MODE UND KULTUR

Das wilde und gefährliche Leben

Der Start ins Modegeschäft

Ein informativer Kleiderständer der Universität der Künste Berlin (Bild: Christian F. Janssen)

Von Christian F. Janssen — 5. September 2012
Der Sommer ist in Berlin stets die Zeit, in welcher die Hochschulen und Modeschulen ihre Absolventen entlassen. Sie verabschieden sich gebührend mit einer Präsentation ihrer Abschlußkollektionen und können auf eine finanzielle Starthilfe hoffen.

Der 6. Juli 2012 war ein anstrengender Tag. Nahezu gleichzeitig stellten sich die Universität der Künste Berlin (UdK) und die Kunsthochschule Berlin-Weißensee (KHB) mit je einer Modenschau vor. Man hätte sich am liebsten zweigeteilt, um alles sehen zu können; so war man in aller Eile zu pendeln gezwungen und verkniff sich die Frage nach der fehlenden Bereitschaft zur Terminabstimmung unter den Berliner Hochschulen. Die UdK hatte den Weg zurück ins Zelt der Veranstaltungsreihe „Mercedes-Benz Fashion Week BERLIN“ gefunden, während die KHB zwar auch wieder an dieser Veranstaltungsreihe teilnahm, sich aber für die Wandelhalle der Gemäldegalerie im Kulturforum entschieden hatte. Auf der Modenschau „schau 12“ der UdK kam nicht nur die Absolventen mit ihren facettenreichen Kollektionen zum Zuge, sondern auch die Studenten im Grund- und Hauptstudium. Während für das Grundstudium die Projekte „Lauf...Masche!“ und „Once upon a time“ vorgesehen waren, waren dem Hauptstudium die Themen „Regenzeit“, „Resort“, „The Secret is in the Detail“ und „Tender Loving Care“ vorbehalten. Ein witziger Einfall sorgte in den Übergangsphasen zwischen den einzelnen Durchgängen für Kurzweil. Jedesmal schoben zwei verkleidete Helfer hinten über Laufsteg einen Kleiderständer, an dem ein Schild mit einer Information über die Person des Modemachers und dessen Kollektionsbezeichnung hing.

Die Modenschau „seefashion12“ der KHB dauerte in der langen Version rund anderthalb Stunden, was daran lag, daß auch die jüngeren Semester mit der Präsentation eigener Projektkollektionen hinter den Absolventen nicht zurückstehen wollten. Bei den Projekten ging es um „Formfindung nach historischen Vorbildern“, „Metamorphose“, „Couture versus industry“ und „Palindrom“. Mit historischen Vorbildern befaßten sich die Studenten des zweiten Studienjahres; im Zentrum stand unter anderem der Wandel der männlichen und weiblichen Kleidersilhouette. Fürs Grundstudium galt es auch, das „Motiv der Transformation und des Gestaltenwechsels“ frei umzusetzen. Das Hauptstudium befand sich im Dilemma zwischen künstlerischer Entfaltung und kommerziellen Zwängen beim Entwerfen von Kleidern. Unter dem Titel „Palindrom“ unter Anleitung der neuen Dozentinnen Prof. Clara Leskovar und Prof . Doreen Schulz. Die Dozentinnen, die einst selbst an der KHB studiert und danach mit ihrer Marke „c●neeon“ eine internationale Bekanntheit erlangt gehabt hatten, hatten erst am 26. April 2012 ihre Antrittsvorlesung gehalten. Palindrome sind Spiegelwörter oder Zeichenketten, deren Zeichen in der Reihenfolge von vorne nach hinten und von hinten nach vorne gleich sein müssen. Aufgabe des Projektes war es, den Studenten des vierten Studienjahres mit der abstrakten Thematik eine „größtmögliche Bandbreite für die künstlerische Auseinandersetzung“ an die Hand zu geben. In dieses Projekt war überdies die Aktion „13. Strick- und Textilworkshop Apolda 2012“ integriert.

Außerhalb der besagten Veranstaltungsreihe zeigten die Modegestaltungsstudenten des vierten Semesters der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) am 8. Juli 2012 im trockengelegten Schwimmbecken des ehemaligen Stadtbades Oderberger Straße ihr Können mit einer selbst organisierten Modenschau unter der Devise „doppelgaenger“. Nicht minder aufregend war das heitere „Backstage“-Treiben vor und nach der Schau. Schon am 19. Juni 2012 kamen die Absolventen der internationalen Kunsthochschule für Mode „ESMOD“ in einer alten Werkshalle zusammen, um unter dem Motto „Urban Fashion“ ihre Abschlußkollektionen zu präsentieren. Auch dort herrschte hinter den Kulissen rege Betriebsamkeit. Für Modeliebhaber konnte es ein langer Tag werden, denn nach der langen Modenschau ab 17 Uhr gab es mit einer Pausenzeit dazwischen noch eine Kurzversion ab 21 Uhr.

Doch auch die ehemaligen Absolventen, die sich vor kurzem mit ihren kreativen Ideen selbständig gemacht hatten und nun die selbst geschaffene Marke vorantreiben wollen, blieben nicht außen vor. Ein alljährlich veranstalteter Wettbewerb der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung greift Nachwuchstalenten finanziell unter die Arme. Ins Finale des diesjährigen Wettbewerbes „SYFB ’12 START YOUR FASHION BUSINESS“ schafften es die Marken „blænk“, „blame“ und „Sissi Goetze“. Am 6. Juli 2012 fiel dann in der ehemaligen Parochialkirche die Entscheidung. Das Preisgeld von 25.000 EUR ging an die hinter der Marke „blænk“ stehenden Modemacherinnen Silke Geib und Nadine Möllenkamp, die als Duo teils in Berlin, teils in Amsterdam tätig sind, da sie luftige Seidenstoffe mit robusten Materialien kombiniert und die Jury mit ihrer „starken eigenen Handschrift“ begeistert hatten. Das Preisgeld von 15.000 EUR erhielten die Berliner Modemacherinnen Sarah Büren und Sonja Hodzode mit ihrer Marke „blame“ für die von „Alice im Wunderland“ inspirierte und „durch stimmungsvolle Farben sowie grafische Drucke geprägte Kollektion“. Das Preisgeld von 10.000 EUR sicherte sich die Modemacherin Sissi Goetze, die nach Ansicht der Jury „jede Kollektion stringent aus der vorangegangenen entwickelt und bei ihren Herrenkollektionen auf eine reduzierte Formensprache setzt“.

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