Mode macht mobil

Mode aus Finnland in Paris

Ein Mannequin vor der Modenschau „CHRISTOPHE GUILLARMÉ“ (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 2. November 2013

Zu den Modeschöpfern, die in der Pariser Prêt-à-Porter-Woche ihre Kollektion für den Frühling und Sommer 2014 präsentierten, gesellten sich auch kreative Köpfe aus Finnland. Unter dem Motto „Pre Helsinki SHOWROOM“ stand am 25. September 2013 die Galerie „CHAMPAKA“ offen, um die Präsentationen der Modeschöpfer der Aalto University School of Arts, Design and Architecture mit einem Cocktailglase in der Hand hautnah zu erleben. Es war dabei interessant zu sehen, wie sich ein sportiver Anzug wahlweise mit Sweatshirt oder T-Shirt kombinieren läßt. Doch erschöpfte sich der Modetag nicht alleine in Schauraumpräsentationen; es gab ebenfalls viele Défilés zu sehen.

Der Pariser Modeschöpfer Christophe Guillarmé, dessen kreatives Schaffen bis auf die erste Kollektion aus dem Jahre 1998 zurückreicht, bevorzugt einen „Mix zwischen Glam’ Rock und Couture“. Sein überaus femininer Stil gilt für Ikonen des zeitgenössischen Glamours. Für seine Kollektion „Lady Garage“ speiste sich die Inspiration aus dem Glamour der Hollywoodstars und der New Yorker „High Society“ der Nachkriegszeit. Man stelle sich eine Szene in den 1950er Jahren vor, worin zwischen Madison Avenue und Park Avenue Doris Herzog und Barbara Hutton nach einer Ballettprobe auf die britische Primaballerina Margot Fonteyn in ihrem Tutu treffen. Es war also der „New Look“ neu zu interpretieren.

Für die Präsentation der neuen Kollektion suchte sich Christophe Guillarmé, zum Titel „Lady Garage“ passend, den Hof des Automobilhauses „RENAULT RÉPUBLIQUE“ aus. Um das goldene Zeitalter der Haute Couture angemessen zu würdigen, lag nichts näher, als reines Weiß, Champagner und Beige zu wählen. Lebhafte Grundtöne wie Fuchsienrot und Korallenrot sollten ebenso wie die schwarzen Verzierungen und das Spiel mit Transparenz die Abendroben und Cocktailkleider für den exzentrischen und ungenierten Auftritt zum Leben erwecken. Neben Zweite-Haut-Jersey sorgten Spitze, Duchesseseide und Chantilly-Tüll für die nötige Portion Eleganz in der Haltung und im Schritte. Der rote Lippenstift rundete das Erscheinungsbild ab und machte die Trägerin bereit für ein neues „Frühstück bei Tiffany’s“ …

Die Modeschöpferin Stephanie Hahn, die nach Erfahrungen in Berlin ihre eigene Marke „22/4_Hommes_Femmes“ in Düsseldorf geschaffen hatte, will ihre Kunden mit handgemachter und akribisch gefertigter Kleidung, das heißt mit „Liebe zum Detail“, erfreuen. Dem Markennamen liegt der Gedanke zugrunde, die Parameter, welche die Damen- und Herrenmode bestimmen, nachvollziehbar zu machen. In einer Branche mit anspruchsvollen Messungen und technischen Proportionen bildet die einfache mathematische Gleichung „2 + 2 = 4“ die Grundlage, indem sie auf die Philosophie des Dualismus, die Reinheit in der Herangehensweise und die hohen Qualitätsstandards der Marke hinweist. Das Prinzip hinter jeder Kollektion ist ein von herkömmlichen Geschlechterrollen befreiter, dezent luxuriöser Stil, der stets auf der Neuinterpretation traditioneller männlicher Schneidertechniken beruht. Mit der Verarbeitung edler italienischer Materialien zollt sie den Fertigkeiten der Ahnen Tribut.

Die Verwischung der Geschlechtergrenzen zeichnete auch Stephanie Hahns neue Kollektion aus, die in der Veranstaltungsstätte „Espace Commines“ präsentiert wurde. Bei der Damenkleidung bezog sie sich auf die Tennisspielerin Suzanne Lenglen („Die Göttliche“) und deren nonchalanten Glamour in der Jazzära. Diese Teilkollektion durchzog eine sportliche Eleganz und Lässigkeit, die von pragmatischen Formen und den Kontrasten der Proportionen lebte sowie ein lebendiges Aussehen vermittelte. Lange Overalls, Etuikleider und Bustiers aus Popeline folgten aufeinander. Ein quadratisches Bustier à balconnet offenbarte ebenso eine mutige und zugleich zarte, feminine Seite wie eine Häufung von kräftigem Rosa. Ein Hauch von Sinnlichkeit umgab hier die Mannequins in den Kleidern, während es bei der Herrenkleidung ein Hauch von Verwegenheit war.

Eine an den Kragenknopf angenähte Krawatte kam zusammen mit an der Außenseite des Kragens angebrachten Perlmuttkragenstäbchen. Gleichwohl blieb die Silhouette entspannt. Abgerundete Ausschnitte, Schlitzhosen und Sandalen mit Schnallen machten einen sommerlichen Eindruck. Natürliche und schlichte Töne wie Weiß, Schwarz, Ecru, Himmelblau und Marineblau verdeutlichten Stephanie Hahns Gespür für farbliche Balance. Hemden sind aus einer „22/4“-Kollektion nicht wegzudenken. Deren sommerliches Weiß rührte diesmal aus den monochromen Gemälden des amerikanischen Konzeptkünstlers Robert Ryman her. Zum Thema „Roter Teppich“ umfaßte die „22/4“-Kollektion für die kommende Saison auch Abendgarderobe wie asymmetrische Seidenjacken in der Art eines Blazers. In Ergänzung der Modepräsentation gab es für die Gäste als Kontext zu den vorgeführten Kleidern eine Ausstellung mit Originalbildern des bulgarischen Photographen Stefan Milev und die Vorführung eines Kurzfilmes des deutschen Regisseurs Tobias Yves Zintel. Es war alles in allem eine Reverenz gegenüber den surrealen Träumen in den Landschaften des Filmregisseurs David Lynch.

Traumhaftes umgab auch die neue Kollektion des Japaners Atsuro Tayama. Der eine Vermischung männlicher und weiblicher Elemente liebende Modeschöpfer nahm das Publikum mit auf eine Reise in ein Art-Deco-Universum. In der Halle der Veranstaltungsstätte „Le Laboratoire“ spielte er auf der Basis des männlichen Anzuges mit Zusammenfügung, Mißverhältnis und Asymmetrie. Drucke und geometrische Aussparungen standen in Verbindung mit fließenden, natürlichen Materialien. Baumwolle, Leinen und Seide umschmeichelten die weibliche Figur. Von der Reinheit ausstrahlenden Helligkeit wie bei weißer Bettwäsche geblendet, träumte sich das Publikum letztlich in einen verzauberten Raum hinein.


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