seiner neuen Kollektion fest eingeplant war, führten die Verzögerungen und Versäumnisse der zuständigen Behörden und Gremien, beispielsweise bei der rechtzeitigen Beheizung der Örtlichkeit, zu einer solchen Verschlechterung der Gesamtorganisation der Veranstaltung, daß eine Absage unausweichlich war, und zwar auch wegen des plötzlichen und grundlosen Entfernens der Sicherheitsleute kurz vor der Veranstaltung. Dem Haute-Couture-Hause blieb am Orte des Geschehens für das Malheur nur noch übrig, sein Bedauern auszudrücken und die erschienenen Gäste um Entschuldigung zu bitten.


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