Die Strahlen der Sonne

Kreative Vielfalt in der Pariser Modewoche

La mode c’est moi! – das modische Gesamtkunstwerk Karl Lagerfeld als Marke (Bild: Christian Janssen)

Von Christian Janssen — 2. April 2013
Was die Veranstaltungen der Pariser Modewochen so attraktiv macht, ist die Vielseitigkeit der Modepräsentationen. Der 28. Februar 2013 war in diesem Sinne ein ereignisreicher Tag.

Im Palais de Tokyo feierte zur Mittagszeit der Modeschöpfer Manish Arora den Höchststand der Sonne mit einer betörenden Modenschau. Bei den figurbetonten kurzen Röcken konnten sich die männlichen Gäste aus Italien vor Begeisterung kaum halten. An Farben empfahl der Inder für die nächste Saison Himmelblau, Grasgrün, Goldgelb und Rosenrot. Der Zeitpunkt der Vorführung war perfekt gewählt worden, denn die Sonne ließ die Kleider durchs Oberlicht richtig aufleuchten. In der Nachmittagszeit öffneten sich die Türen eines neuen Ladens. Im Galerieviertel Saint-Germain präsentierte Karl Lagerfeld die neue Kollektion seiner Marke „KARL LAGERFELD“. Der Pariser Modeschöpfer war zu sehr mit den Vorbereitungen auf die große Modenschau der von ihm ebenfalls verantworteten Marke „CHANEL“ beschäftigt, als daß er sich jetzt zwei Stunden lange den Gästen zeigen konnte. Wie von einer aus Berlin stammenden Verkäuferin zu erfahren war, hatte er bereits am Vortage nach dem Rechten gesehen und das Personal für den Empfang der Gäste instruiert.

Kurz nachdem die aus Rußland stammende und in Paris arbeitende Modeschöpferin Viktoria Bagryantseva in einem leeren Appartement gegenüber dem Jardin des Tuileries dem Publikum die bodenlangen Abendkleider aus Spitzenstoffen und Miniröcke aus Leder aus der aktuellen Kollektion ihrer im Jahre 2006 geschaffenen Marke „LYUBOV Paris“ gezeigt hatte, holte der belgische Modeschöpfer Christian Wijnants die Interessenten in den Festsaal der Bürgermeisterei des 4. Arrondissements. Zwischen den Modenschauen standen für den abendlichen Ortswechsel lediglich zehn Minuten zur Verfügung, was bei der hervorragenden Infrastruktur kein Problem bedeutete. Christian Wijnants kurze Kleider und halblange Mäntel fielen durch ihre leuchtende Dreifarbigkeit, einer Trikolore gleich, sofort ins Auge. Unter den Gästen war auch einer seiner Bekannten, nämlich der Berliner Modeschöpfer Michael Sontag. Er hatte sich für die Schau ein wenig Zeit genommen, mußte aber sogleich nach deren Ende zurück zur Veranstaltungsstätte „Espace Topographie de l’Art“, wo sich auf der Veranstaltung „BERLIN SHOW ROOM Cocktail“ viele Modeschöpfer aus Berlin mit ihren Kreationen vorstellten. So stand der späte Abend im Zeichen der Mode aus Berlin. Der mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung bereitgestellte Schauraum war noch bis zum 4. März 2013 zugänglich. Der Tag endete mit einer gemütlichen Ladenpräsentation der Kleidermarke „Fatima Guerrout PARIS“ und der Schuhmarke „MUSETTE PARIS“ im Marais-Viertel, die fast bis Mitternacht dauerte.

Für die Vorführung ihrer neuen Kleider unter dem Motto „SOMEWHEN“ am 1. März 2013 hatten sich die Berliner Modeschöpferinnen Annelie Augustin und Odély Teboul eine besondere Inszenierung einfallen lassen. Ein behaglicher Salon namens Dorchester im Hotel „PLAZA ATHÉNÉE“ war für die Modeinstallation so hergerichtet worden, daß die Modelle in einzig schwarzen Kleidern auf diverse Möbel verteilt worden waren. Entweder machten sie es sich mit ausgestreckten Beinen auf einem Sofa bequem, oder sie standen auf einem Tische oder sie hockten auf dem Fußboden zwischen umgekippten Sesseln. Es sah aus wie das Resultat eines rauschenden Festes. Das laszive Posieren der Modelle ließ die Frage aufkommen, welche Ausschweifungen sie wohl hinter sich hatten. Den Gedanken an sündhaftes Treiben verstärkte das öfters zu hörende verfremdete Finalterzett aus der Oper „Faust“ des Komponisten Charles Gounod mit der gefallenen Margarete, die um himmlischen Beistand und Vergebung bittet: „Anges pure, anges radieux, / Portez mon âme au sein des cieux! / Dieu juste, à toi je m’abandonne! / Dieu bon, je suis à toi, pardonne!“ Die Stimmung auf den Punkt brachte Zarah Leanders Lied „Wunderbar!“ aus dem Musical „Kiss me, Kate!“ des Komponisten Cole Porter.

Neben den Veranstaltungsreihen der Fédération française de la Couture, du Prêt-à-Porter des Couturiers et des Créateurs de Mode setzte eine weitere Veranstaltungsreihe ihren Weg der Etablierung fort. Das aus New York übernommene Konzept der Veranstaltungsreihe „MADE FASHION WEEK PARIS Fall/Winter 2013“ führte nach der Premiere in der letzten Saison diesmal mehr als vierzig Marken – darunter „DUŞAN“ und „EN|NOIR“ – im Hôtel Salomon de Rothschild zusammen. Sowohl mit Laufstegvorführungen als auch mit Modeinstallationen wurden neue Kollektionen dem Publikum nahegebracht. Argwohn oder Mißgunst seitens der etablierten Veranstalter brauchten die Macher nicht zu fürchten, zumal da sie sich der Unterstützung seitens der Pariser Modekammer sicher sein durften. Hinzu kam finanzielle Hilfe von Seiten der Kosmetikmarke „M.A.C. cosmetics“. Der 1. März 2013 klang aus mit einer lebhaften Party im Atelier Richelieu. Dort hatten sich einige in Paris tätige Modeschöpfer, beispielsweise Christine Phung, mit ihren Kleidern für einen vom 1. März 2013 bis zum 7. März 2013 zugänglichen Schauraum unter der Bezeichnung „designers apartment“ einquartiert. Da die Veranstaltung unter der Federführung der Pariser Modekammer stand, durfte Didier Grumbach unter den Besuchern nicht fehlen; als Präsident der Modeeinrichtung verstand er seine Aufgabe und wagte sich unter die Aussteller und Gäste, um ihnen mit fachlichen Gesprächen zur Seite zu stehen. Wie einsam wirkten demgegenüber die Modeschöpfer aus Berlin!


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